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In der Praxis zeigt sich, dass (zumindest ex post gesehen) die wenigsten Insolvenzverfahren rechtzeitig beantragt werden und es im Zeitraum zwischen der gebotenen Antragstellung und der tatsächlichen Insolvenzeröffnung häufig zu einem erheblichen Vermögensverfall kommt. Schadenersatz- und Haftungsansprüche aus dem Titel der Insolvenzverschleppung rücken daher nicht nur bei prominenten Pleiten wie Wirecard und der Commerzialbank
Mattersburg zunehmend in den Fokus der Insolvenzverwalter. Das praktische Durchsetzungsproblem besteht aber meist im unzureichenden Haftungsfonds der primär verantwortlichen Organe.1 Anderes gilt jedoch für Abschlussprüfer, bei denen zumindest im Ausmaß der Haftungshöchstgrenzen des § 275 UGB regelmäßig eine Versicherungsdeckung besteht. Die Prüfung von im Vorfeld der Insolvenzeröffnung erteilten Bestätigungsvermerken zählt folglich zu den Kardinalspflichten eines Insolvenzverwalters. Der vorliegende Beitrag soll einerseits einen Überblick über die Grundlagen und die Berechnung von Ansprüchen aus einer Insolvenzverschleppung bieten, andererseits aber auch Besonderheiten iZm der Schadensberechnung und Fragen der Kausalität bei der Abschlussprüferhaftung anhand der jüngeren Judikatur näher beleuchten.
Nach § 69 Abs 2 iVm Abs 3 IO sind die organschaftlichen Vertreter von Gesellschaften bei Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (§ 66 IO) oder einer insolvenzrechtlich bedeutsamen Überschuldung (§ 67 IO) verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber 60 Tage nach dem Eintritt der materiellen Insolvenz, ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft zu beantragen.
§ 69 IO normiert somit die Insolvenzantragspflicht für einen materiell insolventen Schuldner. Die Pflicht trifft im Falle von Kapitalgesellschaften jeden gesetzlichen Vertreter, unabhängig vom Umfang seiner Vertretungsmacht und einer allfälligen ressortmäßigen Zuständigkeitsbeschränkung.2 Sie soll einer Insolvenzverschleppung durch weitere Verluste vorbeugen bzw den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung in statu cridae der Gesellschaft sichern.3 Bei § 69 IO handelt es sich folglich um ein Schutzgesetz iSd § 1311 ABGB zugunsten aller durch die nicht rechtzeitige Insolvenzeröffnung geschädigten Gläubiger. Vom Schutzzweck der Norm werden sowohl Altgläubiger (deren Forderungen im Zeitpunkt des Eintritts der materiellen Insolvenz bereits bestanden haben) vor einer Quotenverschlechterung, als auch Neugläubiger vor einem Vertrauensschaden geschützt.4 Im Falle einer schuldhaft verspäteten Insolvenzantragstellung folgt daraus eine persönliche Haftung der Organe gegenüber den aus der Insolvenzverschleppung geschädigten Gläubigern (Außenhaftung).5
Zur Außenhaftung (gegenüber den Gläubigern) tritt noch die Innenhaftung der Organe gegenüber der Gesellschaft. So verbieten § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG und § 84 Abs 3 Z 6 AktG masseschmälernde Zahlungen nach dem Eintritt der materiellen Insolvenz, sofern diese nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar sind.6 Trenker vertritt (uE zutreffend) den Standpunkt, dass die Einhaltung der Insolvenzantragspflicht nicht nur als ein integrierender Bestandteil des Pflichtenkreises nach § 25 Abs 2 GmbHG bzw § 84 Abs 2 AktG zu werten ist, sondern § 69 Abs 3 IO vielmehr sogar als Schutzgesetz zugunsten der insolventen Gesellschaft selbst zu qualifizieren ist.7 Daraus folgt, dass die Organe der Gesellschaft (bzw derem Insolvenzverwalter) im Falle der schuldhaften Insolvenzverschleppung einerseits für masseschmälernde Zahlungen nach Eintritt der materiellen Insolvenz (§ 25 Abs 3 Z 2 GmbHG bzw § 84 Abs 3 Z 6 AktG) und alternativ dazu auch für den aus der Insolvenzverschleppung resultierenden Betriebsverlust (§ 25 Abs 2 GmbHG bzw § 84 Abs 2 AktG iVm § 69 IO) haften. Im Ergebnis kann der Insolvenzverwalter Ansprüche aus der Insolvenzverschleppung daher sowohl auf den Betriebsverlust als auch auf einen davon unabhängigen Gläubigerschaden (Quotenschaden, vermutet in Höhe der geleisteten Zahlungen in statu cridae) stützen. Der Insolvenzverwalter muss sein Klagebegehren jedoch mit der jeweils höheren Schadensposition begrenzen.8
In der Praxis ergeben sich iZm der Frage, ob bzw ab wann ein Insolvenzgrund vorliegt, regelmäßig Abgrenzungsschwierigkeiten. Das liegt einerseits an der Komplexität des Insolvenzgrundes der Überschuldung,9 der nur vorliegt,
- | wenn das zu Liquidationswerten zu bewertende Vermögen zur Befriedigung der Gläubiger im Liquidationsfall unzureichend ist (ie rechnerische Überschuldung) und |
- | dazu eine ungünstige Fortbestehensprognose tritt, |
andererseits aber auch an der nicht immer klaren Abgrenzung der Zahlungsunfähigkeit von einer bloßen Zahlungsstockung.10 Es ist der überwiegenden Auffassung daher zuzustimmen, dass die Insolvenzantragspflicht bzw die 60-Tages-Frist des § 69 Abs 2 IO erst ab positiver Kenntnis vom Insolvenzgrund zu laufen beginnen. Andererseits darf der Schuldner vor dem Insolvenzgrund "die Augen nicht verschließen", sodass es im Haftungsfall darauf ankommt, ab wann die materielle Insolvenz positiv bekannt sein konnte.11
Zu bedenken ist letztlich, dass sich in Österreich als Alternative zu gerichtlichen Insolvenzverfahren eine durchaus erfolgreiche Praxis außergerichtlicher Sanierungen gebildet hat.12 Die Ergebnisse solcher außergerichtlichen Sanierungen, bei denen
