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VfGH: Befreiung von Rundfunkgebühren für „geschützte“ Mieter

Bearbeiter: Barbara Tuma

B-VG Art 7

Fernmeldegebührenordnung: § 48 Abs 5

FeZG: § 2

Hinsichtlich der Berechnung des maßgeblichen Nettoeinkommens für die Befreiung von den Rundfunkgebühren und die Zuschussleistungen zu den Fernsprechentgelten hegt der VfGH grds keine Bedenken dagegen, wenn der Gesetzgeber zwischen Mietern und Eigentümern des Wohnraums differenziert und nur den Hauptmietzins iSd MRG als abzugsfähige Ausgaben zulässt, nicht aber wiederkehrende Ausgaben der Eigentümer.

Allerdings liegt insofern eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung vor, als abzugsfähige Ausgaben nur für Mietverhältnisse nach dem MRG vorgesehen sind, nicht aber auch für Mietverhältnisse außerhalb des MRG, die vom Gesetzgeber ebenfalls einem „mieterschützenden Regime“ unterstellt wurden, so va im WGG. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung konnte der VfGH nicht erkennen und hat daher folgende Bestimmungen mit 31. 8. 2015 aufgehoben:

-in § 48 Abs 5 der Anlage zum Fernmeldegebührengesetz (Fernmeldegebührenordnung [FGO]), BGBl 1970/170 idF BGBl 1989/365, und
-in § 2 Abs 3 des Bundesgesetzes über Zuschussleistungen zu Fernsprechentgelten (Fernsprechentgeltzuschussgesetz - FeZG), BGBl I 2000/142,

jeweils die Wortfolge „1. den Hauptmietzins einschließlich der Betriebskosten iSd Mietrechtsgesetzes, wobei eine gewährte Mietzinsbeihilfe anzurechnen ist, 2.“.

VfGH 3. 7. 2015, G 176/2014, V 89/2014 ua

Sachverhalt

Den Aufhebungsanträgen des Bundesverwaltungsgerichts liegen mehrere Verfahren zugrunde, in denen Bescheide der GIS Gebühren Info Service GmbH angefochten wurden, mit denen die Anträge der Bf auf Gebührenbefreiung nach dem RGG und/oder auf Gewährung einer Zuschussleistung nach dem FeZG abgewiesen wurden, weil das jeweilige Haushaltseinkommen der Bf die Betragsgrenze für die Gebührenbefreiung und/oder Zuschussleistung überstieg. Die angefochtenen Bescheide enthalten alle Aufstellungen zur Berechnung der relevanten Betragsgrenzen, bei denen jeweils der Posten „Eigenheimpauschale € 105,38“ aufscheint und vom Haushaltseinkommen („Summe der Einkünfte“) abgezogen wird.

Das Bundesverwaltungsgericht vermutet eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung va darin, dass nach der taxativen Aufzählung in den relevanten Bestimmungen jeweils nur der „Hauptmietzins einschließlich der Betriebskosten iSd Mietrechtsgesetzes“ bei Berechnung des Nettoeinkommens abgezogen werden kann, nicht aber andere Arten von Ausgaben iZm Wohnungsaufwand, somit auch Ausgaben für Eigentumswohnungen.

Entscheidung

Gegen eine Differenzierung zwischen Mietern und Wohnungeigentümern (Eigentümern von Eigenheimen) hegt der VfGH keine Bedenken. Seiner Ansicht nach hat der Gesetzgeber mit der Beschränkung des Abzugs auf den „Hauptmietzins einschließlich der Betriebskosten iSd Mietrechtsgesetzes“ zum Ausdruck gebracht, dass nicht jeder Hauptmietzins in beliebiger Höhe vom Haushalts-Nettoeinkommen abgezogen werden kann, sondern nur der Hauptmietzins, der den Beschränkungen des MRG unterliegt. Dem Bedenken des BVwG, dass auch Hauptmietzinse für „luxuriöse, sehr teure Wohnungen“ in „unbegrenzter Höhe“ vom Nettoeinkommen abzugsfähig seien, hält der VfGH entgegen, dass Hauptmietzinse für landläufig als luxuriös oder sehr teuer angesehene Mietobjekte (zB „Dachgeschoß-Citywohnung“, „City-Penthouse“, „exklusive Miet-Villa“ etc) regelmäßig nicht dem MRG bzw dem vollen Umfang des Anwendungsbereichs des MRG und damit dessen Vorschriften betreffend die Hauptmietzinsbildung unterliegen. In diesen Fällen lägen daher idR schon keine „Hauptmietzinse einschließlich der Betriebskosten iSd Mietrechtsgesetzes“ vor, deren Höhe durch die Mietzinsbildungs- und Mietzinsbegrenzungsbestimmungen des MRG beschränkt wäre.

Die Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Gesetzesbestimmungen liegt nach Ansicht des VfGH aber darin, dass die Beschränkung des Abzugs auf Mietverhältnisse, die dem MRG unterliegen, zu einer Ungleichbehandlung von Mietverhältnissen nach dem MRG mit Mietverhältnissen außerhalb des MRG führt, die vom Gesetzgeber ebenfalls einem „mieterschützenden Regime“ unterstellt wurden, so va im WGG. Nach den angefochtenen Gesetzesstellen kann ein nach dem WGG zu entrichtendes Entgelt für die Überlassung des Gebrauchs einer Wohnung (§ 14 WGG; vgl auch § 13 Abs 4, 6 WGG), das die Funktion eines Hauptmietzinses hat, nicht als Abzug angesetzt werden, weil es sich dabei nicht in allen Fällen um einen Hauptmietzins iSd MRG handelt. Eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung von Mietverhältnissen nach dem MRG einerseits und Mietverhältnissen nach dem WGG andererseits im Hinblick auf die angefochtenen Gesetzesstellen fehlt.

Die Aufhebung nur der Wendung „iSd MRG“ würde wiederum zu einer Verfassungswidrigkeit führen, nämlich der Abzugsfähigkeit des Hauptmietzinses in jeder Höhe, was „mit einem sozialen Erfordernis nach einer Gebührenbefreiung nicht mehr erklärbar“ wäre (vgl ErläutRV 987 BlgNR 17. GP, 5, zur Änderung der FGO) und gegen das Sachlichkeitsgebot des Art 7 B-VG verstoßen würde. Daher werden die angefochtenen Gesetzesstellen vom VfGH in dem vom BVwG beantragten Umfang aufgehoben.

Hinweis: Aufhebung kundgemacht in BGBl I 2015/88.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20066 vom 17.08.2015