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VfGH: Entlassungsschutz für Väter nicht verfassungswidrig

Bearbeiter: Manfred Lindmayr / Bearbeiter: Barbara Tuma

VKG: § 7 Abs 3, § 8f

Gegen die Voraussetzung einer gerichtlichen Zustimmung für die Zulässigkeit der Entlassung eines Arbeitnehmers, der sich in Karenz bzw Elternteilzeit nach dem Väter-Karenzgesetz befindet, bestehen keine verfassungsrechtliche Bedenken, und zwar weder im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz noch im Hinblick auf das Grundrecht der Freiheit der Erwerbsbetätigung.

VfGH 12. 10. 2016, G 431/2015

Sachverhalt

Am 30. 1. 2014 entließ die antragstellende Arbeitgeber-Gesellschaft einen Arbeitnehmer in Elternteilzeit nach dem VKG, nachdem sie erfahren hatte, dass dieser Arbeitnehmer Firmeneigentum gestohlen hat. Erst am 19. 2. 2014 klagte der Arbeitgeber auf (nachträgliche) Zustimmung des Gerichts zur Entlassung des Arbeitnehmers. Diese Klage wurde mangels Rechtsschutzinteresses abgewiesen, weil der Arbeitnehmer zuvor bereits erklärt hatte, die Entlassung zu akzeptieren und Kündigungsentschädigung geltend zu machen.

Der Klage des Arbeitnehmers auf Kündigungsentschädigung wurde in der Folge in 1. Instanz stattgegeben: Die Entlassung sei unzulässig, weil die Klage auf (nachträgliche) Zustimmung zur Entlassung verspätet eingebracht worden sei.

Gleichzeitig mit der Berufung gegen dieses Urteil stellte der Arbeitgeber beim VfGH den Antrag, die Bestimmungen im VKG über den Entlassungsschutz von Vätern in Karenz bzw Elternteilzeit wegen Verfassungswidrigkeit (Gleichheitswidrigkeit) aufzuheben. Die Bestimmungen seien verfassungswidrig, weil sie die Wirkung hätten, dass eine durch den Arbeitgeber ausgesprochene Entlassung bis zur gerichtlichen Zustimmung schwebend unwirksam sei. Ein Arbeitnehmer, der einen Entlassungsgrund gesetzt habe, sei jedoch weniger schützenswert als sein Arbeitgeber.

Der VfGH hat den Antrag des Arbeitgebers mit folgender (stark zusammengefassten) Begründung abgewiesen:

Entscheidung

Keine Gleichheitswidrigkeit

In seinen Entscheidungsgründen setzt sich der VfGH ausführlich mit den Bedenken des Arbeitgebers auseinander, wonach der Gesetzgeber den Vätern in unsachlicher Weise denselben Kündigungs- und Entlassungsschutz gewähre wie Mitgliedern eines Betriebsrats; ihr Bestandsschutz müsse sich vielmehr nach jenem für begünstigte Behinderte richten (sofortige Wirksamkeit einer Entlassung mit Anfechtungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer).

Bei Ablehnung dieser Ansicht verweist der VfGH va auf den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Regelung des Kündigungs- und Entlassungsschutzes: Es steht diesem grundsätzlich frei, je nach Schutzgesichtspunkten unterschiedliche Regelungen im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses vorzusehen, und zwar sowohl etwa eine bloß nachträgliche Anfechtungsmöglichkeit des Arbeitnehmers als auch das Erfordernis einer vorherigen verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Zustimmung.

Die Zielsetzung der Regelungen über den Kündigungs- und Entlassungsschutz nach dem VKG bzw dem MSchG sowie dem ArbVG (für Betriebsräte) einerseits und nach dem BEinstG für begünstigte Behinderte andererseits unterscheiden sich nach Ansicht des VfGH unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes wesentlich voneinander: Während der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz nach dem VKG bzw MSchG (und in vergleichbarer Weise auch jener nach dem ArbVG) das Ziel verfolgt, dass der jeweils geschützte Personenkreis im Interesse anderer zeitlich befristet eine Betreuungs- bzw Vertretungsaufgabe wahrnehmen kann, ohne um den Bestand des Dienstverhältnisses fürchten zu müssen, liegt dem besonderen (bloßen) Kündigungsschutz des BEinstG die Zielsetzung zugrunde, jene Nachteile auszugleichen, die begünstigte Behinderte aufgrund ihrer Behinderung auf dem Arbeitsmarkt erfahren. Dass die Gründe für die besondere Schutzbedürftigkeit der Beschäftigungsverhältnisse in der Person des Beschäftigten liegen, verpflichtet den Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums nicht dazu, identische Systeme zum Schutz des Bestandes dieser Beschäftigungsverhältnisse vorzusehen.

Im Übrigen verweist der VfGH darauf, dass der Gesetzgeber ohnehin auch die Interessen des Arbeitgebers an einer sofortigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt hat, und zwar dadurch, dass der besondere Entlassungsschutz auf die Phase der intensivsten Betreuung in den ersten vier Lebensjahren des Kindes beschränkt ist (vgl § 8f Abs 1 Satz 2 VKG) und der Arbeitgeber die Entlassung in Fällen besonders schwerwiegender Verfehlungen des Dienstnehmers auch gegen nachträgliche Zustimmung des Gerichts aussprechen kann (vgl § 7 Abs 3 dritter Satz VKG iVm § 12 Abs 4 erster Satz MSchG).

Kein unzulässiger Eingriff in die Erwerbsfreiheit

Nach der stRsp sind Beschränkungen der Erwerbs(ausübungs)freiheit durch gesetzliche Regelungen nur dann zulässig, wenn sie durch das öffentliche Interesse geboten, zur Zielerreichung geeignet, adäquat und auch sonst sachlich zu rechtfertigen sind.

Dazu hält der VfGH fest:

-Mit dem qualifizierten Kündigungs- und Entlassungsschutz nach dem VKG (bzw MSchG) verfolgt der Gesetzgeber ein Ziel das im öffentlichen Interesse gelegen ist, nämlich den Schutz vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Zeiten, in denen Väter (wie Mütter) Teile ihrer Zeit der Kindererziehung widmen (und damit Einkommenseinbußen in Kauf nehmen).
-Die angefochtenen Regelungen sind zur Zielerreichung geeignet.
-Auch sind die angefochtenen Regelungen verhältnismäßig:
Wie bereits zum Gleichheitsgrundsatz dargelegt, ist es nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber die Rechtswirksamkeit der Entlassung eines Arbeitnehmers in Teilzeit nach dem VKG zum Schutz des Bestands dieses Beschäftigungsverhältnisses und zur Vermeidung der Umgehung des Kündigungsschutzes an das Erfordernis einer (nachträglichen) gerichtlichen Zustimmung bindet. Das Interesse am Schutz des Beschäftigungsverhältnisses von Personen in Väterkarenz ist von erheblichem Gewicht. Wenn der Gesetzgeber daher die Zulässigkeit einer Entlassung an die besondere Voraussetzung einer gerichtlichen Zustimmung knüpft, ist dies im Hinblick auf das Grundrecht der Freiheit der Erwerbsbetätigung nicht unverhältnismäßig.

Die angefochtene Wortfolge „- und Entlassungs“ in der Überschrift zu § 8f VKG, in § 8f Abs 1 Satz 1 VKG und in § 8f Satz 3 VKG sowie die Sätze 2 und 3 in § 7 VKG verstoßen daher nach Ansicht des VfGH weder gegen den Gleichheitsgrundsatz noch verletzen sie die antragstellende Gesellschaft in ihrem Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22647 vom 22.11.2016