dem Forderungsnachlass nicht selten eine untergeordnete Rolle zukommt,13 sind oft nicht nur im Interesse der Gläubiger, sondern auch im vitalen Bestandsinteresse des Unternehmens und daher letztlich im Interesse der Gesellschaft selbst. Der hA, demnach die 60-Tages-Frist auch für außergerichtliche Sanierungsversuche ausgenutzt werden darf, ist daher uneingeschränkt zu folgen. Voraussetzung ist jedoch, dass diese Sanierungsversuche (ex ante betrachtet) aussichtsreich bzw realisierbar sind und die materielle Insolvenz innerhalb der 60-tägigen Höchstfrist dadurch auch behoben werden kann. Stellt sich innerhalb der Frist heraus, dass die Überwindung der materiellen Insolvenz unwahrscheinlich ist, wäre jedenfalls unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen. Die 60-Tages-Frist ist zudem eine absolute Höchstfrist, sodass auch ein allenfalls noch sanierbarer Schuldner nach deren Ablauf verpflichtet ist, den Sanierungsversuch abzubrechen und unverzüglich Insolvenzantrag zu stellen.14
Im Ergebnis sind die organschaftlichen Vertreter daher nicht nur zur laufenden Planung und Überwachung der finanziellen Lage der Kapitalgesellschaft verpflichtet, sondern erforderlichenfalls auch zur Prüfung, ob ein Insolvenzgrund vorliegt und ob außergerichtliche Sanierungsversuche erfolgversprechend und fristgerecht realisierbar sind.15
Zentrales Ziel der Jahresabschlussprüfung ist die hinreichend sichere Beurteilung, ob bei der Aufstellung des Jahresabschlusses die gesetzlichen Vorschriften sowie die ergänzenden Regelungen im Gesellschaftsvertrag bzw der Satzung eingehalten wurden und dass der Abschluss unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ein möglichst getreues Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt 16 Der Lagebericht ist daraufhin zu prüfen, ob er mit dem Jahresabschluss in Einklang steht und ob er gemäß den geltenden rechtlichen Anforderungen aufgestellt wurde.17
Die Bilanzierungs- bzw Bewertungsvorschriften des UGB und IFRS gehen grundsätzlich von der Annahme der Unternehmensfortführung aus. Die gesetzlichen Vertreter müssen daher bereits im Rahmen der Bilanzierung eine Einschätzung treffen, ob die Annahme der Unternehmensfortführung (noch) gerechtfertigt ist. Der Abschlussprüfer wiederum hat bei der Planung und Durchführung der Prüfung zu beurteilen, ob die von den gesetzlichen Vertretern getroffene Einschätzung der Fortführung zutrifft. Als Bezugsperiode ist ein Zeitraum von mindestens zwölf Monaten, gerechnet ab dem Abschlussstichtag, heranzuziehen. Zudem dürfen bis zur finalen Aufstellung des Jahresabschlusses keine begründeten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Fortführungsprämisse zu einem späteren als diesem Zeitpunkt nicht mehr aufrecht zu erhalten sein wird. Indizien für eine Abkehr von der Fortführungsprämisse können bspw Covenant-Verstöße bezogen auf Finanzierungs- und Kreditverträge darstellen. Ausgehend von den erlangten Prüfungsnachweisen hat der Abschlussprüfer jedenfalls zu beurteilen, ob eine erhebliche Unsicherheit hinsichtlich der Fortführung des Unternehmens besteht und diese Beurteilung auch dem Bestätigungsvermerk zugrunde zu legen.18
Durch den mit dem APRÄG 201619 eingeführten § 269 Abs 5 UGB wurde der Verantwortungsbereich des Abschlussprüfers von jenem der Organe der Kapitalgesellschaft abgegrenzt. Der Gesetzgeber wollte klarstellen, dass der Abschlussprüfer mit seinem Bestätigungsvermerk weder den künftigen Fortbestand des geprüften Unternehmens zusichert noch ein Urteil über die Wirtschaftlichkeit oder Wirksamkeit der Geschäftsführung abgibt. Die Abschlussprüfung ist grundsätzlich keine Gebarungsprüfung und auch nicht auf die Aufdeckung von dolosen Handlungen gerichtet. Schon die Regierungsvorlage zum APRÄG 2016 stellt jedoch klar, dass die Einfügung von § 269 Abs 5 UGB nichts daran ändert, "dass der Abschlussprüfer die Einschätzung der gesetzlichen Vertreter zur Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit zu beurteilen und zu erwägen hat, ob bestehende wesentliche Ungewissheiten hinsichtlich der Fähigkeit des Unternehmens, seine Tätigkeit fortzusetzen, im Bestätigungsvermerk zum Ausdruck kommen müssen (Going Concern-Prämisse)".20 Darüber hinaus ist die Abschlussprüfung stets mit einer kritischen Grundhaltung gegenüber der geprüften Gesellschaft bzw deren Vertretern und Auskunftspersonen zu planen und durchzuführen.21 Nach der Rechtsprechung des OGH ist "vom Schutzzweck der Vorschriften über die Abschlussprüfung [nämlich] auch die Aufdeckung einer vorsätzlich unrichtigen Rechnungslegung durch seine Organe und damit die Verhinderung einer weiteren Schädigung der Gesellschaft durch weiteres rechtswidriges Verhalten der Organe umfasst [...]".22
Der Abschlussprüfer ist im Ergebnis also trotz § 269 Abs 5 UGB verpflichtet, schon bei der Planung der Abschlussprüfung eine Risikobeurteilung im Hinblick auf dolose Handlungen (insb von Vermögensschädigungen und Bilanzfälschungen), von Fehlern oder Unregelmäßigkeiten des Rechnungswesens und Schwächen einer Unternehmensstruktur, also Umständen, die Vermögensschäden erst ermöglichen oder zumindest erleichtern, vorzunehmen. Die Risikoanalyse ist an der Geschäftstätigkeit, dem wirtschaftlichen und rechtlichen Umfeld des geprüften Unternehmens sowie dem dort eingerichteten internen Kontrollsystem (IKS) auszurichten. Schon die Risikobeurteilung an sich erfordert, dass sich der Abschlussprüfer vorab ausreichende Kenntnis über das geprüfte Unternehmen, die Prüfungsgegenstände und das IKS verschafft. Die Risikobeurteilung ist zudem dynamisch anhand der gewonnenen Erkenntnisse bei der Abschlussprüfung zu aktualisieren und
