News

Verbandsklage: Schreiben an Bausparkunden als AGB

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

KSchG: § 28, § 29

Unter Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen zu verstehen, die eine Vertragspartei (der Verwender) der anderen stellt. Es ist gleichgültig, ob die Bestimmungen einen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in der Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nur dann nicht vor, wenn Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.

Das hier an alle Bausparkunden gerichtete Schreiben, das eine Zinssenkung für alle Bausparkunden vorsieht, deren angesparte Summe die Vertragssumme des Bausparvertrags überschritten hat, fällt unter den Begriff „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ bzw „Vertragsformblätter“ iSd § 28 KSchG.

Enthält dieses Schreiben eine Zustimmungsfiktion betr die angekündigte Änderung, kann diese aber nur wirksam werden, wenn es bereits eine vertragliche Grundlage für die Zustimmungsfiktion gibt. Dies ist nicht der Fall, wenn zwar die grundlegenden Bauspar-AGB eine Vertragsänderung per Schreiben mit Zustimmungsfiktion vorsehen, diese Klauseln jedoch so weit gefasst sind, dass sie gröblich benachteiligend und damit unzulässig sind.

OGH 23. 2. 2016, 5 Ob 160/15p

Sachverhalt

Die kl P (Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte) ist als gesetzliche Interessenvertretung nach § 29 Abs 1 KSchG berechtigt, eine Unterlassungsklage nach § 28 KSchG (Verbandsklage) zu erheben.

Das beklagte Kreditinstitut betreibt österreichweit das Bauspargeschäft und verwendet im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern AGB für das Bauspargeschäft, die folgende Klauseln enthalten:

Klausel 1:

„Änderungen und Veröffentlichungen:

Änderungen der Bedingungen sind zulässig, wobei die Bedingungen gem § 4 Z 1 bis 7 des Bausparkassengesetzes der Genehmigung der Finanzmarktaufsicht bedürfen. Sie können sich auch auf bestehende Verträge erstrecken und werden dem Kunden schriftlich bekannt gegeben.

Die Bausparkasse wird den Bausparer in diesem Schreiben auf den Inhalt der geänderten Bedingungen aufmerksam machen und auch darauf, dass sein Stillschweigen nach Ablauf von vier Wochen als Zustimmung gilt. Die neuen Bedingungen werden wirksam, wenn der Bausparer nicht binnen vier Wochen Widerspruch erhebt.

Macht ein Bausparer von diesem Widerspruchsrecht Gebrauch, so kann die Bausparkasse den Vertrag, sofern er nicht zugeteilt ist, unter vorherigem Hinweis auf die Folgen kündigen und das Sparguthaben zurückzahlen.“

Klausel 2:

„Änderungen der Allgemeinen Bedingungen und deren Bekanntgabe:

Änderungen der Allgemeinen Bedingungen für das Bauspargeschäft sind, auch mit Wirkung für bereits abgeschlossene Bausparverträge, hinsichtlich der Bestimmungen des § 4 Z 1 bis 8 Bausparkassengesetz zulässig; soweit sie unter § 4 Z 1 bis 7 Bausparkassengesetz fallen, nur mit Zustimmung der Finanzmarktaufsichtsbehörde. Sämtliche Änderungen mit Wirkung für bestehende Verträge werden dem Bausparer von der Bausparkasse zeitnah schriftlich oder elektronisch bekannt gegeben.

Erstreckt sich eine nicht geringfügige, jedoch sachlich gerechtfertigte Änderung auf bereits abgeschlossene Bausparverträge, so ist mit deren Mitteilung der Bausparer davon zu verständigen, dass er innerhalb einer Frist von vier Wochen nach Zugang der Mitteilung verlangen kann, dass die Änderung auf seinen Bausparvertrag keine Anwendung finde, andernfalls seine Zustimmung zur Änderung als erteilt gilt. Wenn der Bausparer der Änderung seines Bausparvertrages rechtzeitig widerspricht und er noch keine Darlehenszusage erhalten hat, ist die Bausparkasse berechtigt, den Bausparvertrag zu kündigen und das Bausparguthaben nach den Bestimmungen des § 13 auszuzahlen. Auch davon und von den Folgen der Kündigung ist der Bausparer in der Mitteilung der Änderung zu verständigen.“

Wegen des seit einiger Zeit sehr niedrigen allgemeinen Zinsniveaus bei Spareinlagen nutzten rund 7.000 der rund 1,3 Millionen Bausparkunden der Bekl die Sparform des Bausparvertrags dazu, den Vertrag nach Erreichen des Eigenmittelanteils (30 % der Vertragssumme) weiter bis zur Vertragssumme oder darüber hinaus zu „besparen“. Die Kunden, die ihre Verträge „überbespart“ hatten, erhielten im Durchschnitt Zinsen iHv 2,19 % jährlich, während im Oktober/November 2013 die Banken untereinander Geld mit einer Verzinsung von durchschnittlich 0,13 % verliehen. Infolge der jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit dieser Bausparer musste die bekl P bei der Refinanzierung dieser Spareinlagen (von rund 170 Millionen Euro) mit der täglichen Fälligkeit dieser Gelder kalkulieren. Da sie diese Gelder nicht in die Darlehensvergabe einkalkulieren konnte, erwirtschaftete sie eine negative Zinsmarge.

