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VfGH: Verstöße gegen das GSpG – Behördenzuständigkeit

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

B-VG: Art 7, Art 18, Art 83, Art 91, Art 130

EMRK Art 7

GSpG § 52

StGG Art 2

7. ZPMRK: Art 4

1. Wurde durch eine Tat sowohl der Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach § 52 GSpG als auch der Tatbestand des § 168 StGB verwirklicht, ist gem § 52 Abs 3 GSpG nur nach den Verwaltungsstrafbestimmungen des § 52 GSpG zu bestrafen. Diese Bestimmung verstößt nicht gegen Art 18 iVm Art 82 Abs 2 B-VG (Bestimmheitsgebot – präzise Regelung der Behördenzuständigkeit); ebensowenig liegt ein Verstoß gegen Art 7 EMRK iVm Art 18 B-VG vor, ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung gem Art 4 Abs 1 des 7. ZPMRK oder gegen den Gleichheitsgrundsatz.

Unterhalb der Schöffengerichtsbarkeit hat der Gesetzgeber einen relativ weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum, den er hier mit der Strafdrohung in § 52 GSpG auch nicht überschritten hat. In Hinblick auf diese verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Strafbemessung der verpönten Handlungen bestand für den Gesetzgeber keine Verpflichtung, die Verfolgung und Ahndung dieser Straftaten der Strafgerichtsbarkeit zuzuweisen. Die angefochtenen Bestimmungen des GSpG idF BGBl I 2014/13 verstoßen somit auch nicht gegen Art 91 B-VG oder Art 83 Abs 2 B-VG.

Art 130 Abs 5 B-VG normiert keinen Vorrang der ordentlichen Gerichtsbarkeit vor der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte (und damit der Verwaltungsbehörden) und legt auch nicht fest, welche Angelegenheiten der Gerichtsbarkeit oder der Verwaltung vorbehalten sind. Die angefochtene Bestimmung des § 52 Abs 3 GSpG verstößt somit auch nicht gegen Art 130 Abs 5 B-VG.

2. Die in § 52 Abs 2 GSpG festgelegten Mindeststrafhöhen verstoßen nicht gegen den Gleichheitssatz.

VfGH 10. 3. 2015, G 203/2014 ua

Entscheidung

Der nahezu 81 Seiten langen Entscheidung des VfGH liegen Anträge der Landesverwaltungsgerichte Burgenland und Tirol zugrunde. In den Verfahren G 203/2014, G 256/2014, G 262/2014, G 1/2015, G 8/2015 und G 27/2015 hat der VfGH den Antrag teilweise zurückgewiesen, im Übrigen wies er die Anträge ab.

Die wichtigsten Punkte der Begründung des VwGH lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

Zu Art 18 iVm Art 83 Abs 2 B-VG:

Aus der Rsp der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zu § 52 GSpG idF der Novelle BGBl I 2010/54 (vgl zB VfGH 13. 6. 2013, B 422/2013, LN Rechtsnews 15653 vom 12. 8. 2013, oder VwGH 23. 7. 2013, 2012/17/0249, LN Rechtsnews 15941 vom 3. 10. 2013) kann nichts für die Interpretation des § 52 GSpG idF BGBl I 2014/13 gewonnen werden. Der Gesetzgeber hat nämlich mit der Novellierung der Verwaltungsstrafbestimmung des § 52 GSpG durch BGBl I 2014/13 das Konzept einer ziffernmäßigen betragsmäßigen Trennung der Zuständigkeit der Strafgerichte einerseits und der Verwaltungsstrafbehörden andererseits aufgegeben und das – bei einer Scheinkonkurrenz von gerichtlichem Strafrecht und Verwaltungsstrafrecht häufig verwendete – Konzept der (ausdrücklichen oder formellen) Subsidiarität der einen gegenüber der anderen Strafbestimmung verwirklicht. Die Besonderheit besteht hier (lediglich) darin, dass der Gesetzgeber in § 52 Abs 3 GSpG idF BGBl I 2014/13 nicht den Vorrang der gerichtlichen Strafbestimmung, sondern der Verwaltungsstrafbestimmung vorsieht. Der Straftatbestand des § 168 StGB ist demgemäß nur dann anwendbar, wenn die Handlung nicht schon nach § 52 Abs 1 GSpG idF BGBl I 2014/13 mit Strafe bedroht ist.

