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VfGH: Agrargemeinschaft - Beschwerde überstimmter Mitglieder

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

B-VG Art 18

EMRK Art 6

K-FLG: § 93, Art II

Aus der Bundesverfassung ist grundsätzlich kein Recht ableitbar, dass im Falle gemeinschaftlicher Nutzungs- und Verwaltungsrechte einem bei einer Abstimmung unterlegenen Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft ein Rechtsweg gegen jeden Mehrheitsbeschluss offen stehen muss. Vielmehr hat der Gesetzgeber hier eine Gestaltungsfreiheit, wobei er bei der Ausgestaltung des Rechtswegs aber (ua) auf die Einhaltung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte zu achten hat.

Im vorliegenden Fall hat der Gesetzgeber den ihm eröffneten Spielraum überschritten: Gem § 93 Abs 2a K-FLG kann der überstimmte Anteilsinhaber der Agrargemeinschaft nur dann Beschwerde an die Agrarbehörde erheben, wenn sich weniger als 80 % der bei der Vollversammlung anwesenden Anteile für den Beschluss der Vollversammlung ausgesprochen haben. § 93 Abs 2a K-FLG hat damit zur Konsequenz, dass für die Einräumung des Beschwerderechts allein das Stimmverhältnis bei der Beschlussfassung durch die Vollversammlung der Agrargemeinschaft ausschlaggebend ist, womit ein Ausschluss der Beschwerdelegitimation schlechthin auch in jedem Fall von Streitigkeiten verbunden sein kann, die civil rights betreffen. Zudem verstößt es gegen das Rechtsstaatsprinzip, die Überprüfbarkeit auch jeglicher formalen Richtigkeit eines Beschlusses auszuschließen.

VfGH 24. 9. 2015, G 176/2015, G 180/2015

Aufhebung

Der VfGH hat daher § 93 Abs 2a und die Wortfolge „nach Maßgabe des Abs 2a“ in § 93 Abs 2 lit d des Kärntner Flurverfassungs-Landesgesetzes 1979 (K-FLG), LGBl 1979/64 idF LGBl 2013/60, sowie die Wortfolge „und des Art I Z 11 (§ 93 Abs 2a)“ in Art II Abs 2 des Gesetzes vom 19. 7. 2013, mit dem das Flurverfassungs-Landesgesetz 1979 geändert wird, LGBl 2013/60, als verfassungswidrig aufgehoben.

Hinweise:

Die Änderungen in § 93 K-FLG durch LGBl 2013/85 bezogen sich auf andere Regelungen; von der Aufhebung ist somit Abs 2a in seiner geltenden Fassung betroffen.

Die Aufhebung wurde in LGBl für Kärnten 2015/60 kundgemacht.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20467 vom 29.10.2015