insb bei identifizierten (weiteren) Risiken sind auch die Prüfungshandlungen entsprechend anzupassen.23
Stellt der Abschlussprüfer bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben Tatsachen fest, die den Bestand des geprüften Unternehmens (oder Konzerns) gefährden oder seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigen können oder die schwerwiegende Verstöße der gesetzlichen Vertreter oder von Arbeitnehmern gegen Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung erkennen lassen, so hat er gem § 273 Abs 2 UGB unverzüglich darüber zu berichten. Mit dem IRÄG 199724 wurde die Redepflicht zudem um den Tatbestand der Vermutung des Reorganisationsbedarfs ergänzt (§ 273 Abs 3 UGB).
Bei der Redepflicht handelt es sich um eine Warnpflicht des Abschlussprüfers, die jedenfalls bei "schwerwiegenden Bedenken" auszuüben ist. Die Redepflicht bezieht sich dem Gesetzeswortlaut nach jedoch lediglich auf Tatsachen, die der Abschlussprüfer "bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben" bzw "bei Prüfung des Jahresabschlusses" feststellt. Es besteht somit zwar keine spezielle Nachforschungspflicht, besteht aber ein begründeter Verdacht, hat der Abschlussprüfer alle erforderlichen Prüfungshandlungen durchzuführen, um mit der erforderlichen Sicherheit beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für die Redepflicht vorliegen oder nicht.25 Die Redepflicht umfasst zudem auch Tatsachen, die erst nach dem Abschlussstichtag eingetreten sind und besteht unabhängig davon, ob die redepflichtigen Tatsachen bereits allen Organmitgliedern bzw Berichtsadressaten bekannt sind.26
Der Bestand des Unternehmens ist jedenfalls dann gefährdet, wenn in absehbarer Zeit ernsthaft mit einer Insolvenz oder Liquidation zur rechnen und damit der "going concern" gefährdet ist. Entstehen begründete Zweifel an der mittel- bis langfristigen Lebensfähigkeit des geprüften Unternehmens, hat der Abschlussprüfer daher über diese Risken im Rahmen seiner Redepflicht zu berichten. Eine Bestandgefährdung kann nach der Literatur insb schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit, erheblichen laufenden Verlusten, drohendem Entzug von Fremdkapital (ohne Refinanzierungsaussicht) oder mangelhaft geplanten Investitionen vorliegen.27
Als Tatsachen, die die Entwicklung des Unternehmens oder Konzerns wesentlich beeinträchtigen, werden bereits solche angesehen, die eine mehr als angespannte Lage des Unternehmens (oder Konzerns) bewirken.28
Der Tatbestand des Vorliegens der Vermutung des Reorganisationsbedarfs ergibt sich aus den URG-Kennzahlen und ist erfüllt, wenn die Eigenmittelquote weniger als 8 % und die fiktive Schuldentilgungsdauer mehr als 15 Jahre beträgt. Ein weiterer Redepflicht-Tatbestand liegt vor, wenn wesentliche Schwächen des internen Kontrollsystems festgestellt werden. Dies wird bspw dann der Fall sein, wenn das interne Kontrollsystem nicht geeignet ist, Fehldarstellungen im Jahresabschluss aufzudecken.29
Stellt der Abschlussprüfer bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben Tatsachen fest, die schwerwiegende Verstöße der gesetzlichen Vertreter oder von Arbeitnehmern erkennen lassen, so hat er gem § 273 Abs 2 UGB auch darüber unverzüglich zu berichten. Relevante Gesetze sind nach hA jedenfalls die für die geprüfte Gesellschaft anwendbaren Vorschriften des Unternehmens- und Gesellschaftsrechts, insb aber auch die anwendbaren Normen des Insolvenzrechts.30 UE zählt daher auch die Insolvenzantragspflicht nach § 69 Abs 2 iVm Abs 3 IO zu den vom Abschlussprüfer zu beachtenden Vorschriften. Wie oben dargelegt, beginnt die Insolvenzantragspflicht bzw die 60-Tages-Frist des § 69 Abs 2 IO zwar grundsätzlich erst mit der positiven Kenntnis vom Insolvenzgrund zu laufen, das darf aber eben nicht so weit verstanden werden, als die Insolvenz oder der Fristenlauf durch ein "Verschließen der Augen" hinausgeschoben werden dürfen.31 Auch nach dem Leitfaden Fortbestehensprognose 2016 ist die Frage nach einer Fortbestehensprognose spätestens dann zu stellen, wenn das Fortbestehen des Unternehmens zweifelhaft erscheint. Davon ist nach dem Leitfaden bereits bei Vorliegen handfester Krisensymptome, die eine weitere Verschlechterung der Unternehmenssituation erwarten lassen müssen bzw die bei anhaltend negativen Ergebnissen zu einem Aufzehren des Eigenkapitals im nächsten Jahr führen könnten, auszugehen.32 UE hat der Abschlussprüfer die Redepflicht daher bereits bei Kenntnis handfester Krisensymptome ausüben und die Organe zur Prüfung, ob ein Insolvenzgrund vorliegt bzw erforderlichenfalls auch zur rechtzeitigen Erstellung einer Fortbestehensprognose anzuleiten. Jedenfalls hat der Abschlussprüfer bei Kenntnis handfester Krisensymptome selbst weitergehende Prüfungshandlungen vorzunehmen, bis das Erfordernis der Aufstellung einer Fortbestehensprognose und (daraus abgeleitet) das Erfordernis der Ausübung der Redepflicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden können.