Art 18 iVm Art 83 Abs 2 B-VG verpflichtet den Gesetzgeber zu einer – strengen Prüfungsmaßstäben standhaltenden – präzisen Regelung der Behördenzuständigkeit. Diesem Bestimmtheitsgebot entsprechend hat der Gesetzgeber mit der Subsidiaritätsregelung des § 52 Abs 3 GSpG idF BGBl I 2014/13 zunächst festgelegt, dass § 168 StGB gegenüber den Verwaltungsstraftatbeständen des § 52 Abs 1 GSpG subsidiär anzuwenden ist. Des Weiteren hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, unter welchen Voraussetzungen eine Tat wegen der Erfüllung des Verwaltungsstraftatbestands gem § 52 GSpG idF BGBl I 2014/13 zu verfolgen ist und damit auch wer zur Verfolgung solcher Verwaltungsübertretungen zuständig ist.

Der Gesetzgeber hat somit mit der Umschreibung des Verwaltungsstraftatbestands des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG das verpönte Verhalten in einer dem Bestimmtheitsgebot des Art 18 B-VG entsprechenden Weise festgelegt und aus dieser Umschreibung ergibt sich auch die präzise Regelung der Behördenzuständigkeit.

Die vom Landesverwaltungsgericht Burgenland aufgeworfene Frage, ob dann überhaupt noch ein Anwendungsbereich für den Straftatbestand des § 168 StGB bleibt, ist letztlich von den Strafgerichten zu entscheiden. Selbst wenn aufgrund der Subsidiaritätsregel des § 52 Abs 3 GSpG für § 168 StGB kein Anwendungsbereich mehr bleiben sollte, führte dies nicht dazu, dass § 52 Abs 3 GSpG gegen Art 18 iVm Art 83 Abs 2 B-VG verstößt.

Zu Art 4 Abs 1 des 7. ZPMRK:

Der VfGH stimmt der Bundesregierung darin zu, dass der Gesetzgeber es durch die Subsidiaritätsklausel des § 52 Abs 3 GSpG idF BGBl I 2014/13 von vornherein ausschließt, wegen ein und derselben Handlung sowohl wegen der Begehung einer Verwaltungsübertretung gem § 52 GSpG als auch wegen eines Strafdelikts gem § 168 StGB bestraft (und damit auch verfolgt) zu werden. Die ausdrückliche Subsidiaritätsregelung des § 52 Abs 3 GSpG sieht nämlich gerade vor, dass eine Bestrafung eines Verhaltens nach beiden Straftatbeständen nicht stattfinden darf.

Da somit § 52 Abs 3 GSpG idF BGBl I 2014/13 nicht gegen das Verbot der Doppelbestrafung gem Art 4 Abs 1 des 7. ZPMRK verstößt, erweist sich dieses Bedenken des Landesverwaltungsgerichts Burgenland von vornherein als unbegründet.

Zu Art 91 B-VG:

In den in Art 91 Abs 2 B-VG (Geschworenengerichtsbarkeit) und Art 91 Abs 3 B-VG (Schöffengerichtsbarkeit) enthaltenen Strafsachen ist die Entscheidung den Strafgerichten vorbehalten. Der VfGH leitet aber in seiner Rsp (beginnend mit VfSlg 12.282/1990) aus Art 91 B-VG nicht ab, dass der Gesetzgeber unterhalb der Schöffengerichtsbarkeit gehalten ist, die Ahndung bestimmter verpönter Taten als solcher, dh gleichsam „ihrem Wesen nach“ der Vollziehung durch die Strafgerichte zuzuweisen. Der VfGH hat dabei auch festgehalten, dass der einfache Gesetzgeber unterhalb der Geschworenen- und Schöffengerichtsbarkeit „im Rahmen des Art 91 B-VG eine verhältnismäßig weite rechtspolitische Gestaltungsfreiheit (auch) in der Richtung hat, welchem Vollzugsbereich er die Ahndung einer bestimmten strafbaren Handlung zuweist“.

Der VfGH kann im konkreten Fall nicht erkennen, dass der Gesetzgeber mit der Strafdrohung in § 52 GSpG idF BGBl I 2014/13 den ihm zustehenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraum überschritten hat. In Hinblick auf diese verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Strafbemessung der verpönten Handlungen besteht für den Gesetzgeber keine Verpflichtung, die Verfolgung und Ahndung dieser Straftaten der Strafgerichtsbarkeit zuzuweisen.

Die (zulässigerweise) angefochtenen Bestimmungen des GSpG idF BGBl I 2014/13 verstoßen somit nicht gegen Art 91 B-VG.

Zu Art 2 StGG und Art 7 B-VG:

Es liegt innerhalb des rechtspolitischen Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers, für Verstöße gegen das Glücksspielrecht (vorrangig) verwaltungsstrafrechtliche Sanktionen vorzusehen.

