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VfGH: Zeitpunkt der Erlassung eines VwG-Erkenntnisses

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

VfGG idF BGBl I 2013/33: § 82

VwGVG § 29

Im Prüfungsbeschluss schienen dem VfGH die Bestimmungen des § 29 VwGVG und des § 82 Abs 1 zweiter Satz VfGG sowohl für sich als auch in ihrem Zusammenhang dem Anspruch auf eindeutige gesetzliche Determinierung nicht gerecht zu werden; es schien ihm nicht möglich, jenen Zeitpunkt eindeutig zu bestimmen, mit dem das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts nach dem Willen des Gesetzgebers als rechtsverbindlich erlassen zu gelten hat und ab wann es daher Gegenstand einer Beschwerde vor dem VfGH sein kann.

Der VfGH bleibt bei seiner Ansicht, dass der zweite Satz des § 82 Abs 1 VfGG, BGBl 1953/85 idF BGBl I 2013/33, in seinem Zusammenwirken mit § 29 VwGVG, BGBl I 2013/33, den strengen Anforderungen nicht entsprochen hat, die aus dem Legalitätsprinzip des Art 18 Abs 1 iVm Art 83 Abs 2 B-VG erfließen und an die Klarheit und Verständlichkeit von Regelungen anzulegen sind, die Zuständigkeitsfestlegungen oder vergleichbar zentrale Fragen der Verwaltungsgerichtsbarkeit zum Inhalt haben. Der VfGH hat daher ausgesprochen, dass § 82 Abs 1 zweiter Satz VfGG, BGBl 1953/85 idF BGBl I 2013/33, verfassungswidrig war.

Hingegen sind die Bedenken des VfGH ob der hinreichenden Determinierung des § 29 VwGVG, BGBl I 2013/33, zerstreut.

VfGH 11. 3. 2015, G 199-200/2014

Zum Prüfungsbeschluss VfGH 8. 10. 2014, E 163/2014, siehe LN Rechtsnews 18268 vom 23. 10. 2014.

Entscheidung

Neufassung des § 82 VfGG

In seiner Begründung wies der VfGH auch darauf hin, dass der Gesetzgeber mittlerweile mit der Novelle BGBl I 2014/92 jenen zweiten Satz des § 82 Abs 1 VfGG einer neuerlichen Änderung unterzogen hat. Mit dieser Änderung wurde die Sonderregel hinsichtlich des Fristenlaufes von nur mündlich verkündeten Erkenntnissen wieder aus dem Rechtsbestand entfernt. Die Mat enthalten zwar keinen Hinweis auf die Beweggründe des Gesetzgebers, die bereinigte Rechtslage weist nach Ansicht des VfGH angesichts des Wortlautes des § 29 VwGVG nun aber nicht mehr jene Unklarheit auf, die den VfGH zur Prüfung der vorangehenden Fassung veranlasst hat.

In Prüfung gezogen wurde der zweite Satz des § 82 Abs 1 VfGG (betreffend die 6-wöchige Beschwerdefrist gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts) in folgender Fassung: „Sie beginnt, wenn das Erkenntnis dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn jedoch das Erkenntnis dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung.“

Dieser zweite Satz wurde mit BGBl I 2014/92 durch folgenden Satz ersetzt: „Sie beginnt mit dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses.“

Keine Bedenken gegen § 29 VwGVG

§ 29 Abs 1 VwGVG lautet: „Die Erkenntnisse sind im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen. Sie sind zu begründen.“

Der VwGH hat mittlerweile mit näherer Begründung entschieden, dass § 29 VwGVG ebenso zu verstehen ist wie die für die UVS geltende Vorgängerbestimmung des § 67g AVG; er hegt auch keine Zweifel, dass eine ordentliche Revision gegen einen zunächst nur mündlich verkündeten Bescheid zulässig ist (VwGH 15. 12. 2014, Ro 2014/04/0068).

Angesichts dessen sieht der VfGH seine Bedenken ob der hinreichenden Determinierung des § 29 VwGVG zerstreut: „Liest man nämlich den ersten Satz dieser Bestimmung [Anm: „Die Erkenntnisse sind im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen.“] in dem Sinne, dass damit nicht der Begriff der 'Erlassung' einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung umschrieben werden sollte, sondern dass diese Bestimmung - analog zu Art 82 Abs 2 B-VG - lediglich eine Formvorschrift darstellt, wonach die Erlassung eines Erkenntnisses sowohl mündlich als auch schriftlich 'Im Namen der Republik' vorzunehmen ist, dann liegt die vom VwGH vorgenommene Interpretation des § 29 VwGVG analog zum früheren § 67g AVG nahe. Damit sind die Bedenken ausgeräumt.“

Im Ergebnis hat sich daher nur der in Prüfung gezogene Satz in § 82 Abs 1 VfGG idF BGBl I 2013/33 als Sitz der Verfassungswidrigkeit erwiesen.

Hinweis:

Die Kundmachung des Ausspruchs der Verfassungswidrigkeit des § 82 Abs 1 zweiter Satz VfGG idF BGBl I 2013/33 erfolgte in BGBl I 2015/43.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19358 vom 22.04.2015