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VfGH: Platzverbot wegen Wahlveranstaltung?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

SPG § 36

Gemäß § 36 Abs 1 SPG kann ein Platzverbot dann erlassen werden, wenn „aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen [ist], es werde an einem bestimmten Ort eine allgemeine Gefahr für Leben oder Gesundheit mehrerer Menschen oder für Eigentum [...] in großem Ausmaß entstehen [...]“. Die Sicherung einer - am Ort des Platzverbotes stattfindenden - Wahlveranstaltung, um Störungen durch Dritte zu verhindern, ist vom Telos des § 36 Abs 1 SPG nicht erfasst. Zwar gehört der Schutz von Versammlungen und damit auch von Wahlveranstaltungen zu den Verpflichtungen des Staates, ein Platzverbot gem § 36 Abs 1 SPG ist dafür aber nicht das geeignete Mittel, weil es sich dabei um ein „generelles Betretungsverbot“ für einen Gefahrenbereich handelt, das grds „unterschiedslos für alle Menschen“ gilt.

VfGH 18. 6. 2015, V 105/2014

Entscheidung

Der VfGH hat bereits in seinem Prüfungsbeschluss (betr eine Platzverbotsverordnung der Landespolizeidirektion Steiermark vom 20. 11. 2012) angenommen, dass es Zweck eines Platzverbotes iSd § 36 Abs 1 SPG zu sein scheint, Menschen am Betreten eines Gefahrenbereichs zu hindern oder sie zum Verlassen dieses Bereiches zu veranlassen, die Sicherung einer Wahlveranstaltung zur Verhinderung von Störungen durch Dritte jedoch vom Telos des § 36 Abs 1 SPG nicht erfasst sein dürfte. Diese Annahme wurde im Verordnungsprüfungsverfahren bestätigt.

Darüber hinaus hält der VfGH fest, dass § 36 Abs 1 SPG ausdrücklich vorsieht, dass bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen „das Betreten des Gefahrenbereiches und de[r] Aufenthalt in ihm mit Verordnung zu verbieten“ ist. Daraus folgend werde in der Lit die Meinung vertreten, dass ein Platzverbot „der vorbeugenden Freihaltung bzw der nachträglichen Räumung einer Örtlichkeit“ diene und - insb im Vergleich mit § 36a SPG („Schutzzone“ mit einem „selektiven Betretungsverbot“) - ein „generelles Betretungsverbot“ enthalte, das grds „allgemeine Wirkung“ entfalte und daher idR „unterschiedslos für alle Menschen“ gelte (vgl Funk in JBl 1994, 137 [147]).

Auch nach Ansicht des VfGH intendiert § 36 Abs 1 SPG, durch die Erlassung einer Platzverbotsverordnung den Aufenthalt unterschiedslos jeder Person in einem als solchen begründet als Gefahrenbereich erkannten Bereich zu verhindern. Aus dem Umstand, dass im Übrigen stets sachlich begründete und somit gerechtfertigte Ausnahmen zulässig sind (zB zu Gunsten von Rettungsorganisationen, der betroffenen Anrainer oder ausführender Unternehmen), sei jedenfalls nicht abzuleiten, dass darüber hinaus in diskriminierender Weise der Zugang zum Gefahrenbereich manchen Gruppen erlaubt und manchen verboten werden dürfe (hier: Erlaubnis zum Betreten des Gefahrenbereichs durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes - in Entsprechung einer Weisung - nur für Personen, „die FPÖ-Sympathisanten sind und von Vertrauensleuten der FPÖ als solche erkannt würden“; Verweigerung des Zutritts für den Bf, der zum Zeitpunkt der Wahlveranstaltung eine „Rastafari-Locken-Frisur“ trug).

§ 36 Abs 1 SPG ist nach Ansicht des VfGH somit nicht geeignet, den ungestörten Besuch einer Versammlung in einem vom Platzverbot erfassten Bereich zu sichern.

Der VfGH bleibt zwar ausdrücklich dabei, dass eine Verpflichtung des Staates zum Schutz von Versammlungen und auch Wahlveranstaltungen besteht und die Behörden daher gehalten sind, diese vor Störungen durch Dritte zu schützen (so etwa VfSlg 19.741/2013; VfGH 13.9.2013, B1443/2012). § 36 Abs 1 SPG erlaube dennoch nicht, ein Platzverbot genau an dem Ort zu verhängen, an dem die (allenfalls zu schützende) Versammlung selbst stattfindet.

Im konkreten Fall war daher die in Prüfung gezogene Platzverbotsverordnung (Verordnung der LPD Stmk Steiermark vom 20. 11. 2012, Z P1/43991/2012, kundgemacht durch Anschlag rund um den Gefahrenbereich und Verlautbarung in den Medien) in einer dem § 36 Abs 1 SPG widersprechenden Weise erlassen worden und war gesetzwidrig.

Dieser Ausspruch der Gesetzwidrigkeit wurde in BGBl II 2015/213 kundgemacht.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19970 vom 31.07.2015