Gem § 275 Abs 2 UGB ist der Abschlussprüfer zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung verpflichtet. Diese Pflicht umfasst alle Prüfungshandlungen bzw Prüfungspflichten, die sich aus den §§ 268-276 UGB ergeben.33 Nach hA wirkt § 275 UGB in erster Linie als Schutzgesetz zugunsten jener Gesellschaft, die den Abschlussprüfer bestellt hat.34 Der Vertrag zwischen dem Ab-
schlussprüfer und der geprüften Gesellschaft entfaltet aber auch Schutzwirkungen zugunsten Dritter, die den Kreis der potenziellen Gläubiger mitumfasst. Stellt ein Abschlussprüfer daher schuldhaft einen unrichtigen Bestätigungsvermerk aus, könnte er nicht nur gegenüber der geprüften Gesellschaft selbst, sondern auch gegenüber Dritten, die im Vertrauen auf die Richtigkeit dieses Bestätigungsvermerks disponiert haben und dadurch einen Schaden erleiden, ersatzpflichtig werden.35
Zentrale Verhaltenspflicht des Abschlussprüfers ist die "Gewissenhaftigkeit". Die Frage, ob der Abschlussprüfer die gesetzlich gebotene Sorgfalt eingehalten hat, bzw welcher objektive Sorgfaltsmaßstab an einen Abschlussprüfer anzustellen ist, hängt nach hA von den Umständen des Einzelfalls ab. Nach der Rechtsprechung des OGH handelt es sich um eine sog "gemischte Frage"; in welchem Ausmaß und bis zu welcher Tiefe eine Abschlussprüfung vorzunehmen ist, gehört somit zum Tatsachensubstrat, das ob der Komplexität regelmäßig durch einen Sachverständigen zu beurteilen sein wird.36 Zu berücksichtigen ist dabei jedenfalls, dass dem Abschlussprüfer eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe zukommt und daher ein strenger Sorgfaltsmaßstab (§ 1299 ABGB) anzulegen ist. Entscheidend ist zudem nicht das, was unter Abschlussprüfern üblich sein mag, sondern das, was von ihnen angesichts der übertragenen Aufgaben und Zielen der Abschlussprüfung zu fordern ist.37
Verletzt der Abschlussprüfer vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflichten, so ist er der Gesellschaft und, wenn ein verbundenes Unternehmen geschädigt worden ist, auch diesem, zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Die Beweislast für das Vorliegen eines Schadens sowie den Kausalzusammenhang zwischen Schaden und pflichtwidriger Handlung oder Unterlassung liegt grundsätzlich bei der geprüften Gesellschaft.38 Die Judikatur macht jedoch eine Ausnahme: Wenn eine pflichtgemäße Prüfung geeignet gewesen wäre, zu Maßnahmen zu führen, die eine weitere Schädigung der Gesellschaft durch das rechtwidrige Verhalten ihrer Organe verhindert hätten, trifft den Abschlussprüfer die Beweislast dafür, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre.39 Jedenfalls trägt der Abschlussprüfer die Beweislast für seine Unschuld bzw für alle Tatsachen, die seine Schuld oder Schadenersatzpflicht reduzieren können.40
Die Berechnung des Schadens hat nach der Differenzmethode zu erfolgen. Die geschädigte Gesellschaft ist daher unter Berücksichtigung ihres Gesamtvermögens so zu stellen, wie sie ohne das schädigende Ereignis stünde. In der sehr instruktiven E 8 Ob 76/15g hat der OGH die Berechnung des Schadens aus einer Insolvenzverschleppung durch Vergleich des Unterschieds ihrer Aktiva minus Passiva an den zwei maßgeblichen Stichtagen als rechnerisch nachvollziehbar erachtet, da diese Berechnung die Verringerung des (bereits im Zeitpunkt der Erteilung des Bestätigungsvermerks negativen) Vermögens der Gesellschaft bis zur tatsächlichen Insolvenzeröffnung abgebildet habe. Bemerkenswert ist dabei, dass im Falle einer Insolvenzverschleppung damit nicht nur eine Verringerung der Aktiva als ersatzfähiger Schaden zu qualifizieren ist, sondern insb auch die Erhöhung von Verbindlichkeiten.41
Zur Kausalität hält der OGH, ausgehend von den konkreten Sachverhaltsfeststellungen, in E 8 Ob 76/15g fest, dass die Schuldnerin bei pflichtgemäßer Versagung des Bestätigungsvermerks bereits im Mai 2008 gezwungen gewesen wäre, einen Insolvenzantrag zu stellen, wodurch es zum späteren Anhäufen von weiteren Verbindlichkeiten nicht mehr gekommen wäre. Die Vertragsverletzung (des beklagten Abschlussprüfers) sei daher für den vom Insolvenzverwalter geltend gemachten Schaden aus dem Anwachsen der Verbindlichkeiten im Zeitraum Mai 2008 (ie Zeitpunkt des Bestätigungsvermerks) bis März 2010 (ie Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung) kausal.42
