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Vertreterpauschale auch bei geringfügigen Werbungskosten

Bearbeiter: Sabine Sadlo

EStG § 17 Abs 6

Werden einem Vertreter die typischerweise bei dieser Berufstätigkeit anfallenden Aufwendungen (zB Reisekosten) zwar überwiegend von seinem Dienstgeber ersetzt, aber nicht zur Gänze, begründen die verbleibenden Aufwendungen, die er aus Eigenem zu tragen hat, dennoch den Anspruch auf Zuerkennung des Werbungskostenpauschale für Vertreter.

VwGH 30. 9. 2015, 2012/15/0125

in Bestätigung von UFS 9. 5. 2012, RV/0582-K/11, ARD 6245/10/2012

Sachverhalt

Der Mitbeteiligte ist Außendienstmitarbeiter eines tabakproduzierenden bzw -vertreibenden Unternehmens (ITA-GmbH). Zu seinen Aufgaben gehören die Akquisition von Werbeflächen und die Betreuung der Handelspartner (Trafikanten). Strittig ist, ob er Anspruch auf das sog „Vertreterpauschale“ gemäß § 1 Z 9 der Verordnung BGBl II 2001/382 hat.

Nach Ansicht des UFS ist die Tätigkeit des Mitbeteiligten unter das Berufsbild „Vertreter“ zu subsumieren und reichen die von ihm getragenen Aufwendungen für die Zuerkennung aus: Laut Zeugenaussage des Sales Managers der ITA-GmbH hatte der Mitbeteiligte va Werbeplatzierungsvereinbarungen anzubahnen und abzuschließen; dabei werden Geschäftsflächen zur Anbringung von Werbeträgern angemietet, um die Produkte der ITA-GmbH kundennah zu bewerben und so ihre Umsätze zu erhöhen. Damit seien zwar keine Kaufgeschäfte iSd §§ 1053 ff ABGB angebahnt und abgeschlossen worden, wohl aber Rechtsgeschäfte, die für die ITA-GmbH Voraussetzung für die Verwirklichung ihrer Werbestrategie und damit ihrer Absatzförderung gewesen seien. Das zweite Haupttätigkeitsfeld des Mitbeteiligten, die (Neu-)Distribution von Tabakprodukten, enthalte ebenfalls typische Elemente einer Vertretertätigkeit (Präsentieren und Anbieten neuer Produkte und Entgegennahme diesbezüglicher Bestellungen), wenngleich hierbei die Kundenbetreuung durch individuelle Beratung vordergründig gewesen sei. In Ansehung dieser Umstände belaufe sich der Anteil der Vertretertätigkeit des Mitbeteiligten wohl auf über 80 % seiner Gesamttätigkeit. Auch wenn dem Mitbeteiligten laut Aussage des Zeugen nahezu alle Aufwendungen ersetzt wurden, gebe es jedoch einzelne Positionen, wie Strom- und Internetkosten, die wirtschaftlich nicht vom Dienstgeber getragen worden seien. Voraussetzung für das Berufsgruppenpauschale sei lediglich, dass Werbungskosten dem Grunde nach anfielen, aber nicht, dass sie einen gewissen Betrag überstiegen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die Amtsbeschwerde des Finanzamts.

Entscheidung

Vertretertätigkeit

Eine nähere Definition des Vertreterbegriffs ist der Verordnung über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, BGBl II 2001/382, nicht zu entnehmen, sodass nach der stRsp auf die Erfahrungen des täglichen Lebens und die Verkehrsauffassung abzustellen ist. Danach sind Vertreter Personen, die im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig sind (vgl VwGH 28. 6. 2012, 2008/15/0231, ARD 6254/12/2012). Vorrangiges Ziel der Außendiensttätigkeit muss die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen sein, eine völlig untergeordnete andere Tätigkeit schadet nicht (vgl VwGH 18. 12. 2013, 2009/13/0261, ARD 6394/17/2014, oder VwGH 24. 2. 2005, 2003/15/0044, ARD 5584/18/2005).

