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„Spritpreisverordnung“ als zulässige Wettbewerbsbeschränkung?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

RL 2005/29/EG: Art 1 ff

Spritpreisverordnung, BGBl II 2009/190: §§ 1 f

In einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH hat der VwGH die Frage aufgeworfen, ob das generelle Verbot der „Spritpreisverordnung“, BGBl II 2009/190, Preise für Treibstoffe mehrmals am Tag zu ändern, mit der RL 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL) vereinbar ist.

VwGH 21. 10. 2015, 2012/17/0097 (EU 2015/0006)

Vorlagefragen

1.Steht die RL 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 5. 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der RL 84/450/EWG des Rates, der RL 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der VO (EG) 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (RL über unlautere Geschäftspraktiken; im Folgenden: UGP-RL) der Anwendung einer nationalen Rechtsvorschrift entgegen, die die Möglichkeit der Betreiber von Tankstellen, die Preise für Treibstoffe zu ändern, in zeitlicher Hinsicht derart beschränkt, dass nur eine einmalige Festsetzung eines höheren Verkaufspreises pro Tag zulässig ist?
2.Sofern Frage 1 nicht schlechthin zu bejahen ist, sondern es iSd Rsp des EuGH bei der Prüfung der Zulässigkeit einer solchen Beschränkung anhand der Bestimmungen der Art 5 bis 9 der UGP-RL auf die Umstände des Einzelfalles ankommen sollte:
Welche Gesichtspunkte wären bei der nach dem Urteil des EuGH in der Rechtssache C-540/08 [= LN Rechtsnews 10090 vom 9. 11. 2010 = RdW 2010/776] erforderlichen Prüfung der Zulässigkeit einer solchen Beschränkung im Einzelfall anhand der Bestimmungen der Art 5 bis 9 der UGP-RL im Falle der Regelung einer Beschränkung der Möglichkeit der Erhöhung von Verbraucherpreisen zu berücksichtigen?

Anmerkung:

Im Erkenntnis VfGH 11. 3. 2010, V 56/09, LN Rechtsnews 9132 vom 12. 5. 2010, ist der VfGH zur Auffassung gekommen, die Spritpreisverordnung falle nicht in den Anwendungsbereich der UGP-RL. Der VfGH war in jenem Verfahren jedoch nur mit dem Einwand konfrontiert, die Vorgehensweise sei zulässig, weil sie keine unlautere Geschäftspraxis iSd UGP-RL darstelle. Die Bedenken des VwGH gehen jedoch dahin, dass - im Lichte der Rsp des EuGH - aus dem Unionsrecht folgen könnte, dass eine Praxis gerade deshalb vom nationalen Gesetzgeber nicht untersagt werden darf, weil sie keine unlautere Geschäftspraxis iSd UGP-RL ist.

Für die Entscheidung über die hier anhängige Beschwerde ist weiterhin die Verordnung betreffend Standesregeln für Tankstellenbetreiber über den Zeitpunkt der Preisauszeichnung für Treibstoffe bei Tankstellen, BGBl II 2009/190, maßgeblich, weil sie jene Strafnorm enthält, die im Zeitpunkt der Tatbegehung iVm § 15 Abs 1 PrAG die vorgeworfene Tat mit Strafe bedrohte. Die Frage eines Günstigkeitsvergleichs, wie er aufgrund § 1 Abs 2 VStG im Falle von Rechtsänderungen zwischen der Tat und der Erlassung des Straferkenntnisses vorzunehmen ist, stellte sich hier nicht, weil die derzeit geltende Verordnung BGBl II 2010/484 idF BGBl II 2013/471 (Geltung von 1. 1. 2011 bis 31. 12. 2016) ebenfalls die Möglichkeit der Preiserhöhung auf eine Erhöhung pro Tag beschränkt (und dies nur um 12.00 Uhr) und die Strafbestimmung des § 15 PrAG im Zeitpunkt der Erlassung des Straferkenntnisses unverändert in Geltung stand (und steht).

Hinweis: Der Volltext des Vorabentscheidungsersuchens ist derzeit auf der Homepage des VwGH (www.vwgh.gv.at) unter „Rechtsprechung“ - „Vorabentscheidungsanträge an den EuGH“ abrufbar.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20525 vom 05.11.2015