Reckenzaun nimmt in seiner Entscheidungsbesprechung als Verstoßzeitpunkt "in der Regel" den Zeitpunkt der (fälschlichen) Erteilung des uneingeschränkten Bestätigungsvermerks an, da sich ab diesem Zeitpunkt Prüfungsfehler manifestieren und ihre Wirkungen entfalten würden.43 UE lässt sich diese Schlussfolgerung eher nur in seltenen Ausnahmefällen mit dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Abschlussprüfers und dem Eintritt des konkret verursachten Schadens in Einklang bringen. Eine Unterlassung des pflichtgemäßen Handelns (insb also die Unterlassung der Ausübung der Redepflicht) ist nämlich nur dann für einen Schaden kausal, wenn das gebotene Tun den schädigenden Erfolg verhindert hätte. Die Anforderungen der Judikatur an den Beweis des hypothetischen Kausalverlaufs bei einer Schädigung durch Unterlassen sind dabei zugegeben geringer als jene bei einer Schadenszufügung durch positives Tun.44 Der klagende Insolvenzverwalter muss lediglich bescheinigen, dass der Schaden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf das Unterlassen pflichtgemäßen Handelns zurückzuführen ist.45
Ungeachtet dessen steht dem beklagten Abschlussprüfer aber der Einwand offen, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßer Versagung des Bestätigungsvermerks bzw bei pflichtgemäßer Ausübung der Redepflicht eingetreten wäre (rechtmäßiges Alternativverhalten).46 Diese Einrede kann durchaus Substanz haben. Im Unterschied zu jenen Fällen, in denen der Regulator infolge einer Redepflichtausübung des Wirtschaftsprüfers sofort interveniert (etwa bei einem Kreditinstitut), ist es in der Praxis nämlich wenig bis gar nicht wahrscheinlich, dass ein Redepflichtschreiben oder Versagungsvermerk postwendend zur Insolvenzeröffnung führt.
Es kommt somit zu einem Auseinanderfallen von Verstoßzeitpunkt (zB dem Zeitpunkt des Bestätigungsvermerks) und Beginn der Insolvenzverschleppungshaftung. Die Insolvenzantragspflicht und das Insolvenzantragsrecht treffen nämlich nur die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft.47 Der Abschlussprüfer hat keine formale Handhabe (und keine Verpflichtung), auf eine Insolvenzeröffnung über das Vermögen der geprüften Gesellschaft aktiv hinzuwirken. Leitet sich aber die Insolvenzverschleppungshaftung des Abschlussprüfers im Ergebnis nur aus der Verletzung der Insolvenzantragspflicht durch die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft ab ("haftungsbegründende Kausalität"), erfordert der Kausalzusammenhang auch, dass ein gesetzlicher Vertreter oder eben ein antragsberechtigter Gläubiger infolge der pflichtgemäßen Versagung des Bestätigungsvermerks bzw der Ausübung der Redepflicht tatsächlich zu einem früheren Zeitpunkt (als letzten Endes geschehen) die Insolvenzeröffnung erwirkt hätte ("haftungsausfüllende Kausalität").48 Eine Haftung des Abschlussprüfers kommt somit nur dann und insoweit in Frage, als eine pflichtgemäße Versagung oder Einschränkung des Testats bzw die pflichtgemäße Ausübung der Redepflicht tatsächlich zu einer früheren Insolvenzeröffnung geführt hätten. Entscheidend ist und bleibt also immer der hypothetische Kausalverlauf.
Das der hypothetische Kausalverlauf trotz einer objektiv pflichtwidrigen Abschlussprüfung zu durchaus differenzierten Haftungsfolgen führen kann, soll folgendes Beispiel zeigen:
Einziger Geschäftsführer der geprüften GmbH ist deren (mittelbarer) Alleingesellschafter. Ein Aufsichtsrat existiert nicht. Die Abschlussprüfung erfolgt im Zeitraum März und April. Im Mai erteilt der Abschlussprüfer ein uneingeschränktes Testat. Er verkennt pflichtwidrig, dass die Gesellschaft im Bestand gefährdet ist und unterlässt daher auch die Ausübung der Redepflicht. Unabhängig von diesem Bestätigungsvermerk erklärt die Hausbank der Gesellschaft noch im Mai, die Kreditbeziehung zum Jahresende aufzukündigen. Der Geschäftsführer sieht darin eine Bestandsgefährdung und zieht (ebenfalls noch im Mai) Sanierungsberater bei, die - bei aufrecht bestehender Zahlungsfähigkeit - sofort eine Überschuldungsprüfung samt Erstellung einer Fortbestehensprognose empfehlen. Die Fortbestehensprognose wird beauftragt und bis Juli fertiggestellt. Sie ist schlussendlich negativ, womit die insolvenzrechtlich bedeutsame Überschuldung für den Geschäftsführer manifest wird. Der Geschäftsführer unternimmt - bei weiterhin gegebener Zahlungsfähigkeit - sodann noch außergerichtliche Sanierungsversuche, die im November (also weit außerhalb der 60-Tages-Frist) scheitern. Der Geschäftsführer wurstelt trotz gegenteiliger rechtlicher Beratung weiter, weil er noch auf ein Wunder hofft. Im Dezember tritt dann Zahlungsunfähigkeit ein. Erst über erheblichen Druck von Gläubigern wird schließlich Ende Dezember ein Insolvenzverfahren eröffnet. Im späteren Haftungsprozess gibt der Geschäftsführer an, dass er selbst bei Ausübung der Redepflicht und/oder Verweigerung des Testats nicht anders gehandelt und im Mai eine Fortbestehensprognose beauftragt hätte.
