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VfGH: Sozialversicherungsreform tlw verfassungswidrig

Bearbeiter: Bettina Sabara

B-VG: § 140

1.Der VfGH bestätigt ua die im Rahmen der Sozialversicherungs-Organisationsreform (BGBl I 2018/100, Rechtsnews 26585) erlassenen Bestimmungen über die Fusion der Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse als verfassungskonform. Auch die paritätische Zusammensetzung der Organe der Österreichischen Gesundheitskasse, der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt und der Pensionsversicherungsanstalt aus Vertretern der Dienstnehmer und der Dienstgeber sowie die Auflösung der Betriebskrankenkassen sind verfassungskonform.
2.Verfassungswidrig sind hingegen ua die Bestimmungen über die Übertragung der Sozialversicherungsprüfung an die Abgabenbehörden des Bundes sowie die Bestimmungen über den Eignungstest für die in die Organe der Sozialversicherungsträger zu entsendenden Vertreter der Dienstnehmer und der Dienstgeber. Für die Übertragung der Sozialversicherungsprüfung an die Abgabenbehörden des Bundes wird eine Reparaturfrist bis 1. 7. 2020 gesetzt.

VfGH 13. 12. 2019, G 67/2019 ua

Entscheidung

Gegen die im Dezember 2018 verabschiedete Organisationsreform der österreichischen Sozialversicherung waren beim VfGH insgesamt 14 Anträge auf Gesetzesprüfung eingebracht worden.

Die Anträge hatten sich vor allem gegen die Vereinigung der Gebietskrankenkassen und der Betriebskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse, die Neugestaltung der Verwaltungskörper der SV-Träger, die Einführung eines Eignungstests für die Mitglieder dieser Verwaltungskörper, die Neuregelung der staatlichen Aufsicht über die SV-Träger sowie die Übertragung der Sozialversicherungsprüfung an die Abgabenbehörden des Bundes gerichtet. Die Antragsteller hatten in diesen Neuregelungen insbesondere einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Selbstverwaltung gesehen.

Keine Verfassungswidrigkeit

Folgende Bestimmmungen sind nun nach Ansicht des VfGH nicht verfassungswidrig:

-die Bestimmungen über die Vereinigung der Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse;
-die Bestimmungen über die paritätische Zusammensetzung der Organe der Österreichischen Gesundheitskasse, der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt sowie der Pensionsversicherungsanstalt aus Vertretern der Dienstnehmer und der Dienstgeber;
-die Auflösung der Betriebskrankenkassen;
-die Bestimmungen über die Abgeltung der Aufwendungen für arbeitslose Versicherte, die während ihres Dienstverhältnisses bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter versichert waren;
-die Übertragung von Abteilungen und die Zuweisung von Bediensteten des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger an die Österreichische Gesundheitskasse;
-die Bestimmung, wonach sich die staatliche Aufsicht bei den Sozialversicherungsträgern auch auf die Zweckmäßigkeit der Verwaltungsführung erstreckt;
-die Bestimmung, wonach der Verwaltungsrat des Sozialversicherungsträgers bestimmte Geschäfte tunlichst an das Büro des Versicherungsträgers zu übertragen hat;
-der Entfall der Kontrollversammlungen bei den Sozialversicherungsträgern;
-die Bestimmungen über die Zusammensetzung der Konferenz der Sozialversicherungsträger bei deren Dachverband.

Verfassungswidrige Bestimmungen

Folgende Bestimmungen werden als verfassungswidrig aufgehoben:

-die Bestimmungen über den Eignungstest für die in die Organe der Sozialversicherungsträger zu entsendenden Vertreter der Dienstnehmer und der Dienstgeber;
-die Bestimmungen über die staatliche Aufsicht, soweit sich diese auch auf Beschlüsse bezieht, deren finanzielle Auswirkungen ein Ausmaß von 10 Millionen Euro innerhalb eines Kalenderjahres oder innerhalb von fünf Kalenderjahren übersteigt;
-die Übertragung der Sozialversicherungsprüfung an die Abgabenbehörden des Bundes;
-die Bestimmung, wonach die Aufsichtsbehörde die Beschlussfassung von Sozialversicherungsorganen zu bestimmten Tagesordnungspunkten vertagen lassen kann;
-die Bestimmung, wonach die Hauptversammlung und der Verwaltungsrat der Sozialversicherungsträger bei Erlassung ihrer Geschäftsordnung an die vom zuständigen Bundesminister erlassene Mustergeschäftsordnung gebunden sind;
-die Bestimmung, wonach das Zielsteuerungssystem der Sozialversicherungsträger dem Weisungsrecht des zuständigen Bundesministers unterliegt;
-die Bestimmung, wonach der zuständige Bundesminister bestimmte Vorbereitungsaufgaben des Dachverbandes auf einen oder mehrere Versicherungsträger übertragen kann;
-die Bestimmung, wonach der Vorsitzende des Überleitungsausschusses bestimmte Angelegenheiten dem zuständigen Bundesminister zur Entscheidung vorlegen kann, wenn ein Beschluss des Überleitungsausschusses nicht zustande kommt;
-die Bestimmung, wonach der Vorsitzende des Überleitungsausschusses der Gruppe der Dienstgeber anzugehören hat;
-die Bestimmung, wonach die Entsendung der Vertreter der Dienstnehmer in die Organe der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau von der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz vorzunehmen ist.

Hinweis:

Die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses wird den Verfahrensparteien in den kommenden Tagen zugestellt und gleichzeitig auf der Website des VfGH www.vfgh.gv.at veröffentlicht werden.

Derzeit ist auf der Homepage des VfGH eine Presseinformation abrufbar, die in zusammengefasster Form die Begründung des Erkenntnisses wiedergibt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 28420 vom 13.12.2019