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Wesentliche Gehaltserhöhung kurz vor DV-Ende - keine steuerliche Begünstigung der vollen Abfertigung

Bearbeiter: Birgit Bleyer

EStG: § 67 Abs 3, § 82

AngG § 23 Abs 1

Wird das monatliche Entgelt eines Dienstnehmers wenige Monate vor Beendigung des Dienstverhältnisses wesentlich erhöht, ohne dass dies durch Zusatzaufgaben des Dienstnehmers gerechtfertigt wäre, so führt dies nicht dazu, dass die - auf Basis dieser erhöhten Bezüge gemäß § 23 Abs 1 AngG gewährte - Abfertigung im vollen Umfang gemäß § 67 Abs 3 EStG begünstigt zu versteuern wäre.

VwGH 27. 4. 2017, Ra 2015/15/0037 -> zu BFG RV/5100818/2012, ARD 6455/13/2015 (Aufhebung)

Sachverhalt

Ein Dienstgeber traf mit einzelnen Dienstnehmern schriftliche Vereinbarungen über die Beendigung der Dienstverhältnisse. In diesen Vereinbarungen, die durchwegs mehrere Monate (durchschnittlich 6 Monate) vor Auflösung der Dienstverhältnisse geschlossen wurden, wurden ua auch wesentliche Erhöhungen der laufenden Bezüge dieser Dienstnehmer beschlossen, in den revisionsgegenständlichen vier Fällen wie folgt:

-von € 10.043,91 auf € 19.473,20 brutto monatlich;
-von € 10.165,77 auf € 22.911,80;
-von € 14.743,40 auf € 38.005,13 sowie
-von € 10.531,04 auf € 21.829,56.

Dieser erhöhte Bezug wurde vom Dienstgeber der Berechnung der Abfertigungsansprüche zugrunde gelegt.

Im Rahmen einer durchgeführten Außenprüfung betreffend Lohnabgaben für den Zeitraum 2006 bis 2009 berechnete die Prüferin den begünstigt zu versteuernden Teil der Abfertigungen unter Außerachtlassung der Gehaltserhöhungen neu und gelangte dadurch zu Lohnsteuernachforderungen. Das Finanzamt folgte diesen (und weiteren) Feststellungen der Prüferin und nahm den Dienstgeber mit Haftungsbescheiden gemäß § 82 EStG für Lohnsteuern iHv € 164.784,09 (2006), € 214.017,57 (2008) und € 160.518,33 (2009) in Anspruch.

Gegen diese Haftungsbescheide erhob der Dienstgeber Beschwerde, in der er die vorgenommene Neuberechnung von Abfertigungen in vier Fällen bekämpfte und die Besteuerung gemäß § 67 Abs 3 EStG mit dem begünstigen Steuersatz von 6 % beantragte. Begründend führte er aus, die Erhöhung der monatlichen Entgelte sei ausschließlich aus betrieblichen Gründen erfolgt und wirtschaftlich geboten gewesen. Dazu verwies er insbesondere auf die Bereitschaft der betroffenen Dienstnehmer zum Verbleib im Unternehmen für einige Monate nach der vereinbarten Auflösung des Dienstverhältnisses und zur reibungslosen Einschulung von Nachfolgern. Wäre es die Absicht gewesen, lediglich die Bemessungsgrundlage für die gesetzliche Abfertigung zu erhöhen, hätte nach dem Aktualitätsprinzip auch eine einmalige Erhöhung im letzten Monat des Dienstverhältnisses ausgereicht.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BFG der Beschwerde Folge. Die Höhe der Abfertigung bemesse sich nach § 23 Abs 1 AngG nach dem für den letzten Monat gebührenden Entgelt. Von einem Missbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten iSd § 22 Abs 1 BAO könne hier keine Rede sein. Während das Finanzamt im Vorlagebericht lediglich die - durch keine konkreten Feststellungen gestützte - Vermutung geäußert habe, dass „möglicherweise andere Leistungen - wie Abgeltung von zurückliegenden Diensten in Vorjahren, die Vereinbarung des Wettbewerbsverbotes nach Beendigung der Tätigkeit im Unternehmen oder sonstige Abfindungszahlungen anlässlich Beendigung des Dienstverhältnisses - mit diesen erhöhten Lohnzahlungen abgegolten werden sollten“, habe der Dienstgeber in der Beschwerde schlüssig und nachvollziehbar für jeden einzelnen Dienstnehmer begründet, warum es zu den Gehaltserhöhungen gekommen sei. An der Richtigkeit dieses Vorbringens bestehe für das BFG kein begründeter Zweifel. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass in anderen Fallkonstellationen - nämlich bei bereits dienstfrei gestellten Dienstnehmern - die Besteuerung der Abfertigungen nach Tarif nicht bekämpft worden sei. Die im Haftungsweg gemäß § 82 EStG erfolgten Nachforderungen an Lohnsteuer seien daher zu reduzieren.

Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die außerordentliche Revision des Finanzamts, die der VwGH für zulässig und begründet erachtet:

Keine Abfertigung „aufgrund gesetzlicher Vorschriften“

Voraussetzung der Anwendung der Begünstigungsvorschrift des § 67 Abs 3 EStG ist das Vorliegen einer „Abfertigung“. Nach der Bestimmung ist darunter „die einmalige Entschädigung durch den Arbeitgeber zu verstehen, die an einen Arbeitnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses aufgrund gesetzlicher Vorschriften, Dienstordnungen von Gebietskörperschaften, aufsichtsbehördlich genehmigter Dienst-(Besoldungs)ordnungen der Körperschaften des öffentlichen Rechts, eines Kollektivvertrages oder der für Bedienstete des Österreichischen Gewerkschaftsbundes geltenden Arbeitsordnung zu leisten ist“.

Mit der Wortfolge „Entschädigung durch den Arbeitgeber..., die an einen Arbeitnehmer bei Auflösung des Dienstverhältnisses auf Grund gesetzlicher Vorschriften ... zu leisten ist“ wird grundsätzlich auch für steuerliche Zwecke an die zivilgerichtlichen Vorschriften angeknüpft. Allerdings findet diese Anknüpfung dort ihre Grenzen, wo die Regelungen des Zivilrechts und der dazu ergangenen zivilgerichtlichen Rechtsprechung, die den Schutz der Dienstnehmer vor Augen haben und kurzfristige Entgeltsänderungen vor Auflösung des Dienstverhältnisses daher vor diesem rechtlichen Hintergrund prüfen, einen weitergehenden Normzweck als § 67 Abs 3 EStG verfolgen.

Von einer „aufgrund gesetzlicher Vorschriften“ zu leistenden einmaligen Entschädigung durch den Arbeitgeber bei Auflösung des Dienstverhältnisses iSd § 67 Abs 3 EStG kann nämlich nicht mehr gesprochen werden, wenn an Stelle einer über die gesetzliche Abfertigung hinaus gehenden einmaligen Entschädigung durch den Arbeitgeber bei Auflösung des Dienstverhältnisses wenige Monate vor dieser Auflösung - ohne erkennbare Rechtfertigung in einem veränderten vertraglichen Arbeitsumfang oder in einem unangemessenen Ausmaß zu solchen Veränderungen - das monatliche Entgelt wesentlich erhöht wird.

Die solcherart erhöhten Abfertigungsansprüche ergeben sich nicht aus der unveränderten Fortführung des mehrjährigen Dienstverhältnisses und daraus resultierenden gesetzlichen Ansprüchen, sondern aus einer anlässlich der Auflösung des Dienstverhältnisses kurzfristig eingeräumten Erhöhung.

Damit liegt aber ungeachtet eines Durchschlagens der Erhöhung auf § 23 AngG insoweit keine Abfertigung „aufgrund gesetzlicher Vorschriften“ iSd § 67 Abs 3 EStG vor.

Rechtfertigung durch Zusatzaufgaben?

Indem das BFG davon ausgegangen ist, dass das arbeitsrechtliche Aktualitätsprinzip uneingeschränkt für die Abgrenzung von § 67 Abs 3 EStG zum Tragen kommt, hat es die Rechtslage verkannt und deshalb notwendige Feststellungen unterlassen.

Im Revisionsfall sind zum einen die massiven Erhöhungen des monatlichen Bruttogehalts in den revisionsgegenständlichen vier Fällen hervorzuheben (von € 10.043,91 auf € 19.473,20; von € 10.165,77 auf € 22.911,80; von € 14.743,40 auf € 38.005,13 sowie von € 10.531,04 auf € 21.829,56).

Zum anderen deuten die vom Finanzamt festgestellten und nachversteuerten (und vom Dienstgeber nicht weiter bekämpften) außerordentlichen Gehaltserhöhungen für mit der Auflösungsvereinbarung bereits dienstfrei gestellte Mitarbeiter auf eine Unternehmenspraxis hin, die solche Gehaltserhöhungen im Zuge der Auflösung von Dienstverhältnissen offenbar systematisch und ohne Bezug zu für das Unternehmen konkret erbrachten Zusatzleistungen gewährt hat.

Das BFG wird daher vor diesem Hintergrund zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß die in den revisionsgegenständlichen Fällen vorgebrachten Zusatzaufgaben der Dienstnehmer eine Erhöhung ihrer Bezüge gerechtfertigt haben. Dabei widerspricht es der Lebenserfahrung, dass allein die Einschulung von Nachfolgern mit beträchtlichen Lohnsteigerungen gesondert abgegolten wird.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 23704 vom 12.06.2017