Der Sachverhalt zeigt, dass dem Geschäftsführer der geprüften Gesellschaft die Bestandgefährdung unabhängig von der pflichtwidrig nicht ausgeübten Redepflicht bereits im Mai bekannt war. Er hat auch sofort eine Überschuldungsprüfung veranlasst. Der Insolvenzgrund der Überschuldung wurde ihm dann im Juli bekannt. Daran hätte sich auch dann nichts geändert, wenn der Abschlussprüfer pflichtgemäß noch im Mai die Redepflicht ausgeübt oder das Testat verweigert hätte. Auch in diesem Fall hätte der Geschäftsführer nämlich im Mai eine Fortbestehensprognose beauftragt (beauftragen müssen), die erst im Juli fertiggestellt worden wäre. Für den Insolvenzverschleppungsschaden von Mai bis Juni würde der Abschlussprüfer uE daher mangels Kausalität nicht haften. Das Beispiel zeigt aber weiters, dass der Geschäftsführer trotz positiv bekanntem Insolvenzgrund und trotz gegenteiliger Beratung, die Insolvenz auch ab Juli bis Dezember weiter verschleppt hat. Das Beispiel zeigt eine Parallele zum Fall 1 Ob 144/01k, in dem die Haftung der Mitglieder des Aufsichtsrats mit folgender Begründung verneint wurde: "Dem Kläger ist der Beweis - auch prima facie -, dass die Geschäftsführer die Konkurseröffnung beantragt hätten [...], nicht gelungen. Im Gegenteil ist es - wie schon zur Übertretung der Schutznorm des § 30j Abs 4 GmbHG ausgeführt wurde - nach den vorinstanzlichen Feststellungen geradezu auszuschließen, dass die Geschäftsführung dem Ansinnen, die Konkurseröffnung zu veranlassen, entsprochen hätte; es kann aber auch nicht angenommen werden, dass die vom Aufsichtsrat bei Weigerung der Geschäftsführer einberufene Gesellschafterversammlung diesen eine solche Weisung erteilt hätte. Auch bei Niederlegung des Mandats oder einer bloßen Rücktrittsdrohung wäre ein Meinungsumschwung nicht zu erwarten gewesen."49
Dass diese Argumente auch im Kontext einer Abschlussprüferhaftung relevant sind, hat der OGH rezent in der E 6 Ob 207/20i bestätigt und aus Anlass seines Aufhebungsbeschlusses explizit konkrete Feststellungen dazu eingefordert.
Ein Kausalzusammenhang zum Schaden könnte also bestenfalls bestehen, wenn ein Gläubiger aufgrund des Versagungsvermerks oder eines Redepflichtschreibens (sofern ihm dieses auch bekannt geworden wäre) früher ein Insolvenzverfahren erwirken hätte können. Auch dabei wäre aber wieder zu beachten, dass die Versagung des Testats öffentlich werden hätte müssen, sodann ein Gläubigerantrag zu stellen und dieser der Gesellschaft zur Ausübung des rechtlichen Gehörs zur Kenntnis zu bringen gewesen wäre. Es dürfte notorisch sein, dass dies Wochen, wenn nicht Monate braucht.
Im Endeffekt muss der Insolvenzverwalter daher auch bei einer objektiv pflichtwidrigen Abschlussprüfung zwischen Verstoßzeitpunkt und Beginn der Insolvenzverschleppungshaftung unterscheiden. Nur im Ausnahmefall wird der Zeitpunkt der hypothetischen Insolvenzeröffnung mit dem Datum des Bestätigungsvermerks zusammenfallen. In der E 8 Ob 76/15g mag dies gerechtfertigt gewesen sein, da die Zahlungsunfähigkeit laut den
dortigen Feststellungen bereits über ein Jahr vor dem verfahrensgegenständlichen Bestätigungsvermerk eingetreten war. Im Regelfall (Redlichkeit unterstellend) wird man den Organen der geprüften Gesellschaft aber nicht nur Zeit zur Prüfung, ob überhaupt ein Insolvenzgrund vorliegt, gewähren müssen, sondern zudem auch zuzubilligen haben, dass sie die 60-Tages-Frist für ex ante aussichtsreiche und realisierbare Sanierungsversuche ausschöpfen. Die Haftung des (sei es auch objektiv pflichtwidrig handelnden) Abschlussprüfers für eine Insolvenzverschleppung kann uE also nicht bereits denjenigen Zeitraum umfassen, für den hypothetisch nicht einmal die Organe hafteten.
