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Wiedereingliederungsteilzeit - BGBl

Bearbeiter: Bettina Sabara

Bundesgesetz, mit dem das ASVG, das B-KUVG, das AlVG 1977, das Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz, das AVRAG, das AZG, das BMSVG, das LSD-BG und das EStG 1988 geändert werden (Wiedereingliederungsteilzeitgesetz)

BGBl I 2017/30, ausgegeben am 18. 1. 2017

1. Überblick

Um eine bessere Wiedereingliederung von Menschen zu fördern, die für längere Zeit physisch oder psychisch erkrankt sind, wird ein arbeits- und sozialversicherungsrechtliches Modell geschaffen, das es diesen Menschen ermöglicht, schrittweise in den Arbeitsprozess zurückzukehren.

Nach mindestens sechswöchigem ununterbrochenem Krankenstand können unter Einbindung von fit2work Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Wiedereingliederungsteilzeit für die Dauer von bis zu sechs Monaten vereinbaren, wobei eine einmalige Verlängerung möglich106745

ist, das Gesamtausmaß aber 9 Monate nicht übersteigen darf. Neben dem entsprechend der Arbeitszeitreduktion aliquot zustehenden Entgelt aus der Teilzeitbeschäftigung steht dem Arbeitnehmer ein Wiedereingliederungsgeld (= anteiliges Krankengeld aus Mitteln der Krankenversicherung) zu.

Die Regierungsvorlage 22. 11. 2016, 1362 BlgNR 25.GP, ARD 6526/12/2016, wurde in der Fassung zweier Abänderungsanträge im Ausschuss für Arbeit und Soziales beschlossen. Im Folgenden werden die gesetzlichen Änderungen, die grundsätzlich mit 1. 7. 2017 in Kraft treten und neben der Einführung der Wiedereingliederungstgeilzeit auch noch eine kleine Änderung betreffend die Begleitung schwersterkrankter Kinder beinhalten, nochmals zusammengefasst:

2. Wiedereingliederungsteilzeit

2.1. Voraussetzungen

Die in einem neuen § 13a AVRAG geregelte Wiedereingliederungsteilzeit dient der Erleichterung der Wiedereingliederung von Arbeitnehmern nach langer Krankheit.

Hat das Arbeitsverhältnis vor dem Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit mindestens drei Monate gedauert - wobei allfällige Karenzzeiten sowie alle Zeiten des Krankenstands auf die Mindestbeschäftigungsdauer anzurechnen sind -, so besteht für den Arbeitnehmer nach einem mindestens sechswöchigen Krankenstand für die Dauer von einem Monat bis zu sechs Monaten die Möglichkeit, sich Schritt für Schritt wieder in den Arbeitsprozess einzufügen. Bei Vorliegen der medizinischen Notwendigkeit ist eine einmalige Verlängerung durch schriftliche Vereinbarung zulässig, wobei das Gesamtausmaß der Wiedereingliederungsteilzeit 9 Monate nicht übersteigen darf.

Grundlage der Wiedereingliederungsteilzeit ist eine schriftliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über eine befristete Reduzierung der Arbeitszeit nach erfolgter Beratung der beiden Vertragsparteien durch fit2work. Überdies muss ein Wiedereingliederungsplan gemäß § 1 Abs 2 Arbeit-und-Gesundheit-Gesetz (AGG) vorliegen, der bei der Gestaltung der Wiedereingliederungsteilzeit zu berücksichtigen ist. Der Wiedereingliederungsplan ist im Rahmen der Beratung durch fit2work zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu vereinbaren, eine ausdrückliche Zustimmung von fit2work ist aber nicht erforderlich. In diesem Plan können auch bereits Vorgaben für die Lage der Arbeitszeit (zB keine Nachtarbeit) sowie andere Unterstützungsmaßnahmen (zB hinsichtlich der Arbeitsmittel) vorgesehen werden. Bei der Erstellung des Wiedereingliederungsplans soll der Arbeitsmediziner oder das arbeitsmedizinische Zentrum beigezogen werden. In Betrieben, in denen ein Betriebsrat eingerichtet ist, ist dieser den Verhandlungen über die Ausgestaltung der Wiedereingliederungsteilzeit beizuziehen.

