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Unzulässige Beschränkung der Mandatsausübung eines BR-Mitglieds

Bearbeiter: Manfred Lindmayr / Bearbeiter: Barbara Tuma

ArbVG § 115 Abs 3

PBVG: § 65 Abs 3

1. Beim Anspruch eines einzelnen Mitglieds eines Personalvertretungsorgans, in seiner Mandatsausübung nicht benachteiligt und nicht beschränkt zu werden, handelt es sich um einen Individualanspruch des jeweiligen Organmitglieds. Wird die Mandatsausübung beschränkt, indem der Betriebsinhaber dem Betriebsratsmitglied ohne Rechtfertigung Sachmittel entzieht, die er dem Betriebsrat zur Verfügung gestellt hat, kann der Anspruch auf Rückstellung der entzogenen Sachmittel durch Klage des BR-Mitglieds gegen den Betriebsinhaber geltend gemacht werden.

2. Es liegt auch eine unzulässige Beschränkung der Mandatsausübung iSd § 115 Abs 3 ArbVG (bzw hier § 65 Abs 3 PBVG) vor, wenn der Betriebsinhaber dem einzelnen Mitglied des Belegschaftsorgans den Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten nur nach rechtzeitiger vorheriger Bekanntgabe bei einer bestimmten Mitarbeiterin gewährt.

OGH 29. 11. 2016, 9 ObA 95/16k

Sachverhalt

Der Kläger ist freigestelltes Mitglied des Personalausschusses iSd Post-Betriebsverfassungsgesetzes beim beklagten Arbeitgeber. Er wurde vom Arbeitgeber gegen nachträgliche gerichtliche Zustimmung gemäß § 122 Abs 3 ArbVG entlassen und gleichzeitig vom Dienst suspendiert. Der Arbeitgeber nahm dem Kläger die Zutrittskarte zur Dienststelle sowie die Schlüssel für das Personalausschussbüro, das Mobiltelefon sowie das Dienstfahrzeug ab. Dabei handelt es sich um Sachmittel, die der Arbeitgeber dem Personalausschuss zur Verfügung gestellt hatte. Den Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten gewährt der Arbeitgeber dem Kläger nur nach rechtzeitiger vorheriger Bekanntgabe bei einer bestimmten Mitarbeiterin des Unternehmens.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger ua, ihm zur Ausübung seines Mandats ungehinderten Zutritt zum Büro des Personalausschusses und dem dort befindlichen PC-Zugang zum EDV-Netzwerk des Personalausschusses zu ermöglichen und die weiteren Sacherfordernisse eines Mobiltelefons und eines Dienstfahrzeugs auszufolgen. Der Arbeitgeber sei auch nicht berechtigt, seinen Zutritt als Personalvertreter zu den Betriebsräumlichkeiten von einer Vorankündigung abhängig zu machen. Zur Sicherung des Klagsanspruchs beantragte der Kläger die Erlassung einer inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung.

Die Vorinstanzen erließen die beantragte einstweilige Verfügung.

Der OGH ließ den ordentlichen Revisionsrekurs des Arbeitgebers zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Aktivlegitimation eines Mitglieds eines Belegschaftsorgans zur gerichtlichen Geltendmachung der Wiederausfolgung der entzogenen Sachmittel vorliegt. Der Revisionsrekurs erwies sich aber als nicht berechtigt.

Entscheidung

Zutritt zum Büro nur nach Voranmeldung

Der Arbeitgeber vertritt die Ansicht, dass der Kläger durch die bloße Verpflichtung zur Vorankündigung des Betriebsstellenbesuchs beim Betriebsinhaber in seiner Mandatsausübung nicht unzulässig beschränkt werde. Zwischen der Intensität dieses Eingriffs und jener eines Haus- bzw Zutrittsverbots bestehe ein erheblicher Unterschied.