Reckenzaun legt in seiner Entscheidungsbesprechung50 auch dar, wie der vom Abschlussprüfer zu verantwortende Schaden zu berechnen ist. Dies habe im Wege einer Differenzrechnung unter der Annahme, der Bestätigungsvermerk wäre richtigerweise versagt worden, zu geschehen. Dem ist grundsätzlich, siehe auch schon oben, zuzustimmen. Wie das Berechnungsbeispiel von Reckenzaun und die Ausführungen des OGH in der von ihm besprochenen Entscheidung aber belegen, beschränkt sich das Thema Kausalität nicht bloß auf den Zeitpunkt der hypothetischen Insolvenzeröffnung, ab dem dann die Differenzrechnung quasi ohne Weiteres aufsetzen kann. Im Lichte der E 6 Ob 207/20i muss der Kausalitätsaspekt vielmehr auch bei der Differenzrechnung als solcher, mithin insb bei der Bestimmung der Vermögenslage im Zeitpunkt der hypothetischen Insolvenzeröffnung, eine entscheidende Rolle spielen (was in dem von Reckenzaun beschriebenen Fall vom beklagten Wirtschaftsprüfer offenkundig erst im Revisionsverfahren - also zu spät - erkannt worden war). Insoweit unterliegen alle Bestandteile des bei der Differenzrechnung zu berücksichtigenden Vermögens und der dabei zu berücksichtigenden Schulden einem (eigenen) "Kausalitäts-Check".
Bei der Bestimmung der Vermögenslage zum Zeitpunkt der hypothetischen Insolvenzeröffnung werden folglich nicht nur diejenigen Positionen vermögensmindernd oder schuldenerhöhend einzustellen sein, die zu diesem Zeitpunkt bereits manifest sind, sondern auch diejenigen, die zu diesem Zeitpunkt nur dem Grunde nach angelegt sind und erst später, sei es auch zum Stichtag der tatsächlichen Insolvenzeröffnung, offenbar werden. Ist bspw der Geschäftsführer vor dem Verstoßzeitpunkt ein langfristiges (unkündbares) Commitment (Leasingvertrag) eingegangen, kam es zu noch unbekannten Fehlkalkulationen bei Projekten oder zeichnet sich ein pönalbewährter Verzug nur ab, ohne dass er schon eingetreten wäre, sind die daraus resultierenden Auswirkungen auf die Vermögenslage nicht erst im Vermögensstatuts zum tatsächlichen Insolvenzzeitpunkt, sondern auch schon im Status zum Zeitpunkt der gebotenen Insolvenzeröffnung (zumindest in Form einer Rückstellung) differenzschadensmindernd rückzuprojizieren. Für einen sog "Sowieso-Schaden" wird ein pflichtwidrig erteilter Bestätigungsvermerk uE nämlich ebenfalls nicht kausal sein.
Die Abschlussprüfung dient ua auch dem Zweck, die geprüfte Gesellschaft vor Schäden aus Insolvenzverschleppung zu schützen. Demgemäß treffen den Abschlussprüfer bei der Planung und Durchführung der Abschlussprüfung ua folgende Pflichten:
- | Der Planung und Durchführung der Abschlussprüfung ist eine Risikobeurteilung ua auch im Hinblick auf eine potenzielle Bestandgefährdung und/oder Zweifel am Fortbestand der geprüften Gesellschaft zugrunde zu legen; |
- | stößt der Abschlussprüfer bei der (objektiv) sorgfaltsgemäß aufgestellten Risikoanalyse oder der (objektiv) sorgfaltsgemäß durchgeführten Abschlussprüfung auf Hinweise, die auf eine Bestandgefährdung bzw Zweifel am Fortbestand hindeuten, hat er diesen Hinweisen nachzugehen und allenfalls vertiefende Prüfungshandlungen zu setzen, bis Zweifel am Fortbestand des Unternehmens ausgeschlossen werden können; |
- | bestätigt sich bei der (vertiefenden) Prüfung der Verdacht einer Insolvenzantragspflicht, so hat der Abschlussprüfer unverzüglich die Redepflicht auszuüben und die gesetzlichen Vertreter über die potenzielle Insolvenzantragspflicht zu belehren; |
- | allenfalls wäre nur ein eingeschränktes bzw negatives Prüfungsurteil abzugeben. |
Verletzt der Abschlussprüfer schuldhaft seine Pflichten und erwächst der geprüften Gesellschaft aus der schuldhaften Pflichtverletzung ein kausaler und adäquater Schaden (sei es auch aus einer verspäteten Insolvenzeröffnung), so haftet der Abschlussprüfer für diesen Schaden nach § 275 UGB. Darüber hinaus kommt auch eine Direkthaftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft in Betracht, die im Vertrauen auf den Bestätigungsvermerk disponiert haben.
Der Umfang einer allfälligen Insolvenzverschleppungshaftung ist anhand eines Kausalitäts-Checks zwischen Pflichtverletzung und konkret eingetreten Schadenspositionen zu ermitteln.
Sofern nicht ausnahmsweise eine D&O-Versicherung besteht.
Reich-Rohrwig in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 25 (Stand 1. 6. 2015, rdb.at) Rz 143.
Schumacher in Koller/Lovrek/Spitzer (Hrsg), IO - Insolvenzordnung (2019) zu § 69 IO Rz 34.
Schumacher in KLS, § 69 IO Rz 60; OGH 11. 10. 2012, 2 Ob 117/12p.