Allfällige Gespräche zwischen den Arbeitsvertragsparteien, Beratungsgespräche mit fit2work und die Erstellung des Wiedereingliederungsplans können bereits während des Krankenstands begonnen werden. Die Vereinbarung über die Herabsetzung der Arbeitszeit bleibt jedoch bis zur Gesundung des Arbeitnehmers und Mitteilung über die Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes schwebend unwirksam. Die Arbeitszeitreduktion kann somit frühestens ab dem auf die Zustellung der Bewilligung der Geldleistung folgenden Tag erfolgen.

Hinweis: Die Ausübung der Wiedereingliederungsteilzeit schafft keinen Sonderstatus zwischen „arbeitsfähig“ und „arbeitsunfähig“. Zum Unterschied zu einem Teilkrankenstand gilt der Arbeitnehmer im Rahmen der Wiedereingliederungsteilzeit als absolut arbeitsfähig. Voraussetzung für den Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit ist daher eine ärztliche Bestätigung über die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers.

Der Verlauf der jeweils monatlich festgelegten Arbeitszeiten muss innerhalb des Wiedereingliederungszeitraumes ansteigen oder gleichbleiben. Der Arbeitnehmer kann eine vorzeitige Rückkehr zur ursprünglichen Normalarbeitszeit schriftlich verlangen, wenn die arbeitsmedizinische Zweckmäßigkeit der Wiedereingliederungsteilzeit nicht mehr gegeben ist. Die Rückkehr kann frühestens drei Wochen nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beendigungswunsches der Wiedereingliederungsteilzeit an den Arbeitgeber erfolgen.

2.2. Rahmen der Arbeitszeitreduktion

Wesentlich ist der für die Vereinbarung zulässige Rahmen der Arbeitszeitreduktion. Die geleistete Arbeitszeit muss - bezogen auf die Gesamtdauer der Wiedereingliederungsteilzeit - 50 % bis 75 % des bisherigen Umfangs betragen. Es ist daher möglich, die Wiedereingliederungsteilzeit zunächst im Ausmaß von weniger als 50 % zu beginnen, wenn die Arbeitszeit während der gesamten Wiedereingliederungsteilzeit im Durchschnitt zwischen 50 % und 75 % beträgt.

Während der Wiedereingliederungsteilzeit darf die vereinbarte wöchentliche Normalarbeitszeit 12 Stunden nicht unterschreiten und muss das dem Arbeitnehmer im Kalendermonat gebührende Entgelt über der Geringfügigkeitsgrenze des ASVG liegen.

In der Vereinbarung kann die wöchentliche Normalarbeitszeit für bestimmte Monate auch abweichend von der oben beschriebenen Bandbreite der Arbeitszeitreduktion festgelegt werden. Bei der Festlegung dieser abweichenden Verteilung der Arbeitszeit darf das Stundenausmaß 30 % der ursprünglichen wöchentlichen Normalarbeitszeit aber nicht unterschreiten. Eine ungleichmäßige Verteilung der vereinbarten Arbeitszeit innerhalb des Kalendermonats ist nur dann zulässig, wenn das vereinbarte Arbeitszeitausmaß im Durchschnitt eingehalten und das vereinbarte Arbeitszeitausmaß in den einzelnen Wochen jeweils nicht um mehr als 10 % unter- oder überschritten wird.

2.3. Sonstige Hinweise

Im Rahmen der Ausübung der Wiedereingliederungsteilzeit darf seitens des Arbeitgebers keine Mehrarbeit und auch keine Änderung der Lage der Arbeitszeit angeordnet werden. § 13a Abs 3 AVRAG derogiert daher der Bestimmung des § 19c Abs 2 AZG.

Nach Antritt der Wiedereingliederungsteilzeit darf die ursprüngliche Vereinbarung, die auch in Form eines Stufenplans erfolgen kann, zwei Mal im Einvernehmen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hinsichtlich der Dauer (bis zum Höchstausmaß von sechs Monaten) und hinsichtlich des zulässigen Stundenausmaßes geändert werden. Auch die Vereinbarung über der Änderung der Teilzeitbeschäftigung bedarf der Schriftform.

Sowohl bei Äußerung der Absicht oder tatsächlicher Inanspruchnahme der Wiedereingliederungsteilzeit als auch bei Ablehnung der Maßnahme besteht ein Motivkündigungsschutz (§ 15 AVRAG). Der Kündigungsschutz erstreckt sich zum Unterschied zur Bildungsteilzeit oder Pflegeteilzeit auch auf die Ablehnung der Wiedereingliederungsteilzeit durch den Arbeitnehmer. Kommt es zu keiner Vereinbarung über die Wiedereingliederungsteilzeit, so darf der Arbeitnehmer jedoch regulär gekündigt werden, sofern die Ablehnung der Wiedereingliederungsteilzeit nicht tatsächlich das Motiv für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses war.

