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UWG: Verjährung von Unterlassungsansprüchen

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

UWG § 20

Die in § 20 UWG normierte 6-monatige Verjährungsfrist für Unterlassungsansprüche beginnt erst, wenn der das Gesetz verletzende Zustand aufhört. Nach § 20 Abs 2 UWG bleibt, solange ein gesetzwidriger Zustand fortbesteht, der Anspruch auf seine Beseitigung (§ 15 UWG) und auf Unterlassung der Gesetzesverletzung gewahrt. Für das Vorliegen eines die Verjährung hemmenden Dauerzustands iSv § 20 Abs 2 UWG ist es erforderlich, dass der Verletzer die Möglichkeit hat, den lauterkeitswidrigen Zustand abzustellen.

OGH 22. 9. 2015, 4 Ob 85/15a

Sachverhalt

Die beklagte Medieninhaberin einer Gratiszeitung veröffentlichte eine irreführende Eigenwerbung auf der - nicht von ihr betriebenen - Website eines multimedialen Online-Zeitungsarchivs. Die Medieninhaberin einer konkurrierenden Gratiszeitung klagte auf Unterlassung und stellte einen entsprechenden Sicherungsantrag.

Das ErstG erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Da die lauterkeitswidrige Eigenwerbung nach wie vor auf der Website des Zeitungsarchivs abrufbar sei, sei nach § 20 Abs 2 UWG noch nicht Verjährung der Unterlassungsansprüche eingetreten.

Das RekursG hob diese Entscheidung mit der Begründung auf, das ErstG habe nicht geprüft, ob eine Einzelhandlung mit Dauerwirkung oder eine Dauerhandlung vorliege. Die Frage der Verjährung könne daher noch nicht beurteilt werden.

Der OGH gab dem dagegen erhobenen Rekurs der Kl nicht Folge.

Entscheidung

Entscheidungswesentlich war, ob eine Einzelhandlung mit Dauerwirkung oder eine die Verjährung hemmende Dauerhandlung vorliegt, dazu fehlte bis jetzt jedoch Rsp des OGH.

Unter den Begriff der Dauerhandlung bzw des Dauerzustands fallen - so der OGH - nicht nur Handlungen längerer Dauer, sondern auch Sachverhalte, die sich in eine Handlung (etwa Registrierung der Homepage - 4 Ob 158/00i; Registrierung einer Firma - BGH I ZR 25/01 = GRUR 2003, 448) und eine daran anschließende Unterlassung (etwa Verweigerung der Löschung der Domain; Löschung der Firma) gliedern lassen. Auch die Einzelhandlung mit Fortwirkungen könne nun aber als Handlung (Übergabe der Unterlagen - 4 Ob 54/11m, LN Rechtsnews 11715 vom 19. 9. 2011 = RdW 2011/755) und anschließende Unterlassung (Nichtaufklärung über den Fehler) gesehen werden. Der Unterschied bestehe darin, dass in der ersten Fallgruppe die Störungsursache willentlich aufrecht erhalten wird (vgl Neu, Die Verjährung der gesetzlichen Unterlassungs-, Beseitigungs- und Schadenersatzansprüche des Wettbewerbs- und Warenzeichenrechts, GRUR 1985, 335 [338; 341 f]; Rogge, Zur Frage von Unterlassungsansprüchen gem § 21 UWG, GRUR 1963, 345 [347]; Messer in FS Helm [2002], Neue Rechtsfragen zur Verjährung des wettbewerblichen Unterlassungs- und Schadenersatzanspruchs, 111 [118, 120]), während dies in der zweiten Fallgruppe (nur) für deren Folgen gelte.

Der OGH sprach aus, dass eine Zeitungsannonce damit eine klassische Einzelhandlung mit Fortwirkungen (Büscher in Fezer, UWG II, § 11 Rz 26; Ernst in Ullmann, UWG, § 11 Rz 19; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG33 § 11 Rz 1.23)) ist: Dass sie noch Tage oder gar Wochen nach ihrem Erscheinen einem Leser in die Hände fällt, mag zwar vom Willen des Verletzers getragen sein; die Existenz der Störungsquelle selbst (Zeitung) kann er aber nicht willentlich aufrecht erhalten. Hingegen ist die gleiche Annonce auf der Website des Unternehmers ein typischer Dauerzustand (vgl Schulz, Die neuen Verjährungsvorschriften des UWG, WRP 2005, 274 [278]; OLG Köln, NJOZ 2008, 2387): So lange sie dort aufscheint, kann angenommen werden, dass sie vom Willen des Unternehmers getragen wird, so der OGH.

Diese Annahme erachtete der OGH jedenfalls in Bezug auf die eigene Website des Unternehmers oder bei Websites wie Facebook oder YouTube als zutreffend, wo der Benutzer den selbst eingestellten Inhalt jederzeit wieder löschen kann. Wird die Website jedoch von einem Dritten betrieben, ohne dass der Verletzer eingesandte Inhalte wieder entfernen (lassen) kann, wird es - worauf der OGH hinwies - darauf ankommen, ob der Verletzer auf den Dritten Einfluss nehmen kann (vgl auch RIS-Justiz RS0079628; RS0079799; RS0079809), also darauf, ob er eine entsprechende (rechtliche) Einflussmöglichkeit hat (vgl 4 Ob 15/10z, LN Rechtsnews 9115 vom 10. 5. 2010 = RdW 2010/372).

Bei der Einzelhandlung mit Dauerfolgen ist die Nichtbeseitigung der Störquelle von der Begehung von weiteren Verletzungshandlungen wesensmäßig verschieden, wie der OGH ausführte. Für die verjährungsrelevante Unterscheidung zwischen Dauerzustand und Einzelhandlung mit Folgewirkung ist demnach nicht das Verschulden, sondern die Gleichartigkeit der Nichtbeseitigung mit der Begehung weiterer Verletzungen - was die Möglichkeit der Einflussnahme voraussetzt - relevant. Kann die Bekl nach Einstellung der Werbung ins Internet darauf in der Folge keinen Einfluss mehr nehmen, wäre der vorliegende Sachverhalt - vergleichbar dem Publizieren eines Druckwerks, das in eine Bibliothek eingestellt wird - als Einzelhandlung mit Fortwirkungen und nicht als Dauerzustand iSv § 20 Abs 2 UWG zu qualifizieren.

Zusammenfassend hielt der OGH fest, dass es für das Vorliegen eines Dauerzustands iSv § 20 Abs 2 UWG erforderlich ist, dass der Verletzer die Möglichkeit hat, den lauterkeitswidrigen Zustand abzustellen. Dies setzt im Anlassfall voraus, dass es der Bekl möglich sein muss, die sie betreffenden Inhalte auf der Website des fremden Online-Zeitungsarchivs (die beanstandete Eigenwerbung) zu ändern, zu korrigieren oder offline zu nehmen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20415 vom 19.10.2015