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VfGH: Private Grundstücksveräußerungen – Einschränkung des Verlustausgleichs

Bearbeiter: Birgit Bleyer

EStG idF BGBl I 2012/22: § 20 Abs 2

EStG idF BGBl I 2012/112: § 30 Abs 7

1. Die Einschränkung des Verlustausgleichs bei privaten Grundstücksveräußerungen auf Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung ist nicht verfassungswidrig, da – aufgrund einer verfassungskonformen Interpretation – unter den in § 30 Abs 7 EStG idF BGBl I 2012/112 angeführten „Einkünften aus Vermietung und Verpachtung“ nur solche zu verstehen sind, die unter § 28 Abs 1 Z 1 EStG fallen.

2. Das Abzugsverbot in § 20 Abs 2 EStG idF BGBl I 2012/22, das nur für jene Fremdfinanzierungsaufwendungen iZm der Anschaffung privater Grundstücke zum Tragen kommt, die weder mit einer außerbetrieblichen (im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) noch mit einer privaten Nutzung des Grundstücks im Zusammenhang stehen, verstößt hingegen insoweit gegen den Gleichheitssatz und ist somit verfassungswidrig, als es den Ausschluss des Abzugs auch im Fall der Regelbesteuerung betrifft. Die Wortfolge „oder § 30a Abs 1“ in § 20 Abs 2 EStG idF BGBl I 2012/22 wird daher mit Ablauf des 31. 12. 2018 aufgehoben; frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

Die derzeit aktuelle Fassung des § 20 Abs 2 EStG idF des SteuerreformG 2015/2016 (BGBl I 2015/118) trägt dem aber ohnehin bereits Rechnung, da das Abzugsverbot – für den Fall der Ausübung der Regelbesteuerungsoption – für Besteuerungszeiträume ab 2016 beseitigt worden ist.

VfGH 30. 11. 2017, G 183/2017

-> zum Prüfungsbeschluss VfGH 14. 6. 2017, E 1156/2016, siehe Rechtsnews 23906

Entscheidung

Einschränkung des Verlustausgleichs

§ 30 Abs 7 EStG idF BGBl I 2012/112 sieht vor, dass Verluste aus privaten Grundstücksveräußerungen „zur Hälfte ausschließlich mit Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auszugleichen“ sind. Auch wenn zu diesen Einkünften – wie im Prüfungsbeschluss ausgeführt – gem § 28 EStG nicht nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen und von Rechten, die den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, rechnen, schließt sich der VfGH nun der Ansicht der Bundesregierung an, dass der systematische Zusammenhang der Vorschrift des § 30 Abs 7 EStG mit der Besteuerung privater Grundstücksveräußerungen eine Auslegung nahelegt, die den Verlustausgleich auf Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken gem § 28 Abs 1 Z 1 EStG einschränkt.

Der Wortlaut des § 30 Abs 7 EStG idF BGBl I 2012/112 steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Hinzu kommt, dass sich der Gesetzgeber des AbgÄG 2012 mit der Ausdehnung des Verlustausgleichs auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung am System des Verlustausgleichs bei den Einkünften aus Kapitalvermögen orientiert hat, nach dem Substanzverluste mit Früchten aus Kapitalanlagen ausgeglichen werden können (vgl die ErläutRV 1960 BlgNR 24. GP, 8). Damit kann aber den Bedenken des VfGH im Rahmen einer verfassungskonformen Interpretation Rechnung getragen werden, nach der unter den in § 30 Abs 7 EStG idF BGBl I 2012/112 angeführten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nur solche zu verstehen sind, die unter § 28 Abs 1 Z 1 EStG fallen.

Hinsichtlich der Bedenken des VfGH im Prüfungsbeschluss, dass § 30 Abs 7 EStG mit der Einschränkung auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung andere grundstücksbezogene, unter § 29 Z 3 EStG fallende Einkünfte vom Verlustausgleich ausschließe, räumt die Bundesregierung ein, dass diese Grenzziehung zu Differenzierungen führe. Die Bundesregierung legt in ihrer Äußerung aber auch nachvollziehbar dar, dass es sich dabei der Zahl der Veranlagungen nach um äußerst selten auftretende Konstellationen handelt.

Damit ist aber davon auszugehen, dass die in § 30 Abs 7 EStG enthaltene Einschränkung des Verlustausgleichs auf Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für den Regelfall einen Ausgleich für Verluste aus privaten Grundstücksveräußerungen gewährleistet und somit die sachliche Rechtfertigung der Regelung nicht berührt.

Abzugsverbot für Werbungskosten

Das Ziel der Schaffung eines ausgewogenen analytischen Besteuerungssystems rechtfertigt, als Ausgleich für einen - gemessen am allgemeinen Tarif - niedrigen Steuersatz und die nicht progressionserhöhende Wirkung für das übrige Einkommen ein Abzugsverbot für Werbungskosten vorzusehen. Dies vor dem Hintergrund, dass die mit Immobilientransaktionen einhergehenden Aufwendungen in einer Durchschnittsbetrachtung zu annähernd (prozentuell am Kaufpreis orientiert) vergleichbaren Kosten führen.