3. Wiedereingliederungsgeld

3.1. Anspruchsvoraussetzungen

Um den Einkommensverlust, der durch ein aufgrund der Wiedereingliederungsteilzeitvereinbarung nur in geringerem Ausmaß zustehendes Entgelt bewirkt wird, auszugleichen, besteht ein Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld im Bereich der Krankenversicherung (§ 143d ASVG).

Voraussetzung für den Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld ist die Bewilligung der Geldleistung durch den chef- und kontrollärztlichen Dienst des zuständigen Krankenversicherungsträgers. Diese darf nur dann erteilt werden, wenn aufgrund der vom Versicherten vorgelegten Unterlagen (Wiedereingliederungsplan von „fit2work“ und ärztliche Befunde) davon ausgegangen werden kann, dass die Wiedereingliederung medizinisch zweckmäßig ist. Die Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes darf zunächst für höchstens 6 Monate erteilt werden, eine Verlängerung (bis höchstens 9 Monate) bedarf einer neuerlichen Bewilligung. Der Krankenversicherungsträger hat den Versicherten sowie den Arbeitgeber über die Bewilligung des Wiedereingliederungsgeldes schriftlich in Kenntnis zu setzen.

Das Wiedereingliederungsgeld wird von den Krankenversicherungsträgern aus dem neu geschaffenen Versicherungsfall der Wiedereingliederung nach langem Krankenstand erbracht. Es gebührt ab dem Beginn der Wiedereingliederungsteilzeit bis zu deren vereinbartem Ende, sofern es nicht frühzeitig durch den Krankenversicherungsträger entzogen wird. Einen Entziehungsgrund stellt das Überschreiten der in der Vereinbarung über die Wiedereingliederungsteilzeit vereinbarten Arbeitszeit um mindestens 10 % dar.

Personen, die Rehabilitationsgeld oder eine Eigenpension beziehen (bzw einen Anspruch auf eine solche Leistung haben), haben keinen Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld. Ein eigener Entziehungstatbestand ist dafür nicht notwendig; in diesen Fällen greift der allgemeine Erlöschenstatbestand nach § 100 Abs 1 lit a ASVG, weil es sich um eine (negative) Anspruchsvoraussetzung handelt.

3.2. Ausmaß

Das Wiedereingliederungsgeld gebührt im Ausmaß des erhöhten Krankengeldes nach § 141 Abs 2 ASVG und ist entsprechend der vereinbarten wöchentlichen Normalarbeitszeit zu aliquotieren. Ist also eine wöchentliche Normalarbeitszeit von 50 % - im Vergleich zur bisherigen Normalarbeitszeit - vereinbart, so gebühren 50 % des errechneten Wiedereingliederungsgeldes; bei einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von 75 % gebühren 25 % des errechneten Wiedereingliederungsgeldes usw. Wird die Vereinbarung über die wöchentliche Normalarbeitszeit während der Wiedereingliederungsteilzeit abgeändert, so ist die Höhe des gebührenden Wiedereingliederungsgeldes entsprechend anzupassen.

Tritt während der Wiedereingliederungsteilzeit ein Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit (oder ein Arbeitsunfall/eine Berufskrankheit) ein, so gebührt weiterhin das Wiedereingliederungsgeld in der bisher bezogenen Höhe und zwar solange ein Anspruch auf das volle Entgelt besteht. Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf das halbe Entgelt oder weniger, gebührt das Wiedereingliederungsgeld grundsätzlich in Höhe des erhöhten Krankengeldes; das Wiedereingliederungsgeld ruht jedoch in der Höhe des fortgezahlten Entgelts.

Jene Zeiten, in denen der Arbeitnehmer nur noch Anspruch auf die Hälfte oder weniger als die Hälfte seines Entgelts hat, und somit ein höheres Wiedereingliederungsgeld zu bezahlen ist, sind auf die Höchstdauer des Krankengeldanspruches nach § 139 ASVG anzurechnen.

Nach dem Ende einer Wiedereingliederungsteilzeit kann ein neuerlicher Anspruch auf Wiedereingliederungsgeld erst nach Ablauf von 18 Monaten entstehen. Durch diese „Sperrfrist“ soll verhindert werden, dass die vorgesehene Höchstdauer der Wiedereingliederungsteilzeit durch mehrfache Vereinbarung ungebührlich zu Lasten der Versicherungsgemeinschaft verlängert wird.

