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Vertragsabschluss mit Gemeinde

Bearbeiter: Wolfgang Kolmasch

ABGB: §§ 863, 867, 1016

Hat der Bürgermeister für die Gemeinde ein Rechtsgeschäft abgeschlossen, ohne dass die nach der Gemeindeordnung erforderliche Genehmigung des Gemeinderats vorliegt, ist dieses Rechtsgeschäft unwirksam. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Gemeinderat selbst dem Vertragspartner gegenüber den Anschein erweckt hat, die Vertretungshandlung sei durch seine Beschlussfassung gedeckt.

Das unwirksame Geschäft wird durch eine nachträgliche Genehmigung des Gemeinderats (auch konkludent) oder durch Vorteilszuwendung saniert. Letzteres setzt voraus, dass dem Gemeinderat als kompetentem Organ der Vertragsabschluss, die Grundzüge des Vertragsinhalts sowie die Herkunft des Vorteils aus dem Geschäft bekannt sind.

Aus dem Beschluss des Gemeinderats, den Pachtvertrag mit dem neuen Pächter zu genehmigen, kann eine schlüssige nachträgliche Genehmigung der einvernehmlichen Vertragsbeendigung mit dem alten Pächter abgeleitet werden.

OGH 17. 6. 2015, 3 Ob 57/15a

Sachverhalt

Die beklagte GmbH pachtete von der klagenden Stadtgemeinde einen Gastronomiebetrieb. Da sie den Betrieb nicht gewinnbringend führen konnte, wendete sie sich an den stellvertretenden Stadtamtsdirektor, der mit dem Pachtverhältnis befasst war, und ersuchte darum, den Bestandvertrag einvernehmlich vorzeitig zu beenden. Um eine drohende Insolvenz abzuwenden, forderte sie eine Investitionsablöse.

Der stellvertretende Stadtamtsdirektor trug die Angelegenheit dem Bürgermeister und der Mehrheitsfraktion des Gemeinderats vor, die der Abwicklung des Vertrags zustimmten. Ziel war es, die Insolvenz der Beklagten zu vermeiden und eine rasche Neuverpachtung zu ermöglichen. Der Beklagten wurde diese zustimmende Haltung bekannt gegeben, wobei ihr jedoch bewusst war, dass noch ein Gemeinderatsbeschluss erforderlich ist. In der Folge wurde eine Vertragsurkunde errichtet, die der Bürgermeister unterfertigte.

Nach Rückstellung des Pachtobjekts erhielt die Beklagte die Investitionsablöse überwiesen. Zu diesem Zeitpunkt bestanden erhebliche Zins- und Betriebskostenrückstände. Nach den Feststellungen des ErstG umfasste die Einigung auch den Verzicht der Gemeinde auf diese Forderungen, was von der Klägerin bestritten wird.

Nach der maßgeblichen NÖ GemeindeO fallen der Abschluss und die Auflösung von Bestandverträgen (ebenso wie der Verzicht auf höhere uneinbringliche Forderungen) in die Kompetenz des Gemeinderats. Der Gemeinderat wurde in einer Sitzung darüber informiert, dass die Beklagte aufgrund finanzieller Probleme um die Auflösung des Pachtverhältnisses ersucht hat und dadurch unter Vermeidung eines Insolvenzverfahrens eine rasche Neuverpachtung ermöglicht werden kann. Der mit der Beklagten geschlossene Vertrag wurde dem Gemeinderat nicht zur Genehmigung vorgelegt. Der Gemeinderat genehmigte jedoch kurze Zeit später den Pachtvertrag mit dem neuen Pächter.

Im vorliegenden Verfahren begehrte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung der offenen Zins- und Betriebskostenrückstände. Ein Verzicht auf diese Forderungen liege nicht vor. Überhaupt sei die Vereinbarung über die einvernehmliche Beendigung des Pachtverhältnisses mangels Zustimmung des Gemeinderats unwirksam.

Entscheidung

Der OGH verweist darauf, dass der Gemeinderat über den Beendigungswunsch der Beklagten und ihre finanziellen Probleme informiert war und den neuen Pachtvertrag genehmigt hat. Daher sei darin nicht nur die schlüssige Genehmigung der einvernehmlichen Vertragsbeendigung zu sehen, sondern auch des Verzichts auf die offenen Forderungen. Nicht endgültig geklärt ist, ob die vom Bürgermeister mit der Beklagten abgeschlossene Vereinbarung diesen Verzicht tatsächlich umfasste. Die Rechtssache wurde daher zur Erledigung von Beweisrügen an das BerufungsG zurückverwiesen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20113 vom 27.08.2015