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Verwertung von Videoaufzeichnungen betr Sicherheitsabstand

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

StVO: § 18, § 98c, § 99

1. Zur Feststellung einer Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstands beim Hintereinanderfahren dürfen „die Behörden“ gem § 98c StVO „jeweils räumlich und zeitlich begrenzt bildverarbeitende technische Einrichtungen verwenden“. Die Videoaufzeichnungen eines solchen Messsystems dürfen im Verwaltungsstrafverfahren verwendet werden (also nicht nur zB zur Identätitsfeststellung des Fahrers), und zwar auch noch im Berufungsverfahren vor dem UVS bzw nunmehr im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht.

2. Im vorliegenden Beschwerdefall hängt die Richtigkeit der Messung von der subjektiven Entscheidung des messenden Beamten ab, wo er die Messlinien gesetzt hat, und davon, ob er die Messlinien tatsächlich an den in der Betriebsanleitung vorgesehenen Stellen gesetzt hat. In so einem Fall muss dieser Vorgang zu einem späteren Zeitpunkt auf seine Genauigkeit überprüfbar sein; erst wenn objektiv feststellbar ist, dass die Messlinien an den in der Betriebsanleitung vorgesehenen Stellen gesetzt wurden, kann die Verlässlichkeit der vorgenommenen Abstandsmessung abschließend beurteilt werden. In Grenzbereichen von Messergebnissen, wo minimale Verschiebungen der Pixelsetzung die Strafbarkeit ausschlössen, muss ausführlich und nachvollziehbar begründet werden, warum eine Überschreitung angenommen wird.

VwGH 11. 9. 2015, 2013/02/0273

Entscheidung

Verwertung von Videoaufzeichnungen

Nach Ansicht des Bf dürften gemäß dem Wortlaut des § 98c Abs 2 StVO („jeweils räumlich und zeitlich begrenzt“) über den Zeitpunkt der Feststellung der „Abstands-Unterschreitung“ hinaus (hier: am 26. 1. 2013) ausschließlich Daten verwendet werden, die zur Identifizierung des auffahrenden Fahrzeugs oder Fahrzeuglenkers erforderlich seien. Eine Verwertung der Videoaufzeichnungen oder Verwendung darüber hinaus sei nach § 98c StVO unzulässig.

Die vom Bf ausschließlich aufgrund einer Wortinterpretation vorgenommene Auslegung des § 98c Abs 2 StVO wird vom VwGH nicht geteilt, zumal auf diese Weise jegliche weitere Verwendung und Verwertung des vorhandenen Datenmaterials als Beweismittel für ein Verwaltungsstrafverfahren betreffend Übertretung des § 18 Abs 1 StVO (Unterschreitung des notwendigen Sicherheitsabstands beim Hintereinanderfahren) ab dem Zeitpunkt der Feststellung einer solchen Unterschreitung unzulässig wäre. Dies erschließe sich auch aus § 98c Abs 3 StVO, zumal diese Bestimmung betreffend die nachträgliche Anonymisierung von sonstigen Personen und Fahrzeugkennzeichen ansonsten weitgehend überflüssig wäre.

Jene Daten, die unmittelbar den Verdacht einer Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes betreffen und für Zwecke der Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens ermittelt und verarbeitet wurden, dürfen daher nach Ansicht des VwGH von den zuständigen Behörden/Gerichten im Zuge der Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes bzw wegen einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verwendet werden.

Überprüfung der Richtigkeit der Messung

Die Strafbarkeit nach § 99 Abs 2c Z 4 StVO ist ua bei einem Wert von „weniger als 0,4 Sekunden“ des zeitlichen Sicherheitsabstands gegeben. Angesichts des hier gemessenen Wertes von 0,39 Sekunden hängt die Strafbarkeit des Bf davon ab, dass nachvollziehbar und schlüssig dargelegt wird, dass tatsächlich sämtliche Voraussetzungen für eine technisch einwandfreie Messung gegeben waren, dh insb für eine entsprechend der einschlägigen Gebrauchsanweisung für das verwendete Messgerät durchgeführte Messung.

Dies stellt jedoch grds eine Fachfrage dar, die von einem technischen Sachverständigen zu beantworten wäre, sofern die Behörde nicht selbst über das erforderliche Fachwissen verfügt (wofür im vorliegenden Fall Anhaltspunkte fehlen).

Die Behörde wäre hier daher verpflichtet gewesen, die Richtigkeit der Messergebnisse durch Einholung eines Gutachtens eines technischen Sachverständigen prüfen zu lassen. Weshalb ua die dem Akt beiliegenden beiden Fotos mit den eingezeichneten Messlinien, welche noch dazu von mäßiger Bildqualität sind, dazu ausreichen sollen, die Richtigkeit der vorliegenden Messung zu belegen, vermag die belangte Behörde nicht einsichtig und schlüssig nachvollziehbar darzulegen. Das in der Berufungsverhandlung vorgeführte Video konnte zwar den zu geringen Sicherheitsabstand belegen, nicht jedoch die richtige Setzung der Messlinien durch den Meldungsleger, wie sich auch aus der Aussage des als Zeugen einvernommenen Meldungslegers eindeutig ergibt. Auch lässt sich dem angefochtenen Bescheid des UVS eine nähere Begründung dafür nicht entnehmen, weshalb die Behörde zulässiger Weise von der beantragten Aufnahme eines Sachverständigenbeweises Abstand nehmen konnte.

Der VwGH hat daher den angefochtene Bescheid gem § 42 Abs 2 Z 3 lit b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20609 vom 19.11.2015