Zu beachten ist, dass Gläubiger Schadenersatzansprüche wegen einer Verschlechterung der Insolvenzquote erst nach Rechtskraft der Aufhebung des Insolvenzverfahrens direkt gegenüber den Organen der Gesellschaft geltend machen können (§ 69 Abs 5 IO). In der Praxis kommen Haftungsinanspruchnahmen durch Gläubiger für eine Quotenverschlechterung daher kaum vor. Anderes gilt freilich für Vertrauensschäden von Neugläubigern, die regelmäßig sogar Gegenstand strafrechtlicher Verfolgungshandlungen werden.
Reich-Rohrwig in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 25 (Stand 1. 6. 2015, rdb.at) Rz 139 ff; Schumacher in KLS, § 69 IO Rz 86.
Trenker, Schaden der Insolvenzmasse bei Insolvenzverschleppung des Geschäftsleiters nach 6 Ob 164/16k, Insolvenz-Forum 2018, 97 (111 ff).
Trenker in Insolvenz-Forum 2018, aaO 97 (141 ff); Piringer, Insolvenzverschleppung: Schadenspositionen und Berechnung, Sachverständige 2020, 146.
Schumacher in KLS, § 67 IO Rz 5; OGH 3. 12. 1986, 1 Ob 655/86.
Vgl Schumacher in KLS, § 66 IO Rz 18 ff.
Schumacher in KLS, § 69 IO Rz 28; Reich-Rohrwig in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 25 (Stand 1. 6. 2015, rdb.at) Rz 116 f.
Mayr, Die Bedeutung der außergerichtlichen Sanierung in der österreichischen Unternehmenspraxis. Ergebnisse einer empirischen Erhebung, SWK 2014, 1308.
Schumacher in KLS, § 69 IO Rz 25.
Schumacher in KLS, § 69 IO Rz 25 ff.
Reich-Rohrwig in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG § 25 (Stand 1. 6. 2015, rdb.at) Rz 86 ff.
Hirschböck/Völkl/Gedlicka in Straube/Ratka/Rauter, UGB II/RLG3 § 269 (Stand 1. 3. 2019, rdb.at) Rz 15; Steckel in U. Torggler, UGB3 § 269 Rz 6.
Steckel in U. Torggler, UGB3 § 269 Rz 9.
Hirschböck/Völkl/Gedlicka in Straube/Ratka/Rauter, UGB II/RLG3 § 269 (Stand 1. 3. 2019, rdb.at) Rz 44.
Hirschböck/Völkl/Gedlicka in Straube/Ratka/Rauter, UGB II/RLG3 § 269 (Stand 1. 3. 2019, rdb.at) Rz 18; Steckel in U. Torggler, UGB3 § 269 Rz 14.
RIS-Justiz RS0130435; Hirschböck/Völkl in Straube/Ratka/Rauter, UGB II/RLG3 § 269 Rz 11, 17; Steckel in U. Torggler, UGB3 § 269 Rz 15.
Steckel in U. Torggler, UGB3 § 273 Rz 19 ff mwN; Müller in Straube/Ratka/Rauter, UGB II/RLG3 § 273 (Stand 1. 3. 2019, rdb.at) Rz 25.
Müller in Straube/Ratka/Rauter, UGB II/RLG3 § 273 (Stand 1. 3. 2019, rdb.at) Rz 26; Steckel in U. Torggler, UGB3 § 273 Rz 21.
Müller in Straube/Ratka/Rauter, UGB II/RLG3 § 273 (Stand 1. 3. 2019, rdb.at) Rz 32 f (mit weiteren Beispielen); Steckel in U. Torggler, UGB3 § 273 Rz 26.
Steckel in U. Torggler, UGB3 § 273 Rz 27.
Vgl dazu tiefergehend: Müller in Straube/Ratka/Rauter, UGB II/RLG3 § 273 (Stand 1. 3. 2019, rdb.at) Rz 47 ff.
Müller in Straube/Ratka/Rauter, UGB II/RLG3 § 273 (Stand 1. 3. 2019, rdb.at) Rz 41.
Siehe oben FN 11.
Leitfaden Fortbestehensprognose - Gemeinsame Stellungnahme der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, Wirtschaftskammer Österreich und KMU Forschung Austria (2016) 17.
Steckel in U. Torggler, UGB3 § 275 Rz 21.
RIS-Justiz RS0119578; OGH 23. 11. 2004, 1 Ob 144/03p.
Steckel in U. Torggler, UGB3 § 275 Rz 24.
Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1298 ABGB (Stand 1. 1. 2007, rdb.at) Rz 2b, 25b; Steckel in U. Torggler, UGB3 § 275 Rz 31.
Steckel in U. Torggler, UGB3 § 275 Rz 31.
OGH 29. 3. 2016, 8 Ob 76/15g; Reckenzaun, Haftung des Abschlussprüfers - Geltendmachung durch Insolvenzverwalter, ZIK 2016, 128 (129).
Reckenzaun, ZIK 2016, 128 (129).
Argument: "Die Frage, wie sich Geschehnisse entwickelt hätten, wenn der Schädiger pflichtgemäß gehandelt hätte, lässt sich naturgemäß nie mit letzter Sicherheit beantworten, weil dieses Geschehen eben nicht stattgefunden hat." (RIS-Justiz RS0022900; OGH 18. 2. 2021, 6 Ob 207/20i).
Reckenzaun, ZIK 2016, 128 (129).
Schumacher in KLS, § 69 IO Rz 6 (Anmerkung: Nur bei Fehlen organschaftlicher Vertreter trifft die Antragspflicht und das Antragsrecht gem § 69 Abs 3a IO einen allfälligen Mehrheitsgesellschafter).
Ebke in MünchKomm HGB3 § 323 Rz 69.
Reckenzaun, ZIK 2016, 128 (129).