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Vorliegen eines Insolvenzindikators

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

IO § 31

Eine Zahlungswidmung (hier: Widmung einer Zahlung an die GKK primär auf Dienstnehmeranteile), die im Ergebnis ohnehin den gesetzlichen Vorgaben (und jener der höchstgerichtlichen Judikatur) entspricht, stellt keine Auffälligkeit dar und kann deshalb auch nicht als Insolvenzindikator eingestuft werden und verpflichtet den Empfänger der Zahlung daher nicht zu Nachforschungen (hier: Deckungsanfechtung gem § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall IO).

OGH 18. 3. 2015, 3 Ob 181/14k

Entscheidung

Im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Nachforschungspflicht der bekl GKK bestanden hat, hat der OGH iZm mit Insolvenzidentikatoren weiters ua ausgesprochen:

-Das vorliegende Schreiben (vom 27. 1. 2012) stellt die Bekanntgabe einer Zahlungsstockung im Wesentlichen für etwa zwei Monate dar, die zwar nicht bescheinigt wurde, aber schon wegen ihrer nicht unplausiblen Begründung (verzögerte Eingänge, Beginn der Saison erst im März) iVm der bisherigen Unauffälligkeit der Schuldnerin gegenüber der Bekl (keine Exekutionsmaßnahmen bis dahin; Kenntnis von einer anderen Exekution nicht erwiesen) als unverdächtig qualifiziert werden konnte. Abgesehen davon bestand damals - nach dem dazu unstrittigen Sachverhalt - noch gar keine materielle Insolvenz. Dennoch darf diese Erklärung der Schuldnerin im Rahmen einer Gesamtwürdigung nicht außer Betracht bleiben.
-Die vom Kl behauptete (negative)Insolvenzvorgeschichte der Geschäftsführung der Schuldnerin“ (zwei Insolvenzverfahren gegen Kapitalgesellschaften in den Jahren 2010 und 2011) stellt kein tragfähiges Indiz auf die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin dar, weil darin ein unzulässiger Pauschalverdacht zu erblicken wäre, der jeden Bezug zu den tatsächlichen Gegebenheiten iZm der hier zu beurteilenden Schuldnerin vermissen lässt.
-Einen weiteren Insolvenzindikator erblickt der Kl in einer Ratenvereinbarung (vom 1. 3. 2012), wonach der noch ausstehende Beitrag für Dezember 2011 in betraglich nicht fixierten, in „etwa gleich großen“ monatlichen Raten - neben den laufenden Beitragszahlungen - bis 15. 7. 2012 bezahlt werden sollte und die bekl GKK einstweilen auf eine Exekution verzichtet. Der Kl beruft sich diesbezüglich auf 3 Ob 99/10w (= LN Rechtsnews 10974 vom 26. 4. 2011 = RdW 2011/430), worin zur Unterscheidung zwischen Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsstockung ausgeführt wurde, dass der Nachweis der Zahlungsstockung nur gelinge, wenn eine ex ante-Prüfung eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Begleichung der Schulden in einer „kurzen Frist“ ergebe, die im Durchschnittsfall 3 Monate nicht übersteigen dürfe.
Dazu hält der OGH fest, dass es bei der Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit grds nur auf die fälligen Forderungen ankommt (3 Ob 99/10w mwN). Im vorliegenden Fall ändere der bedingte Exekutionsverzicht der bekl GKK die Fälligkeit der Beiträge zwar nicht, sei aber wirtschaftlich einer solchen Stundung gleichwertig. Auch wenn daher der Abschluss der - bei lebensnaher Betrachtung zweifellos auf Ersuchen der Schuldnerin zustande gekommenen - Ratenvereinbarung deren Liquiditätsprobleme belege, stelle aber gleichzeitig eine innerhalb der Dreimonatsfrist ab Fälligkeit des Beitrags für Dezember 2011 (am 16. 1. 2012) getroffene Maßnahme dar, die zur Behebung der Liquiditätsschwäche beitrug/beitragen konnte. Deshalb sei im Abschluss der Ratenvereinbarung per se kein - für sich allein tragender - Insolvenzindikator zu erblicken. Andernfalls wäre es ausgeschlossen, mit Hilfe von Stundungsvereinbarungen für eine Frist von mehr als 3 Monaten ab Fälligkeit, Liquiditätsschwächen zu beheben und so den Eintritt von Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden.

Im Gesamtergebnis war der GKK jedoch eine Verletzung der Nachforschungspflicht anzulasten, weil die Bekl letztlich ab Anfang April 2012 in fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin war. Das Leistungsbegehren des Kl für die angefochtenen Zahlungen im April, Mai und Juni 2012 erwies sich daher als berechtigt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 19885 vom 16.07.2015