3.3. Sonstige Hinweise

Im ASVG, AlVG und EStG kommt es bezüglich des Wiedereingliederungsgeldes weiters zu den folgenden Anpassungen bzw Änderungen:

-Für die Bezieher eines Wiedereingliederungsgeldes wird für die Dauer dieses Geldleistungsbezuges eine eigene Teilpflichtversicherung in der Pensionsversicherung geschaffen. Diese beginnt mit dem Tag, ab dem das Wiedereingliederungsgeldgeld gebührt und endet mit dem Wegfall der Geldleistung. Als Beitragsgrundlage ist das 30-fache der Bemessungsgrundlage für das Krankengeld abzüglich des aufgrund der Wiedereingliederungsteilzeit herabgesetzten Entgelts heranzuziehen. (§ 8 Abs 1 Z 2 lit c, § 10 Abs 6b Z 3 und § 44 Abs 1 Z 14a ASVG)
-Bei der Berechnung des Wochengeldes bleiben Zeiten außer Betracht, in denen Wiedereingliederungsgeld bezogen wurde. Bei einem Zusammentreffen von Wiedereingliederungsgeld und Wochengeld gebührt nur letzteres. (§§ 162 Abs 3 und 165 ASVG)
-Um eine mögliche Schlechterstellung von Personen, die eine Wiedereingliederungsteilzeit vereinbaren, bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für die Geldleistungen aus der Unfallversicherung zu verhindern, bleiben diese Zeiten außer Betracht. (§ 178 Abs 1a ASVG)
-Beim Ruhen der Versehrtenrente bzw von Familien- und Taggeld wird das Wiedereingliederungsgeld mit dem Krankengeld gleichgestellt, dh dass auch bei Bezug von Wiedereingliederungsgeld die Versehrtenrente bzw das Familien- und Taggeld ruhen. (§ 195 Abs 6 ASVG)
-Beim Rehabilitationsgeld und Wiedereingliederungsgeld handelt es sich um einkommensersetzende Leistungen. Um eine Überversorgung zu vermeiden, wenn die betreffende Person ein Übergangsgeld aus der Unfallversicherung bezieht, werden diese Leistungen künftig wie ein sonstiges Erwerbseinkommen auf das Übergangsgeld angerechnet. (§ 199 Abs 3 ASVG)
-Zeiträume des Bezugs von Wiedereingliederungsgeld bleiben bei der Bemessung des Arbeitslosengeldes außer Betracht. (§ 21 Abs 2a AlVG)
-Für den Anspruch auf Bildungsteilzeitgeld gilt die Phase der Wiedereingliederung als Zeitraum einer nicht herabgesetzten, unveränderten Normalarbeitszeit. (§ 26a Abs 6 AlVG)
-Der Bemessung des Altersteilzeitgeldes sowie einer Teilpension (erweiterte Altersteilzeit) liegt das im letzten Jahr vor der Inanspruchnahme durchschnittlich gebührende Entgelt für die Normalarbeitszeit zugrunde. Zeiträume des Bezugs eines Wiedereingliederungsgeldes gelten als Zeiträume einer unverminderten Arbeitszeit bzw eines unverminderten Entgeltanspruchs. (§ 27 Abs 2a; § 27a Abs 2a AlVG)
-Da es sich beim Wiedereingliederungsgeld um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung handelt, erfolgt hinsichtlich der Besteuerung eine Gleichstellung mit dem Krankengeld und dem Rehabilitationsgeld. Es sind demnach 25 % Lohnsteuer einzubehalten, soweit diese Bezüge € 30,- täglich übersteigen. (§ 69 Abs 2 EStG)

4. Begleitung schwersterkrankter Kindern

Bei der Begleitung schwersterkrankter Kinder konnte bislang eine Herabsetzung, Änderung der Lage der Normalarbeitszeit oder eine Freistellung zunächst für maximal fünf Monate erfolgen, bei einer Verlängerung der Maßnahme durfte die Gesamtdauer der Maßnahme neun Monate nicht überschreiten. Nunmehr wird geregelt, dass dann, wenn die Maßnahme bereits voll ausgeschöpft wurde, diese höchstens zweimal in der Dauer von jeweils höchstens neun Monaten verlangt werden kann, wenn die Maßnahme anlässlich einer weiteren medizinisch notwendigen Therapie für das schwersterkrankte Kind erfolgt. (§ 14b AVRAG)

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22971 vom 19.01.2017