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Schadenersatzklage gegen beschwichtigenden Steuerberater, Verjährung

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

ABGB: § 1295, § 1489

Die Erhebung des Verjährungseinwands kann gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn aus einem auch im eigenen Interesse gelegenen Zuwarten des Gegners mit kostenintensiver Prozessführung bis zur Beendigung eines präjudiziellen Rechtsstreits Anspruchsverjährung abgeleitet wird.

Im vorliegenden Fall beschwichtigte der Steuerberater seine Klienten (zwei GmbHs) nicht nur, sondern empfahl und veranlasste auch selbst die Bekämpfung nachteiliger Abgabenbescheide, wobei er nicht nur den Eindruck erweckte, ganz sicher zu sein, dass seine Klienten „die Verfahren“ gewinnen würden, sondern auch, er werde für einen allfälligen Schaden „geradestehen“, sollten die Klienten „die Verfahren“ wider Erwarten verlieren.

Bei dieser Sachlage verstößt es gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn der Steuerberater in dem Schadenersatzprozess, den die Klienten nach dem endgültigen Unterliegen bei der Bekämpfung der Abgabenbescheide anhängig gemacht haben, die Verjährungseinrede erhebt.

OGH 7. 7. 2017, 6 Ob 120/17s

Ausgangsfall

Mit Entscheidung des UFS im Dezember 2011 war die Berufung der Zweitklägerin gegen die Körperschaftssteuerbescheide 2006 bis 2008 als unbegründet abgewiesen worden (die Berufungsverfahren betreffend die Erstklägerin waren ausgesetzt worden). Nach Zustellung dieser Entscheidung teilte der beklagte Steuerberater dem Geschäftsführer der Kl mit, er teile die Ansicht des Senats nicht; der Bekl hatte bereits nach der Betriebsprüfung gegenüber dem Geschäftsführer „intensiv und insistierend“ einen Fehler seinerseits verneint und gegen die Abgabenbescheide des Finanzamts für die Kl auf eigene Kosten Berufungen erhoben. In weiterer Folge wandte sich die Zweitklägerin, vertreten durch einen Rechtsanwalt, der für den Bekl (gratis) tätig war, an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts. Für den Geschäftsführer war damals klar, dass es ein „Formalerfordernis“ (bei Erstellung der Abgabenerklärungen) gegeben hatte, welches vom Bekl nicht erfüllt worden war (konkret: Antragstellung nach §§ 10 ff KStG), er ging jedoch davon aus, dass Argumentationslinie und Ausführungen des Bekl und des Rechtsanwalts bezüglich eines anzunehmenden schlüssigen Handelns bei der Antragstellung „glaubwürdig und stichhaltig“ waren, worin ihn auch sein (nunmehriger) Steuerberater bestätigte. Der Bekl erweckte damals beim Geschäftsführer den Eindruck, ganz sicher zu sein, dass die Kl „die Verfahren“ gewinnen würden; es war ihm allerdings auch bewusst, dass es dafür keine Garantie gab. Der Bekl hatte außerdem den Eindruck erweckt, er werde für einen allfälligen Schaden „geradestehen“, sollten die Kl „die Verfahren“ wider Erwarten verlieren. Der VfGH lehnte in weiterer Folge im September 2012 die Behandlung der Beschwerde der Zweitklägerin ab, der VwGH wies sie als unbegründet ab. Nach Zustellung letzterer Entscheidung über den Bekl im August 2015 machten die Kl am 22. 1. 2016 die vorliegende Schadenersatzklage gerichtsanhängig.

Entscheidung

Die Kl erlitten bereits mit Zustellung der Abgabenbescheide des Finanzamts im März 2011 den von ihnen behaupteten Vermögensnachteil, den sie dem Bekl als ihrem damaligen Vertreter in steuerlichen Angelegenheiten zurechnen wollen (RIS-Justiz RS0123388). Davon ausgehend wäre der von den Kl behauptete Anspruch verjährt.

Es entspricht jedoch stRsp des OGH, dass die Verjährungseinrede gegen Treu und Glauben verstößt, wenn die Fristversäumnis des Berechtigten auf ein Verhalten seines Gegners zurückzuführen ist (RIS-Justiz RS0014838, RS0034537); dabei kann die Frage, ob die Einrede gegen Treu und Glauben verstößt, nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RIS-Justiz RS0014838 [T15]). Dies ist hier nach Ansicht des OGH zu bejahen.

Zudem wies der OGH darauf hin, dass der vorliegenden Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht außerdem mit jenen zu vergleichen ist, in denen der OGH in Anlegerprozessen Beschwichtigungsversuchen von Anlageberatern ua die Auswirkung zuerkannte, dass der Anleger selbst bei früherer Erkennbarkeit des Schadenseintritts dem Verjährungseinwand des Anlageberaters die „Replik der Arglist“ entgegenhalten kann (vgl bloß 6 Ob 103/08b, Rechtsnews 5746; RIS-Justiz RS0014838 [T17, T18]). Dazu komme, dass der OGH bereits wiederholt ausgesprochen hat, dass die Erhebung des Verjährungseinwands gegen Treu und Glauben verstoßen kann, wenn aus einem auch im eigenen Interesse gelegenen Zuwarten des Gegners mit kostenintensiver Prozessführung bis zur Beendigung eines präjudiziellen Rechtsstreits Anspruchsverjährung abgeleitet wird (RIS-Justiz RS0034537 [T7]). Hier hat der Bekl nicht nur beschwichtigt, sondern auch selbst die Bekämpfung der nachteiligen Entscheidungen empfohlen und veranlasst.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 24364 vom 18.10.2017