News

Sicherungspflicht von Kindern in einem Taxi „außer Dienst“

Bearbeiter:

KFG § 106

Kinder bis zu Vollendung des 14. Lebensjahres, die kleiner als 150 cm sind, sind in Kinderrückhalteeinrichtungen zu befördern. Die Ausnahme von diesem Grundsatz bei Beförderungen in Taxifahrzeugen (§ 106 Abs 5 Z 1 iVm § 106 Abs 5 Z 4 KFG) gilt nicht für nichtentgeltliche Taxifahrten. Der Grundsatz der restriktiven Auslegung der Ausnahmebestimmung hat auch für § 106 Abs 6 Z 4 KFG idF BGBl I 2008/6 (29. KFG-Novelle) uneingeschränkt Gültigkeit.

VwGH 30. 1. 2015, Ro 2015/02/0002

Entscheidung

Rsp zur Fassung vor der 29. KFG-Novelle

Gemäß § 106 Abs 5 Z 2 KFG hat der Lenker dafür zu sorgen, dass Kinder bis zu Vollendung des 14. Lebensjahres, die kleiner als 150 cm sind in Kraftwagen, ausgenommen Fahrzeuge der Klassen M2 und M3, nur befördert werden, wenn dabei geeignete, der Größe und dem Gewicht der Kinder entsprechende Rückhalteeinrichtungen verwendet werden, welche die Gefahr von Körperverletzungen bei einem Unfall verringern.

§ 106 Abs 6 Z 4 KFG idF der Novelle BGBl I 2005/117 (Fassung vor der 29. KFG-Novelle) sah dazu vor, dass § 106 Abs 5 Z 2 KFG nicht gilt „bei der Beförderung in Fahrzeugen zur entgeltlichen Personenbeförderung (Taxi-, Mietwagen-, Gästewagengewerbe), es sei denn, es handelt sich um Schülertransporte gem Abs 10“.

Im Erkenntnis VwGH 24. 10. 2008, 2008/02/0257 (= LN Rechtsnews 6301 vom 22. 12. 2008) wurde dazu ausgesprochen, dass der Wortlaut der Ausnahmebestimmung des § 106 Abs 6 Z 4 KFG (idF vor der 29. KFG-Novelle) von der „Beförderung in Fahrzeugen zur entgeltlichen Personenbeförderung (Taxi-, Mietwagen-, Gästewagengewerbe)“ spreche. Dass diese restriktiv auszulegende Ausnahme auch für nichtentgeltliche Fahrten in derartigen Fahrzeugen gelten sollte, würde sowohl dem Schutzzweck der RL 2003/20/EG [über die Gurtanlegepflicht] als auch dem Schutzzweck der in Umsetzung dieser RL erfolgten Novellierung des KFG widersprechen.

Neue Rechtslage – weiterhin Ausnahme nur für entgeltliche Fahrten

Der Revisionswerber vertritt dazu nun die Rechtsansicht, dass sich durch die 29. KFG-Novelle (BGBl I 2008/6) der Gesetzeswortlaut des § 106 Abs 6 Z 4 KFG geändert habe („Abs 5 gilt nicht ... bei der Beförderung in Taxi-Fahrzeugen, es sei denn, es handelt sich um Schülertransporte gemäß Abs 10“): Das Wort „entgeltlich“ lasse sich in der heute geltenden Bestimmung nicht mehr finden. Damit sei eine Unterscheidung zwischen entgeltlicher und unentgeltlicher Beförderung im Revisionsfall nicht mehr relevant. Hätte der Gesetzgeber bei der Neuformulierung des § 106 Abs 6 Z 4 KFG lediglich entgeltliche Beförderungen in Taxi-Fahrzeugen von der Anwendbarkeit des § 106 Abs 5 KFG ausnehmen wollen, so wäre es ihm ein Leichtes gewesen, das Wort „entgeltlich“ in diese Bestimmung einfließen zu lassen. Gerade dies sei aber bei der Neufassung der Bestimmung des KFG nicht geschehen.

Die Gesetzesmaterialien (305 BlgNR 23. GP, 6) begründen die Änderung des § 106 Abs 6 Z 4 KFG idF der 29. KFG-Novelle wie folgt: „Es hat sich die Frage nach der Gemeinschaftsrechtskonformität der österreichischen Ausnahme von der Verwendung von Kinder-Rückhalteeinrichtungen für alle Fahrzeuge zur entgeltlichen Personenbeförderung gestellt. Die RL 2003/20/EG erlaubt in Art 2 Abs 1 lit a sublit iii den Mitgliedstaaten lediglich eine Ausnahme bei der Beförderung in Taxis vorzusehen. Die anderen Fahrzeuge zur entgeltlichen Personenbeförderung (Mietwagen und Gästewagen) können nicht unter den Taxibegriff subsumiert werden. Art 6a der RL gestattet zwar weitere befristete Ausnahmen, jedoch dürfen diese weitergehenden befristeten Ausnahmen nur bis 8. 4. 2008 gewährt werden. Im Hinblick auf den Wortlaut und auf die Ausnahmemöglichkeiten der RL müssen die Ausnahmen für Miet- und Gästewagen daher entfallen.“

Damit ist nach Ansicht des VwGH die Intention der Novelle klar: Es sollte lediglich zu einer Reduktion der Ausnahmen kommen; Mietwagen- und Gästewagengewerbe sollte nicht mehr darunter fallen. Dies bedeute aber nicht, dass die Ausnahmebestimmung des § 106 Abs 6 Z 4 KFG idF BGBl I 2008/6 auch für nichtentgeltliche Taxifahrten gelten sollte.

Der Terminus „entgeltliche Personenbeförderung“ idF des § 106 Abs 6 Z 4 KFG vor der 29. KFG-Novelle habe – so der VwGH – lediglich als Sammelbegriff für das dann im Klammerausdruck folgende „Taxi-, Mietwagen-, Gästewagengewerbe“ gedient. Nach der 29. KFG-Novelle verbleiben nur mehr die „Taxi-Fahrzeuge“. Der Entfall des Sammelbegriffs „entgeltliche Personenbeförderung“ durch die Streichung des Mietwagen- und Gästewagengewerbes könne aber – wie die Mat eindeutig ergeben – nicht zu einer Erweiterung der Ausnahme für Taxi-Fahrzeuge über die entgeltliche Beförderung hinaus führen. Dies würde sowohl dem bereits im Erkenntnis VwGH 24. 10. 2008, 2008/02/0257, angesprochenen Schutzzweck der RL als auch dem Schutzzweck der in Umsetzung dieser RL erfolgten Novellierung des KFG widersprechen, die gerade zu einer Reduktion dieser Ausnahmen führen sollten.

Der in diesem Erkenntnis angesprochene Grundsatz der restriktiven Auslegung von Ausnahmebestimmungen (vgl dazu auch VwGH 19. 7. 2007, 2007/07/0062, mwN) hat auch für § 106 Abs 6 Z 4 KFG idF BGBl I 2008/6 uneingeschränkt Gültigkeit, so der VwGH.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19073 vom 04.03.2015