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VfGH: Auslieferung - kein Parteiantrag auf Normenkontrolle?

Bearbeiter: Barbara Tuma

B-VG Art 140

VfGG § 62a Abs 1 Z 10

Gem § 62a Abs 1 Z 10 VfGG ist ein Parteiantrag auf Normenkontrolle nicht zulässig „im Verfahren der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, insbesondere Auslieferung, Übergabe, Rechtshilfe, gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung“. Eine solche Unzulässigerklärung dürfte jedoch nach dem Willen des (Verfassungs-)Gesetzgebers und dem Wortlaut des Art 140 Abs 1a erster Satz B-VG nur für jene Fälle erfolgen, in denen dies für die Sicherung des Zwecks des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht „unerlässlich“ ist. Dass aber sämtliche Regelungen betreffend die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (insb alle Vorschriften des ARHG, des EU-JZG und sämtliche zwischenstaatliche Vereinbarungen) Verfahrensschritte zum Gegenstand haben, in denen es zur Sicherung ihres Zwecks in allen in Betracht kommenden Fällen unerlässlich wäre, die Antragstellung für unzulässig zu erklären, bezweifelt der VfGH vorderhand.

Der VfGH hat daher beschlossen, § 62a Abs 1 Z 10 VfGG von Amts wegen auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

VfGH 26. 11. 2015, SV 3/2015 (G 645/2015)

Entscheidung

Zur Begründung des Ausnahmetatbestandes des § 62a Abs 1 Z 10 VfGG zitiert der VfGH va die Erläuterungen zur RV 263 BlgNR 25. GP und betr den Willen des (Verfassungs-)Gesetzgebers den Bericht des Verfassungsausschusses, AB 2380 BlgNR 24. GP, 9 (siehe dazu auch schon zB VfGH 1. 10. 2015, G 346/2015 = LN Rechtsnews 20416 vom 19. 10. 2015).

Die zur Begründung des Ausnahmetatbestandes angeführten Umstände legen nach der vorläufigen Annahme des VfGH nicht ausreichend dar, dass ein Parteiantrag auf Normenkontrolle zur Gänze ausgeschlossen werden müsste (in concreto auf Kontrolle eines Staatsvertrags, und zwar des Auslieferungsvertrags mit den USA, BGBl III 1999/216).

Der VfGH teilt auch nicht die Ansicht, dass Formen der justiziellen Zusammenarbeit im Bereich der Rechtshilfe als Teil des Ermittlungsverfahrens von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B-VG fielen (RV 263 BlgNR 25. GP, 3).

Abschließend weist der VfGH darauf hin, dass er den Stellenwert und die Bedeutung internationaler justizieller Zusammenarbeit in Strafsachen sowie völkerrechtlicher Verträge nicht verkennt. Dennoch scheint ihm „vorderhand die Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten allein jedenfalls nicht die Unerlässlichkeit einer so weit gefassten Ausnahme vom Rechtsschutzinstrumentarium des Parteiantrages darzutun“.

Hinweis: Die in Prüfung gezogene Fassung BGBl I 2014/92 entspricht der geltenden Fassung des § 62a Abs 1 Z 10 VfGG.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20716 vom 04.12.2015