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Rückzahlung überhöhter SV-Beiträge - Zinsenanspruch?

Bearbeiter: Manfred Lindmayr / Bearbeiter: Barbara Tuma

ASVG § 69

Hat ein Unternehmen Sozialversicherungsbeiträge in einem zu hohen Ausmaß an die Gebietskrankenkasse geleistet, können die zuviel bezahlten Beiträge grundsätzlich zurückgefordert werden. Vergütungszinsen für die ungebührlich entrichteten Beiträge iHv 4 % stehen dem Unternehmen aber nur dann zu, wenn die GKK die zu hohe Zahlung aktiv veranlasst hat (zB durch bescheidmäßige Vorschreibung oder auch formlos durch Zustellung einer Beitragsrechnung).

Hat der Dienstgeber hingegen die SV-Beiträge ohne aktive Veranlassung der GKK selbst unrichtig berechnet (hier: unter Außerachtlassung der Beitragsbefreiung des § 49 Abs 3 Z 26 ASVG) und einen zu hohen Betrag an die GKK abgeführt, kann er keine Vergütungszinsen für den in der Folge rückerstatteten Betrag fordern. Eine durch Analogie zu schließende Lücke des § 69 ASVG liegt diesbezüglich nicht vor.

VwGH 6. 7. 2016, Ro 2016/08/0017

Entscheidung

Bisherige Rechtsprechung

§ 69 Abs 1 ASVG ordnet an, dass zu Ungebühr entrichtete Beiträge zurückgefordert werden können.

In Abwendung von früherer Rsp hat der VfGH im Erk VfGH 20. 6. 1994, G 85/93, ARD 4581/42/94, ausgesprochen, dass § 69 Abs 1 ASVG hinsichtlich der Frage der Verzinsung eine Lücke enthält, die durch Analogie zu schließen ist. Für Geldsummen, die wegen mangelnden Rechtsgrundes zurückzuerstatten sind, seien daher Vergütungszinsen in Höhe der gesetzlichen Zinsen zu leisten. Der VfGH bezog die Notwendigkeit der lückenfüllenden Analogie in der Begründung seines Erkenntnisses auf Fälle, in denen die Beiträge „aufgrund einer nicht rechtsbeständigen Entscheidung einer Behörde“ zu erbringen waren.

Dem Erk VwGH 24. 6. 1997, 95/08/0083, ARD 4883/15/97, hingegen lag ein Fall zu Grunde, in dem die Beitragszahlung nicht aufgrund eines Bescheides, sondern aufgrund einer formlosen Aufforderung zur Nachentrichtung von Beiträgen (Beitragsnachrechnung) erfolgt war. Auch für einen solchen Fall bejahte der VwGH das Bestehen einer Gesetzeslücke, die durch Analogieschluss zu schließen sei. Darüber hinaus vertrat er die - nicht tragende - Ansicht, ein Anspruch auf Vergütungszinsen in Höhe der gesetzlichen Zinsen bestünde in jedem von § 69 Abs 1 ASVG erfassten Fall der Verpflichtung zur Rückzahlung zu Unrecht vereinnahmter Beiträge.

Keine Zinsen bei Selbstabrechnung

Im vorliegenden Fall wurden die Beiträge im Selbstabrechnungsverfahren (Lohnsummenverfahren iSd § 58 Abs 4 ASVG) entrichtet. Der Dienstgeber meint, dass ein Analogieschluss auch in dieser Fallkonstellation zu erfolgen habe, sofern kein Missbrauchsfall vorliege. Vergütungszinsen würden nur dann nicht gebühren, wenn die SV-Beiträge im Wissen um die Ungebührlichkeit ihrer Entrichtung bezahlt worden seien.

Dem schließt sich der VwGH nicht an:

Die Annahme einer Gesetzeslücke in § 69 Abs 1 ASVG ist im Sinn der genannten Erkenntnisse dort geboten, wo die Bestimmung der zu bezahlenden Beiträge vom Versicherungsträger vorgenommen wurde (sei es durch Beitragsbescheid, sei es durch Beitragsnachrechnung). Nur in diesen Fällen ist von Anfang an eine Schutzwürdigkeit des Beitragsschuldners anzunehmen, die das Vorliegen einer Gesetzeslücke nahe legt.

Eine solche Schutzwürdigkeit besteht aber nicht, wenn die Entscheidung über die zu entrichtenden Beiträge iSd § 58 Abs 4 iVm § 34 Abs 2 ASVG in der Sphäre des Beitragsschuldners gefällt worden ist, der diesbezüglich zur Sorgfalt verpflichtet ist (hier: Beitragszahlung im Zeitraum 1. 3. 2005 bis 31. 12. 2009; Beitragsgutschrift nach einer GPLA iHv € 577.459,55). Der Versicherungsträger hat in der Regel keine Möglichkeit, zeitnah zu beurteilen, ob die Beitragsabfuhr durch den Verpflichteten den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Es erschiene nicht sachgerecht, den Versicherungsträger, der die Zahlung der Beiträge in unrichtiger Höhe nicht veranlasst hat und die er auch nicht verhindern konnte, nicht nur mit den Aufwendungen für die Rückzahlung, sondern auch mit der Zahlung von Vergütungszinsen zu belasten. Eine durch Analogie zu schließende Lücke des § 69 ASVG liegt nicht vor.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22255 vom 06.09.2016