Diese Ausgangslage entbindet den Gesetzgeber aber nicht vom verfassungsrechtlichen Gebot, ein solches Abzugsverbot derart auszugestalten, dass den Anforderungen des Gleichheitssatzes entsprochen wird.

Der VfGH geht mit der Bundesregierung zunächst davon aus, dass die sachangemessene Ausgestaltung des Abzugsverbots im Bereich privater Grundstücksveräußerungen im Rahmen des analytischen Besteuerungssystems kein Abzugsverbot für Anschaffungsnebenkosten erfordert.

Ferner hegt der VfGH aber auch gegen die Ausgestaltung des Abzugsverbots insofern Bedenken, als der Veräußerer, der das Wirtschaftsgut mit Fremdkapital angeschafft hat, ungeachtet des größeren Aufwands im Rahmen der Besteuerung privater Grundstücksveräußerungen ebenso belastet wird wie ein Veräußerer, der das Grundstück eigenfinanziert angeschafft hat.

Der VfGH geht davon aus, dass das Abzugsverbot des § 20 Abs 2 EStG idF BGBl I 2012/22 nur für jene Fremdfinanzierungsaufwendungen im Zusammenhang mit der Anschaffung privater Grundstücke zum Tragen kommen kann, die weder mit einer außerbetrieblichen noch mit einer privaten Nutzung des Grundstücks im Zusammenhang stehen.

Erfolgt eine außerbetriebliche Nutzung im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, stehen die Aufwendungen nämlich mit dieser in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang und sind diese daher bei der Ermittlung der dem allgemeinen Tarif unterliegenden Einkünfte abzugsfähig; wird das Grundstück für private Zwecke genutzt, besteht ein Abzugsverbot bereits gemäß § 20 Abs 1 Z 1 EStG.

Für die verbleibende Fallgruppe von privaten Grundstücken, die weder außerbetrieblich noch privat genutzt werden, ist mit der Bundesregierung davon auszugehen, dass die gleichheitsrechtlichen Erwägungen, die im Rahmen einer synthetischen Ermittlung des Einkommens den Abzug von Fremdfinanzierungsaufwendungen sachlich rechtfertigen, nicht auf ein analytisches Besteuerungssystem übertragen werden können. Vielmehr stellt das Abzugsverbot auch für den Fall von Fremdfinanzierungsaufwendungen einen Ausgleich für den zur Anwendung kommenden besonderen Steuersatz dar. Es besteht jedoch keine sachliche Rechtfertigung für ein solches Abzugsverbot im Fall einer ausgeübten Regelbesteuerungsoption:

Mit der Ausübung der Regelbesteuerungsoption unterliegen die Einkünfte aus privaten Grundstücksveräußerungen den allgemeinen Vorschriften des synthetischen Einkommensbesteuerungssystems. Damit kommt für diese Einkünfte zum einen der allgemeine Tarif zum Tragen, zum anderen wirken die Einkünfte aus der privaten Grundstücksveräußerung für die übrigen Einkünfte progressionserhöhend. Dabei soll der Antrag auf Regelbesteuerung offenbar dem Steuerpflichtigen ermöglichen, eine Besteuerung nach dem allgemeinen Tarif herbeizuführen, wenn dieser - unter Berücksichtigung der durch die Regelbesteuerung eintretenden Progressionsverschärfung für die übrigen Einkünfte - zu einer Durchschnittsbelastung führt, die unter jener des linearen Tarifs des besonderen Steuersatzes liegt.

Vor diesem Hintergrund vermag die Begründung der Bundesregierung, das Abzugsverbot solle einer Abkehr vom geschlossenen System der analytischen Besteuerung auf Grund bloß steueroptimierender Gestaltungen entgegenwirken, nicht zu überzeugen, zumal der Steuerpflichtige die Geltendmachung der Regelbesteuerungsoption ausschließlich an Hand von Steueroptimierungsüberlegungen prüft und auch progressionsverschärfende Umstände mit in Betracht zu ziehen hat. Schließt der Gesetzgeber dabei den Abzug von Aufwendungen generell aus, führt dies insofern zu Ungleichbehandlungen, als Steuerpflichtige mit einer nach synthetischen Grundsätzen ermittelten, gleichen - unter dem besonderen Steuersatz liegenden - Durchschnittsbelastung unterschiedlich behandelt werden, je nachdem, ob mit der Tätigkeit Werbungskosten im Zusammenhang stehen oder nicht. Ein sachlicher Grund, der es rechtfertigen würde, eine Verminderung der Durchschnittssteuerbelastung, die durch den Abzug von Werbungskosten bedingt ist, von den Wirkungen der Regelbesteuerungsoption auszuschließen, ist für den VfGH aber nicht erkennbar.

Dem trägt auch die mit dem SteuerreformG 2015/2016 (BGBl I 118/2015) getroffene Regelung Rechnung, mit der das Abzugsverbot für den Fall der Ausübung der Regelbesteuerungsoption für Besteuerungszeiträume ab 2016 beseitigt worden ist.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 24764 vom 09.01.2018