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1. Durch den Abschluss eines Exzedenten-Versicherungsvertrags versichert die Kammer der Wirtschaftstreuhänder Gefahren aus Pflichtverletzungen ihrer Mitglieder, die durch die jeweilige Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung des Berufsberechtigten (vgl § 11 WTBG) nicht gedeckt sind. Den hier bekl Exzedenten-Haftpflichtversicherer trifft daher nur dann eine Leistungspflicht, wenn der Grundversicherer der Kl (Steuerberatungsgesellschaft) seiner Deckungspflicht vollständig nachgekommen ist. Dies ist hier der Fall, weil der Grundversicherer die Versicherungssumme aufgrund der Serienschadenklausel des Art 2.2.2 ABHV berechtigterweise nur einmal ausbezahlt hat:
In den vorliegenden ABHV ist der Versicherungsfall in Art 2.1 als der Verstoß (Handlung oder Unterlassung) definiert, der aus dem versicherten Risiko entspringt und aus welchem dem Versicherungsnehmer Schadenersatzverpflichtungen erwachsen oder erwachsen könnten. Der Verstoß der Kl iSv Art 2.1 ABHV liegt hier darin, dass die ordnungsgemäße Übermittlung eines verbesserten Schriftsatzes an das Finanzamt unterblieb; es handelte sich dabei um den Nachtrag der Begründung zu allen Berufungen der verschiedenen Mandanten in einem einzigen Schriftsatz. Die ordnungsgemäße Übermittlung dieses Schriftsatzes schuldete der Kl jedem einzelnen Mandanten aufgrund des jeweiligen Bevollmächtigungsvertrags (§ 1002 ABGB).
Nicht zur Anwendung gelangt hier zwar Art 2.2.1 ABHV, wonach alle Folgen eines Verstoßes als ein Versicherungsfall gelten. Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer aus dem Adressatenkreis der Steuerberater wird die Wortfolge „alle Folgen eines Verstoßes“ auf den jeweils verletzten (selbstständigen) Bevollmächtigungsvertrag beziehen und nicht darauf abstellen, ob Pflichten aus mehreren selbstständigen Bevollmächtigungsverträgen aus – prozessual zulässigen – Erwägungen in einem Arbeitsschritt erledigt werden (hier: Einbringung eines Schriftsatzes) und es dabei zu einer Schädigung mehrerer Mandanten kommt. Ob die Anleger in steuerrechtlicher Hinsicht gem § 4 Abs 1 Liebhabereiverordnung (LVO) als Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit anzusehen sind, auf die für den Tatbestand der Liebhaberei gem § 4 Abs 2 LVO primär abzustellen ist, spielt keine Rolle, weil nicht auf das Steuersubjekt, sondern auf die einzelnen Bevollmächtigungsverträge abzustellen ist.
Im vorliegenden Fall liegt allerdings ein Serienschaden nach Art 2.2.2 ABHV vor: Danach gelten auch alle Folgen mehrerer auf derselben Ursache beruhenden Verstöße als ein Versicherungsfall. Es muss Ursachenidentität vorliegen; eine gleiche oder gleichartige Ursache genügt also nicht. Ursachenidentität liegt nur bei einer bloßen Multiplikation der Ursache ohne einen selbstständigen Umsetzungsvorgang vor. Die Ursache der Verstöße gegenüber den einzelnen Mandanten liegt in der von gewählten Vorgangsweise, die Begründung der zuvor erhobenen Berufungen einzelner Mandanten in einem Schriftsatz zusammenzufassen und in einem Übermittlungsvorgang per E-Mail an das zuständige Finanzamt zu übermitteln. Dies stellt nach der Verkehrsauffassung einen einzigen (einheitlichen) Umsetzungsvorgang dar. Aus welchem Grund sich die Kl für diese Vorgangsweise entschieden hat, ist für die Beurteilung als Serienschaden nicht relevant. Auch von einer willkürlich gewählten Vorgangsweise der Kl kann keine Rede sein, ging es doch in allen Verfahren um dieselbe Angelegenheit.
2. Der Exzedenten-Haftpflichtversicherer kann sich nicht auf eine allfällige Verletzung von § 11 Abs 3 WTBG (Mindestversicherungssumme pro Versicherungsfall) berufen (was seiner Ansicht nach die Serienschadenklausel im Vertrag zwischen Versicherungsnehmer und Grundversicherer unwirksam mache). § 11 Abs 3 WTBG will den Vertragspartner des Wirtschaftstreuhänders (Geschädigten) schützen, und nicht den Wirtschaftstreuhänder (Versicherungsnehmer der Grundversicherung) oder den Exzedenten-Haftpflichtversicherer.
Der Exzedenten-Haftpflichtversicherer ist auch nicht geschädigter Dritte iSd §§ 149, 158c VersVG. Geschädigter Dritter ist nämlich nur, wem der Versicherungsnehmer „verantwortlich“ geworden ist. Dazu zählt jedenfalls nicht der Exzedenten-Haftpflichtversicherer.