Nach Ansicht des VwGH sind die beiden Haupttätigkeiten (iZm den Werbeplatzierungsvereinbarungen und dem Direktverkauf von Tabakprodukten) als Vertretertätigkeit einzustufen und andere Tätigkeiten laut der vorgelegten Stellenbeschreibung für die Position „Bezirksleiter Einzelhandel“ (Bearbeitung der elektronischen Post, Pflege der Kundestammdaten, Vertretung anderer Außendienstmitarbeiter, ...) stellen bloß Hilfstätigkeiten dieser beiden Vertretertätigkeiten dar. Aufgrund der Zeugenaussagen konnte die belangte Behörde annehmen, dass die Kundenbesuche – neben dem Abschluss der Werbeplatzierungsvereinbarungen – zugleich der Präsentation und dem Direktverkauf neuer Tabakprodukte dienten. Auch wenn bei diesen Gesprächen die individuelle Beratung durch Kundenbetreuung im Vordergrund gestanden haben mag, so sind doch auch diese Kundentermine zumindest mittelbar auf den Abschluss von Geschäftsabschlüssen zwischen der ITA-GmbH und ihren Kunden gerichtet oder dienten zumindest deren Anbahnung. Die Kundenbesuche, die nicht direkt auf den Abschluss einer Werbeplatzierungsvereinbarung gerichtet waren, durfte die belangte Behörde somit ebenfalls als Vertretertätigkeit qualifizieren.

Die belangte Behörde konnte sich weiters darauf stützen, dass alleine das Abschließen von Werbeplatzierungsvereinbarungen rund 80 % der Gesamttätigkeit des Mitbeteiligten in den Jahren 2007 bis 2009 ausmachte. Unter Berücksichtigung der Kundenbesuche zur Präsentation neuer Produkte als weitere Vertretertätigkeit, zeigt das beschwerdeführende Finanzamt insgesamt nicht auf, dass allfällige andere Tätigkeiten des Mitbeteiligten im Beschwerdefall ein für die Inanspruchnahme des Vertreterpauschales schädliches Ausmaß angenommen hätten.

Überwiegender Spesenersatz

Mit der Verordnung BGBl II 2001/382 werden Durchschnittssätze für Werbungskosten für bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis festgelegt. Die Verordnung geht also davon aus, dass die Tätigkeiten von bestimmten Gruppen von Steuerpflichtigen mit einem bestimmten Ausmaß von Werbungskosten verbunden sind (vgl VwGH 24. 2. 2005, 2003/15/0044, ARD 5584/18/2005). Es liegt im Wesen der Pauschalierung, zum Zweck der Vereinfachung der Steuererhebung nicht auf die Verhältnisse des Einzelfalls abzustellen, sodass die in der Verordnung vorgesehenen Durchschnittssätze für Werbungskosten auch dann zur Anwendung kommen, wenn der Einzelfall dem vom Gesetzgeber angedachten idealtypischen Anwendungsfall nicht völlig entsprechen sollte.

Im Beschwerdefall hat der Mitbeteiligte den Anfall beruflich veranlasster Aufwendungen, die nicht vom Arbeitgeber ersetzt wurden, durch eine formlose Kostenaufstellung der belangten Behörde glaubhaft gemacht. Weiters ist unbestritten, dass dem Mitbeteiligten typischerweise mit einer Vertretertätigkeit verbundene Aufwendungen erwachsen sind (insbesondere Reisekosten), die aber überwiegend von seinem Dienstgeber getragen wurden. Dass dieser Umstand der Zuerkennung der Vertreterpauschale nicht schadet, ergibt sich bereits aus der ausdrücklichen Bestimmung des § 4 der genannten Verordnung, demgemäß Kostenersätze gemäß § 26 EStG die Pauschbeträge für Vertreter nicht kürzen. (Amtsbeschwerde abgewiesen)

Anmerkung:

Dem Vernehmen nach hat den VwGH zu dieser Entscheidungsfindung vor allem der Umstand bewogen, dass dem Außendienstmitarbeiter hier – neben Strom- und Internetkosten von ca € 150,- jährlich – auch vertretertypische Reisekosten erwachsen sind, die zumindest teilweise von ihm selbst getragen wurden. Daraus ist mE abzuleiten, dass zwar keine Voraussetzung für das Vertreterpauschale ist, dass die im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit anlaufenden Aufwendungen einen gewissen Betrag übersteigen, dass aber zu prüfen ist, ob es sich um für den Außendienst eigentümliche Aufwendungen handelt.

Jedenfalls scheint mit dem Erkenntnis nun geklärt, dass (bei Anfall von vertretertypischen Kostenpositionen) ein überwiegender Spesenersatz für die Zuerkennung unschädlich ist. Wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer hingegen alle in Frage kommenden Aufwendungen ersetzt, der Arbeitnehmer also mit keinerlei Aufwendungen belastet sein kann, ist der Durchschnittssatz für Werbungskosten wohl nicht zu gewähren.

Eine Judikaturübersicht mit den Entscheidungen des BFG ab 2014 zum Werbungskostenpauschale für Vertreter finden Sie in ARD 6444/5/2015. (Sabine Sadlo)

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20615 vom 20.11.2015