News

VfGH: Beschwerden gegen FMA-Bescheide – aufschiebende Wirkung?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

B-VG: Art 11, Art 136

FMABG: § 22

In Abweichung von der (grundsätzlichen) Bestimmung des § 13 Abs 1 und 2 VwGVG ordnet § 22 Abs 2 erster Satz FMABG an, dass Beschwerden gegen Bescheide der FMA und Vorlageanträgen keine aufschiebende Wirkung zukommt (ausgenommen in Verwaltungsstrafsachen). Das Bundesverwaltungsgericht kann allerdings gem § 22 Abs 2 zweiter Satz FMABG der Beschwerde auf Antrag die aufschiebende Wirkung zuerkennen (nach Anhörung der FMA), insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug für den Bf ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Nach der vorläufigen Auffassung des VfGH scheint der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 22 Abs 2 FMABG dem Rechtsstaatsprinzip und dem daraus abgeleiteten Prinzip der Effektivität des Rechtsschutzes insoweit zu widersprechen, als der Gesetzgeber bei Erlassung dieser Bestimmung dem Interesse des einzelnen Betroffenen nicht hinreichend Rechnung getragen haben dürfte, nicht generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung so lange belastet zu werden, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist.

Zudem hat der VfGH das vorläufige Bedenken, dass § 22 Abs 2 FMABG vor dem Hintergrund der Judikatur des VfGH zu Art 136 Abs 2 B-VG bzw Art 11 Abs 2 B-VG nicht als „unerlässliche“ Abweichung von den allgemeinen Verfahrensgesetzen anzusehen ist.

Der VfGH hat daher beschlossen, § 22 Abs 2 FMABG, BGBl I 2001/97, idF BGBl I 2013/70, von Amts wegen auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

VfGH 11. 10. 2017, E 1810/2017 (G 257/2017)

Entscheidung

Dass der Gesetzgeber dem Rechtsschutzinteresse des einzelnen Betroffenen nicht hinreichend Rechnung getragen haben dürfte (vgl auch VfSlg 19.921/2014), folgt nach der vorläufigen Auffassung des VfGH insb daraus, dass § 22 FMABG einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch die FMA entgegenstehen dürfte: Eine Entscheidung darüber kann gem § 22 Abs 2 FMABG nur das BVwG fällen, womit dem Betroffenen offenbar erst nach der Vorlage der Beschwerde und Anhörung der FMA – nicht jedoch bereits im Rahmen des Beschwerdevorverfahrens – einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden kann. Es wird zu prüfen sein, ob diese Bestimmungen den Rechtsschutzinteressen des Betroffenen hinreichend Rechnung tragen.

Darüber hinaus geht der VfGH vorläufig davon aus, dass § 22 Abs 2 FMABG den Grundsatz des § 13 Abs 1 VwGVG umkehrt, wonach einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht grundsätzlich die aufschiebende Wirkung zukommt, und der VfGH hegt das vorläufige Bedenken, dass § 22 Abs 2 FMABG nicht als „unerlässliche“ Abweichung von den allgemeinen Verfahrensgesetzen anzusehen ist:

Es gibt zwar zahlreiche Sachverhalte, in denen das öffentliche Interesse an der sofortigen Umsetzung eines Bescheides der FMA das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen überwiegt. § 22 Abs 2 FMABG erfasst allerdings – abseits der Strafverfahren – Beschwerden gegen alle Entscheidungen der FMA, darunter auch solche, die nach der vorläufigen Auffassung des VfGH mit keiner besonderen Dringlichkeit verbunden sind (wie etwa Kostenbescheide der FMA gem § 19 Abs 5 FMABG oder Zinsvorschreibungen gem § 97 BWG).

Der VfGH wird im Gesetzesprüfungsverfahren auch zu klären haben, ob bestimmte Konstellationen im Verfahren vor der FMA eine Abweichung von den allgemeinen Verfahrensgesetzen als unerlässlich erscheinen lassen können (vgl dazu etwa VfSlg 19.969/2015).

An diesen Erwägungen scheint auch der unionsrechtliche Hintergrund des Finanzmarktaufsichtsrechts nichts zu ändern: Zum einen dürfte sich der grundsätzliche Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch auf Verfahren der FMA beziehen, die vom Unionsrecht nicht erfasst sind, zum anderen scheint das Unionsrecht – nach der Rsp des EuGH – der Zuerkennung einstweiligen Rechtsschutzes nicht prinzipiell entgegenzustehen; vielmehr herrscht auch im Unionsrecht der Grundsatz eines effektiven Rechtsschutzes (vgl zuletzt zB C-432/05, Unibet, Rechtsnews 2536).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 24394 vom 24.10.2017