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VfGH: ImmoESt für Altvermögen verfassungskonform eingeführt

Bearbeiter: Sabine Sadlo

EStG: § 30 Abs 4 Z 2, § 124b Z 215

Die Ausdehnung der Ertragsteuerpflicht durch das 1. Stabilitätsgesetz 2012 auf die Veräußerung auch jener Grundstücke des Privatvermögens, die am 31. 3. 2012 nicht steuerverfangen waren, verletzt nicht die verfassungsrechtliche Grenzen, die der Vertrauensschutz dem Gesetzgeber setzt. Der Antrag des BFG auf Aufhebung der Wortfolge „aus privaten Grundstücksveräußerungen (§ 30) und“ in § 29 Z 2 EStG sowie der §§ 30 und 30a EStG wurde daher vom VfGH abgewiesen.

VfGH 25. 9. 2015, G 111/2015

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin in dem vor dem BFG anhängigen Verfahren hatte im Jahr 1972 im Erbwege eine Liegenschaft erworben, die sie mit Kaufvertrag vom 10. 4. 2012 veräußerte. Das Finanzamt unterzog 14 % des Veräußerungserlöses als Veräußerungsgewinn mit dem besonderen Steuersatz von 25 % der Einkommensteuer (begünstigende Pauschalregelung des § 30 Abs 4 Z 2 EStG).

Nach Ansicht des in der Folge angerufenen BFG sei die Einführung der ImmoESt mit 1. 4. 2012 in verfassungswidriger Weise durchgeführt worden, weil der Systemwechsel als unecht bzw faktisch rückwirkende, unvorhersehbare und plötzliche Änderung zu werten sei. Es hat daher an den VfGH den Antrag gestellt, das gesamte Regelwerk der ImmoESt unter Setzung einer angemessenen Frist als verfassungswidrig aufzuheben (vgl BFG 2. 3. 2015, RN/1100002/2015, ARD 6444/14/2015).

Entscheidung

Keine Quasi-Rückwirkung

Der VfGH räumt zunächst ein, dass die umfassende Besteuerung privater Grundstücksveräußerungen unter Einbeziehung auch jener Grundstücke, die zum 31. 3. 2012 - infolge bereits abgelaufener Spekulationsfrist - nicht steuerverfangen waren, am 28. 3. 2012 im Nationalrat beschlossen und am 31. 3. 2012 im Bundesgesetzblatt (BGBl I 2012/22) kundgemacht worden ist. Mit der Einbeziehung nicht steuerverfangener Grundstücke greift der Gesetzgeber aber nicht rückwirkend in bestehende Rechtspositionen ein. Maßgeblicher Besteuerungstatbestand ist nämlich die Veräußerung in Form des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts (siehe RV 1680 BlgNR 24. GP, 7). Da die Regelung Veräußerungen nach dem 31. 3. 2012 und somit Veräußerungen ab Inkrafttreten (vgl § 124b Z 215 EStG) erfasst, knüpft sie nicht - so der VfGH - an bereits vor Inkrafttreten verwirklichte Veräußerungsvorgänge geänderte, für den Steuerpflichtigen nachteilige Rechtsfolgen; sie regelt vielmehr aus der zeitlichen Perspektive der Erlassung des Gesetzes die Rechtsfolgen für Veräußerungen ab dem Inkrafttreten der Regelung.

Dass dem Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts „geraume Zeit in Anspruch nehmende weitere Schritte vorausgehen“ und daher auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass bereits vor Inkrafttreten der Regelung möglicherweise „ein in wesentlichen Teilen abgeschlossener Veräußerungsvorgang“ vorliegen konnte, führt zu keiner anderen Betrachtung, geht es doch auch in solchen Konstellationen im Kern um das Interesse des Steuerpflichtigen am unveränderten Fortbestand der vor Inkrafttreten gegebenen Rechtslage.

Keine schutzwürdige Vertrauenslage

Der VfGH kann nicht erkennen, dass vor der Einführung der Besteuerung privater Grundstücksveräußerungen mit dem 1. StabG 2012 eine Rechtslage bestanden hätte, bei der der Gesetzgeber bestimmte Verhaltensweisen gefördert hätte, die durch das 1. StabG 2012 entwertet wären.

Der Umstand, dass bis zum Inkrafttreten des 1. StabG 2012 Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen nach Ablauf einer bestimmten Frist nicht im Rahmen der Besteuerung des Einkommens zu erfassen waren, vermag nach Ansicht des VfGH nicht zu bewirken, dass ein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand dieser Rechtslage bestünde, und zwar auch dann nicht, wenn im Einzelfall die für das Bestehen einer Steuerpflicht relevante Frist bereits abgelaufen gewesen sein sollte. Die Tatsache, dass der Steuerpflichtige nach Ablauf einer bestimmten Frist nach Erwerb eines Grundstücks gemäß der jeweils maßgebenden Rechtlage - so wie die Beschwerdeführerin vor dem BFG möglicherweise auch über Jahrzehnte - davon ausgegangen ist, dass die Veräußerung des Grundstücks infolge Ablaufs dieser Frist keiner Ertragsteuerpflicht unterliegen werde, begründet für sich allein keine schutzwürdige Position, die einer in der vorgenommenen Weise erfolgten gesetzlichen Änderung verfassungsrechtliche Schranken setzen würde.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20452 vom 27.10.2015