Dem hält der OGH ua entgegen, dass dem Betriebsinhaber aufgrund des Beschränkungsverbots iSd § 65 Abs 3 PBVG (§ 115 Abs 3 ArbVG) nicht nur alle Anordnungen untersagt sind, die dem einzelnen Mitglied des Belegschaftsorgans die Ausübung seiner Befugnisse unmöglich machen (wie etwa bei einem generellen Hausverbot). Seine Anordnungen und Weisungen dürfen die freie Mandatsausübung des Personalvertretungsorgans auch nicht bloß erschweren. Letzteres ist hier aber der Fall, weil dem Kläger nicht - wie vorher - jederzeit, sondern seit dem Entlassungsausspruch nur nach rechtzeitiger vorheriger Bekanntgabe bei einer namentlich bestimmten Mitarbeiterin der Zutritt zu den Betriebsräumlichkeiten gewährt wird. Inwieweit diese Maßnahme „der Sicherheit“ dienen kann, obwohl sie vor dem Entlassungsausspruch nicht für notwendig erachtet wurde, wird in der Revision nicht schlüssig dargelegt.

Da die Ausübung der Tätigkeit des Klägers als Mitglied des Personalausschusses ab dem Entlassungsausspruch davon abhängt, dass er die allein zuständige Mitarbeiterin telefonisch erreicht und diese ihm dann auch tatsächlich, gegebenenfalls sofort, den Zutritt zum Betrieb gewährt, ist die Maßnahme geeignet, die freie und unbeschränkte Mandatsausübung durch den Kläger zu verhindern.

Mit der mit § 116 ArbVG verbundenen Informationspflicht des BR-Mitglieds ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar. Die vom Kläger verlangte regelmäßige Vorankündigung des Zutritts zum Betrieb würde eine Kontrollmöglichkeit des Arbeitgebers bedeuten, die in Widerspruch zu den Rechtswirkungen der Freistellung des Klägers als Mitglied des Personalausschusses iSd § 67 Abs 1 PBVG stünde.

Klagslegitimation betr entzogender Sachmittel

Darüber hinaus vertritt der Arbeitgeber den Standpunkt, dass der Anspruch auf Beistellung von Sachmitteln nur dem Belegschaftsorgan als Ganzem, nicht aber dem einzelnen Organmitglied zustehe.

Dazu führt der OGH aus, dass der Anspruch auf Sachmittelbeistellung gem § 47 zweiter Satz PBVG (§ 72 ArbVG) zwar dem Personalausschuss als Organ der Arbeitnehmerschaft im Ganzen zusteht; im vorliegenden Fall handelt es sich aber nicht um den Anspruch des Organs auf Sachmittelbeistellung, sondern um das individuelle Begehren des Klägers, ihm bestimmte, bereits persönlich vom Personalausschuss ausgefolgte, vom Arbeitgeber aber aus in der Person des Klägers gelegenen Gründen entzogene Sachmittel wieder zur Verfügung zu stellen. Für dieses Begehren ist der Kläger als Mitglied des Personalausschusses zufolge des Beschränkungsverbots aktiv klagslegitimiert.

Das Beschränkungsverbot des § 65 Abs 3 PBVG (§ 115 Abs 3 ArbVG) schützt nämlich nach Rsp und Lehre nicht nur das Belegschaftsorgan als Gremium, sondern auch jedes einzelne Personalausschussmitglied vor einer Erschwerung oder Verhinderung seiner Mandatsausübung (vgl OGH 28. 10. 2013, 8 ObA 58/13g, ARD 6380/9/2014; Mosler in ZellKomm² § 115 ArbVG Rz 20). Der Anspruch, nicht benachteiligt und nicht beschränkt zu werden, ist ein Individualanspruch des einzelnen Mitglieds eines Personalvertretungsorgans. Er ist daher durch Klage des Organmitglieds gegen den Betriebsinhaber geltend zu machen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22987 vom 23.01.2017