Soweit das weitere Bedenken geäußert wird, ein „Spieler“ wäre nach § 168 StGB strafbar, ein Unternehmer, der selbstständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus der Durchführung von Glücksspielen ausübe, jedoch „nur“ verwaltungsstrafrechtlich nach dem GSpG, geht dies an den angefochtenen gesetzlichen Regelungen vorbei. Diese Bedenken richten sich nämlich der Sache nach nicht gegen die Subsidiaritätsklausel des § 52 Abs 3 GSpG, sondern gegen § 168 StGB. Eine allfällige Verfassungswidrigkeit des § 168 StGB würde die Verfassungsmäßigkeit des § 52 Abs 3 GSpG jedoch nicht berühren, weshalb auf dieses Bedenken nicht einzugehen ist.

Die angefochtenen Bestimmungen des GSpG widersprechen somit auch aus den geltend gemachten Gründen nicht dem Gleichheitssatz.

Mindeststrafhöhe in § 52 Abs 2 GSpG:

Gegen die Mindeststrafdrohungen in § 52 Abs 2 GSpG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken:

Der Gesetzgeber hat in § 52 Abs 2 GSpG lediglich die Strafdrohung für Übertretungen des § 52 Abs 1 Z 1 GSpG geregelt und in klar überprüfbarer Weise die Strafhöhe in Form einer Mindest- und Höchststrafe für bestimmte Tatbestände festgelegt, welche bei näher geregelten Qualifikationen der jeweiligen Straftat mit einem erhöhten Strafrahmen versehen ist.

Der VfGH kann nicht erkennen, dass zwischen den Mindeststrafdrohungen in § 52 Abs 2 GSpG und dem Unrechtsgehalt der Tat und ihren wirtschaftlichen Folgen ein Missverhältnis bestünde und die Mindeststrafdrohungen daher unsachlich wären. Durch die Mindeststrafdrohungen kann das erklärte Ziel des Gesetzgebers, verbotene Ausspielungen iSd § 2 Abs 4 GSpG zu verhindern, effizienter erreicht werden als ohne diese Mindeststrafdrohungen (vgl VfSlg 18.775/2009).

Entgegen der Auffassung des Landesverwaltungsgerichts Tirol ist die Bestimmung des § 52 Abs 2 GSpG nicht mit den Bestimmungen des AWG vergleichbar, die der VfGH mit dem Erkenntnis VfSlg 15.785/2000 wegen Gleichheitswidrigkeit aufgehoben hat (vgl aber auch VfGH 20. 9. 2012, G 37/12 ua). Im Unterschied zu den als verfassungswidrig aufgehobenen Bestimmungen des AWG erfasst § 52 Abs 2 GSpG nämlich nicht völlig unterschiedliche Straftatbestände.

Die in § 52 Abs 2 GSpG festgelegten Mindeststrafhöhen verstoßen somit nicht gegen den Gleichheitssatz.

Zu Art 83 Abs 2 B-VG:

Entgegen der Auffassung des Landesverwaltungsgerichts Tirol legt Art 83 Abs 2 B-VG nicht fest, dass bestimmte Angelegenheiten von ordentlichen (Straf-)Gerichten oder Verwaltungsbehörden zu besorgen sind. Zudem sind die aus der Zuordnung einer Angelegenheit zum gerichtlichen Strafrecht oder zum Verwaltungsstrafrecht erfließenden unterschiedlichen Rechtsfolgen (zB Möglichkeiten der Strafbemessung oder Strafmilderung) nicht an Art 83 Abs 2 B-VG zu messen.

Die geltend gemachte Verletzung des Art 83 Abs 2 B-VG liegt somit nicht vor.

Zu Art 130 Abs 5 B-VG:

Abgesehen davon, dass das Landesverwaltungsgericht Tirol den Wortlaut des Art 130 Abs 5 B-VG unrichtig wiedergibt, normiert Art 130 Abs 5 B-VG keinen Vorrang der ordentlichen Gerichtsbarkeit vor der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte (und damit der Verwaltungsbehörden) oder eine „Bestandsgarantie“. Art 130 Abs 5 B-VG normiert (vielmehr) die Abgrenzung der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte von anderen Behörden und legt nicht fest, welche Angelegenheiten der Gerichtsbarkeit oder der Verwaltung vorbehalten sind.

Die angefochtene Bestimmung des § 52 Abs 3 GSpG verstößt somit nicht gegen Art 130 Abs 5 B-VG.

Hinweis:

Der Volltext der Entscheidung ist derzeit auf der Homepage des VfGH (www.vfgh.gv.at) unter „Aktuelle Informationen“ abrufbar.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19200 vom 26.03.2015