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Verwaltungsgerichte: Prüfungsbefugnis bei Anfechtung von Nebenbestimmungen

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

VwGVG § 27

Wird eine behördliche Entscheidung, die nicht aus trennbaren Absprüchen besteht, vor dem Verwaltungsgericht lediglich hinsichtlich eines Teils in Beschwerde gezogen (bekämpft bzw angefochten) - etwa hinsichtlich einer im Abspruch enthaltenen Nebenbestimmung (eine Befristung, Bedingung, Auflage) -, darf das Verwaltungsgericht auch prüfen, ob die anderen davon nicht trennbaren, aber ausdrücklich unbekämpft gelassenen Teile des verwaltungsbehördlichen Abspruchs rechtskonform sind.

Kann die Frage (etwa) der Erteilung einer Berechtigung von der Frage ihrer Befristung bzw einer anderen nebenbestimmungsmäßigen Beschränkung nicht getrennt werden, ist das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidungskompetenz nicht durch die bloße Bekämpfung der Nebenbestimmung restringiert, sondern vielmehr befugt, die Entscheidung der Verwaltungsbehörde dahin abzuändern, dass die Berechtigung gar nicht erteilt wird. Das Verwaltungsgericht ist in diesem Sinn im Rahmen der subjektiv-öffentlichen Rechte der jeweiligen beschwerdeführenden Partei befugt, nachzuprüfen, ob überhaupt die Voraussetzungen für die Erteilung der Berechtigung vorliegen.

VwGH 9. 9. 2015, Ro 2015/03/0032

Entscheidung

Der VwGH lehnt damit ausdrücklich eine Auslegung des § 27 VwGVG ab, wonach die beschwerdeführende Partei (insbesondere der Antragsteller) durch den Umfang ihrer Beschwerde die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichts lediglich auf einen Teil der (nicht trennbaren) Sache einschränken könnte. Die Partei trägt bei der bloßen Bekämpfung einer untrennbaren Nebenbestimmung vielmehr regelmäßig das Risiko, dass mit der Nebenbestimmung auch der Bescheid insgesamt wegfällt (vgl das fehlende Verbot einer „reformatio in peius“ im VwGVG). Da das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen hat, dass die Frage der Nebenbestimmung vom übrigen Abspruch im genannten Sinn nicht getrennt werden kann, ist es zudem nicht bloß berechtigt, sondern auch verpflichtet, zu prüfen, ob der bekämpfte Bescheid insgesamt auf dem Boden der subjektiv-öffentlichen Parteirechte in der Rechtsordnung Deckung finden kann, so der VwGH.

Weiters weist der VwGH darauf hin, dass das Verwaltungsgericht - auch bei einer bloßen Abänderung des Bescheidspruchs - bei der Gestaltung sowohl des Spruchs als auch der Begründung der Entscheidung berücksichtigen muss, dass jede Entscheidung des Verwaltungsgerichts, die - allenfalls unter Rückgriff auf den Inhalt bzw Abspruch eines (in Beschwerde gezogenen) verwaltungsbehördlichen Bescheides - die Angelegenheit erledigt, die zunächst von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war, an die Stelle des beim Verwaltungsgericht bekämpften Bescheides tritt. In diesem Sinn hat auch der VfGH schon festgehalten, dass (spätestens) mit der „(Sach)Entscheidung“ des Verwaltungsgerichts der angefochtene Bescheid aus dem Rechtsbestand beseitigt wurde und damit die Entscheidung des Verwaltungsgerichts an die Stelle des Bescheides getreten ist (VfGH 6. 6. 2014, B 320/2014).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20875 vom 07.01.2016