Deshalb richtete die Bekl an alle Kunden, deren Sparbetrag die Vertragssumme bereits überschritten hatte, am 28. 10. 2013 ein Schreiben, das ua folgenden Inhalt hatte:

„Die Grundidee des Bausparens beruht darauf, durch steuerbegünstigtes Gemeinschaftssparen einen Anspruch auf ein zinsgünstiges Darlehen für die Schaffung eines Eigenheims oder für Bildungs- bzw Pflegemaßnahmen zu erwerben. Um die Gewährung günstiger Finanzierungen aufrecht erhalten zu können, ist es wichtig, dass die Bausparverträge der Bausparkassen dieser Grundidee entsprechend bespart werden.

Es ist uns aufgefallen, dass die Vertragssumme Ihres Bausparvertrages überschritten wurde und dadurch der vertraglich vereinbarte Zweck für den Anspruch auf ein Bauspardarlehen nicht mehr gegeben ist. Wir müssen Sie daher darüber informieren, dass für den Guthabensbetrag Ihres Bausparvertrages, der die Vertragssumme übersteigt, ab 1. 11. 2013 ein Zinssatz von 0,1 % p.a. zur Anwendung kommt. ...“

Diese Änderung wurde von der Finanzmarktaufsicht bewilligt. Zudem wurde den Kunden die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von 4 Wochen nach Zugang des Schreibens dieser Änderung zu widersprechen; lange kein schriftlicher Widerspruch ein, gelte dies als Zustimmung, und ein Widerspruch andererseits berechtige die Bausparkasse zur Kündigung des Bausparvertrags.

Entscheidung

Klauseln 1 und 2

Der OGH beschäftigte sich zunächst mit den Klauseln 1 und 2 und beurteilte sie als gröblich benachteiligend: Die - im kundenfeindlichsten Sinn auszulegenden - Klauseln lassen über eine Zustimmungsfiktion Änderungen der AGB und damit auch des Individualvertrags nach Inhalt und Ausmaß nahezu unbeschränkt zu. So bleibe völlig unbestimmt, welche Leistungen die Bank mit fingierter Zustimmung einschränken könnte. Die Möglichkeit, das Äquivalenzverhältnis von Leistungen und Gegenleistungen über eine Zustimmungsfiktion erheblich zu Gunsten der Bank zu verschieben und die Position des Vertragspartners zu entwerten, ist nach Ansicht des OGH gröblich benachteiligend.

Schreiben an Bausparkunden

Danach befasste sich der OGH mit dem Schreiben an die Bausparkunden und kam zunächst zum Ergebnis, dass dieses Schreiben unter den Begriff „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ bzw „Vertragsformblätter“ iSd § 28 KSchG fällt (siehe Leitsatz).

Infolge der Unzulässigkeit der Zustimmungsfiktion in den Klauseln 1 und 2 besteht nach Ansicht des OGH jedoch keine vertragliche Grundlage für die „de-facto-Umsetzung“ mit dem Schreiben vom 28. 10. 2013:

Nach hM in Judikatur und Lehre muss eine Zustimmungsfiktion zuvor vertraglich vereinbart worden sein; der Vertrag muss die Möglichkeit des Widerspruchs und die Frist für dessen Ausübung enthalten. Es reicht daher nicht aus, dass der Unternehmer bei Beginn einer Frist lediglich de facto auf die Erklärungsbedeutung des Verbraucherverhaltens und auf die Möglichkeit des Widerrufs hinweist (RIS-Justiz RS0127099, 6 Ob 85/11k, ÖBA 2012/1784 [Rummel] = LN Rechtsnews 11975 vom 8. 11. 2011 = RdW 2012/88; Welser in JBl 1980, 72 [74]; Welser in Krejci, HBzKSchG [1981], 345; Mayrhofer/Tangl in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 [2006] § 6 Abs 1 Z 2 KSchG Rz 20; Langer in Kosesnik-Wehrle, KSchG3 [2010] § 6 Rz 15; Kathrein/Schoditsch in KBB4 § 6 KSchG Rz 7).

Den abweichenden Literaturstimmen schließt sich der OGH ausdrücklich nicht an und stellt auch klar, dass auch der Entscheidung 1 Ob 210/12g, LN Rechtsnews 15153 vom 23. 5. 2013 = RdW 2013/704, nicht zu entnehmen ist, dass es gar keiner vertraglichen Regelung bedürfe und eine einseitige de-facto-Änderung genüge.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21285 vom 15.03.2016