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Verlust der ö Staatsbürgerschaft – Beweiswert des türkischen Personenstandsregisters

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

StbG: § 27

Eintragungen im türkischen Personenstandsregister (nüfus kütüğü) haben den Charakter einer öffentlichen Urkunde (resmi belge). Sie und ihre Ausfertigungen bzw „Auszüge“ gehören nach türkischem Recht zu den Strengbeweismitteln (kesin delil) in Bezug auf den dokumentierten Sachverhalt, sind allerdings dem Gegenbeweis zugänglich. Diesen Eintragungen und ihren Ausfertigungen bzw „Auszügen“ kommt daher ein erheblicher Beweiswert zu (hier iZm der Frage, ob die österreichische Staatsbürgerschaft infolge Wiedererwerbs der türkischen Staatsbürgerschaft verloren gegangen ist).

VwGH 10. 7. 2018, Ra 2018/01/0094

Sachverhalt

Gem § 27 Abs 1 StbG verliert die Staatsbürgerschaft, wer auf Grund seines Antrags, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist.

Mit Bescheiden vom 19. 8. 2016 stellte die Behörde (Wr LReg) jeweils von Amts wegen fest, dass der Erst- und die Zweitmitbeteiligte die österreichische Staatsbürgerschaft durch den (Wieder-)Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit am 3. 1. 1987 verloren haben und somit nicht österreichische Staatsbürger sind. Die Behörde ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:

Die Mitbeteiligte hatten die österreichische Staatsbürgerschaft am 30. 12. 1983 gemeinsam durch Verleihung erworben (die Zweitmitbeteiligte durch Erstreckung der Verleihung an den Erstmitbeteiligten, ihren Ehemann).

Im Zuge der Beantragung eines österreichischen Reisepasses legten die Mitbeteiligten einen Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister vor, dem zu entnehmen war, dass ihnen 1985 die Entlassung aus dem türkischen Staatsverband bewilligt worden war sowie dass sie 1987 wieder eingebürgert und 2006 neuerlich aus dem türkischen Staatsverband entlassen worden waren.

Da der Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung eines Antrags des Erwerbenden bedarf (Art 10 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr 403 vom 11. 2. 1964), ging die Behörde davon aus, dass die Mitbeteiligten die türkische Staatsangehörigkeit aufgrund ihres Antrages wieder erworben hätten. Die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft sei ihnen nicht bewilligt worden, sodass der Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit nach § 27 Abs 1 StbG zum Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft geführt habe. Dass die Mitbeteiligten im Jahr 2006 neuerlich aus dem türkischen Staatsverband entlassen worden seien, könne daran nichts ändern.

Zum Argument, dass die Mitbeteiligten den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit ­ entgegen den Vorgaben des türkischen Gesetzes ­ nicht beantragt hätten, ging die Behörde davon aus, dass die Mitbeteiligten einen entsprechenden Nachweis selbst erbringen müssten, was ihnen hier jedoch nicht gelungen war. Der Behörde sei aus ähnlich gelagerten Fällen bekannt, dass die türkischen Behörden personenbezogene Auskünfte über den Erwerb der türkischen Staatsangehörigkeit grundsätzlich nicht erteilten, und zwar selbst dann nicht, wenn die betroffene Person eine Vollmacht zur Einholung derartiger Auskünfte erteilt habe. Die Mitbeteiligten könnten daher den Nachweis einer fehlenden Antragstellung nur selbst erbringen.

Das Verwaltungsgericht gab den Beschwerden der Mitbeteiligten statt und behob die angefochtenen Bescheide. Dabei ging das VwG davon aus, dass die Mitbeteiligten erst ab 2006 die türkische Staatsbürgerschaft verloren hätten. Den Eintrag der Wiedereinbürgerung 1987 im Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister hielt das VwG für irrelevant.

Dies stellt eine vom VwGH aufzugreifende krasse Fehlbeurteilung dar.

Entscheidung

Der Eintrag der Wiedereinbürgerung der Mitbeteiligten 1987 im Auszug aus dem (türkischen) Personenstandsregister kann schon aus folgenden Überlegungen nicht ohne Weiteres dahinstehen: Wenn das VwG davon ausgeht, dass die Mitbeteiligten erst ab 2006 die türkische Staatsbürgerschaft verloren hätten, stehen dem die Feststellungen des VwG zur türkischen Rechtslage diametral entgegen, wonach die Wiedereinbürgerung Personen bewilligt werden kann, die die türkische Staatsangehörigkeit (aufgrund der Bestimmungen dieses Gesetzes) verloren haben (Art 8 des türkischen Staatsangehörigkeitsgesetzes Nr 403 vom 11. 2. 1964). Mit diesen Feststellungen ist die Annahme des Verlustes der türkischen Staatsbürgerschaft erst 2006 nicht vereinbar.

Insbesondere weist der VwGH aber auf Folgendes hin: Eintragungen im türkischen Personenstandsregister (nüfus kütüğü) haben den Charakter einer öffentlichen Urkunde (resmi belge). Sie und ihre Ausfertigungen bzw „Auszüge“ gehören nach türkischem Recht zu den Strengbeweismitteln (kesin delil) in Bezug auf den dokumentierten Sachverhalt, sind allerdings dem Gegenbeweis zugänglich (vgl zu alldem Rumpf/Odendahl, Türkei [Stand 24. 2 .2017] in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe­ und Kindschaftsrecht, 52; vgl auch Art 43 des [türkischen] Gesetzes über das Personenstandswesen Nr 5490 vom 25. 4. 2006, in: Rumpf/Odendahl, aaO, 117).

Damit trifft das Argument der Amtsrevision zu, dass diesen Eintragungen und ihren Ausfertigungen bzw „Auszügen“ (im türkischen Personenstandsregister) erheblicher Beweiswert zukommt.

Fallbezogen hätten daher die Mitbeteiligten im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht den Gegenbeweis der Richtigkeit des Auszugs aus dem türkischen Personenstandsregister erbringen müssen. Dieser Gegenbeweis wurde jedoch vom VwG nicht aufgenommen bzw nicht für erforderlich erachtet. Die vom VwG als unklar bezeichnete Frage, wie die Eintragung im Auszug aus dem türkischen Personenstandsregister entstanden sei, ist bei diesem Stand der Ermittlungen ohne Relevanz.

Aus diesen Erwägungen wurde das angefochtene Erkenntnis wegen seiner Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vom VwGH gem § 42 Abs 2 lit b und c VwGG aufgehoben.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 25770 vom 31.07.2018