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Vergabe - Schadenersatz nur nach Feststellungsantrag

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

BVergG 2006: § 332, § 341

Nach Ansicht des EuGH im Urteil C-166/14 steht es mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz nicht in Einklang, wenn nach der österreichischen nationalen Regelung die Erhebung einer Klage auf Schadenersatz wegen eines vergaberechtlichen Verstoßes von der vorherigen Feststellung abhängig gemacht wird, dass das Vergabeverfahren mangels vorheriger Bekanntgabe rechtswidrig war, und der diesbezügliche Feststellungsantrag binnen einer sechsmonatigen, absoluten Ausschlussfrist gestellt werden muss. Die Unionsrechtswidrigkeit resultiert somit aus der Verknüpfung der Regelung des § 341 Abs 2 BVergG 2006 mit derjenigen des § 332 Abs 3 BVergG 2006.

Im Wege der Verdrängung von nationalem Recht durch unmittelbar anwendbares Unionsrecht darf nur jene von mehreren unionskonformen Lösungen zur Anwendung gelangen, mit der die Entscheidung des nationalen Gesetzgebers so weit wie möglich erhalten bleibt. Nach Auffassung des VwGH wird durch eine Verdrängung der sechsmonatigen absoluten Ausschlussfrist des § 332 Abs 3 BVergG 2006 als Schranke für die Einbringung eines der dort aufgezählten Feststellungsanträge in das System des BVerG 2006 weniger eingegriffen als durch eine Verdrängung der - die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den ordentlichen Gerichten und den Verwaltungsgerichten betreffende - Zulässigkeitsvoraussetzung für Schadenersatzklagen des § 341 Abs 2 BVergG 2006.

VwGH 16. 3. 2016, 2015/04/0004

Zur Vorabentscheidung in diesem Verfahren EuGH 26. 11. 2015, C-166/14, MedEval, siehe LN Rechtsnews 20658 vom 27. 11. 2015 = RdW 2015/647.

Zum Vorabentscheidungsersuchen VwGH 25. 3. 2014, EU 2014/0002 (2011/04/0121), siehe LN Rechtsnews 17132 vom 23. 4. 2014.

Entscheidung

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde den Feststellungsantrag der Bf zurückgewiesen, weil die absolute Frist von 6 Monaten gemäß § 332 Abs 3 BVergG 2006 zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits abgelaufen war. Infolge Verdrängung dieser Antragsfrist durch unmittelbar anwendbares Unionsrecht ist nach Ansicht des VwGH eine Zurückweisung des Antrags wegen Fristversäumung zwar nun nicht möglich; der VwGH weist für das fortgesetzte Verfahren aber darauf hin, dass dies nicht dazu führt, dass eine allenfalls getroffene Feststellung der Nichtigkeit auch die Nichtigerklärung des Vertrages nach § 334 BVergG 2006 nach sich ziehen müsste:

Der EuGH hat in Rn 31 des Urteils C-166/14 zum Ausdruck gebracht, dass die Beschränkung der Geltendmachung der Unwirksamkeit eines Vertrages auf einen bestimmten Zeitraum durch die Notwendigkeit gerechtfertigt ist, für Rechtssicherheit zu sorgen, weshalb die Effektivität dieser Beschränkung respektiert werden sollte.

Auch nach den Erläuterungen zu § 332 Abs 3 BVergG 2006 (RV 327 BlgNR 24. GP 35) soll damit das Ziel der Rechtssicherheit innerstaatlich verfolgt werden und der Gesetzgeber hat somit - so der VwGH - den klaren Willen bekundet, eine Nichtigerklärung von Verträgen nur bei einer Antragstellung innerhalb von 6 Monaten nach Vertragsschluss vorsehen zu wollen, während danach der Rechtssicherheit gegenüber dem diesbezüglichen Rechtsschutzinteresse des Antragstellers der Vorrang eingeräumt werden soll.

Im Hinblick auf diesen - auch im Unionsrecht anerkannten - Stellenwert der Rechtssicherheit ist es nach Ansicht des VwGH daher gerechtfertigt, nach Ablauf von 6 Monaten ab dem auf die Zuschlagserteilung folgenden Tag das Vorliegen eines zwingenden Grundes eines Allgemeininteresses iSd § 334 Abs 2 zweiter Satz BVergG 2006 anzunehmen, was zur Folge hat, dass - auf Antrag - von einer Nichtigerklärung des Vertrages oder einer Aufhebung des Vertrages gem § 334 Abs 4 oder 5 BVergG 2006 abzusehen und der Vertrag aufrechtzuerhalten ist (zur Verhängung einer Geldbuße vgl demgegenüber VwGH 11. 11. 2015, Ra 2015/04/0073, LN Rechtsnews 21120 vom 16. 2. 2016).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21684 vom 24.05.2016