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Inkassoinstitut – Einziehung von Forderungen

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

GewO 1994: § 118

RAO: § 8

UWG: § 1

Gemäß § 118 Abs 1 GewO 1994 bedürfen Inkassoinstitute für die Einziehung fremder Forderungen einer Gewerbeberechtigung (§ 94 Z 36 GewO). Sie sind nicht berechtigt, Forderungen gerichtlich einzutreiben oder sich Forderungen abtreten zu lassen, auch wenn die Abtretung nur zu Zwecken der Einziehung erfolgen sollte (§ 118 Abs 3 GewO). Zur Einziehung einer fremden Forderung, die dem Ersatz eines Schadens ohne Beziehung auf einen Vertrag (§ 1295 ABGB) dient, sind Inkassoinstitute nur berechtigt, wenn diese Forderung unbestritten ist (§ 118 Abs 3 GewO). Mit dieser Bestimmung soll verhindert werden, dass schadenersatzpflichtige Personen einem ungerechtfertigten Druck ausgesetzt werden.

Das Inkassoinstitut hat somit ua abzuklären, ob eine strittige Forderung vorliegt, und dies bejahendenfalls dem Auftraggeber mitzuteilen und gegebenenfalls über die Erfolgsaussichten einer gerichtlichen Betreibung zu berichten. Es darf Vorschläge des Schuldners etwa auf Ratenzahlung oder Stundungsansuchen an den Gläubiger bzw dessen Zustimmung an den Schuldner weiterleiten, sofern es dabei lediglich als Bote agiert. Die Vermittlung von außergerichtlichen Vergleichen und die Betreibung einer strittigen (bestrittenen) Forderung fallen hingegen in den Vorbehaltsbereich der Rechtsanwälte.

Im vorliegenden Fall forderte der Auftraggeber der Bekl von vermeintlichen Verletzern von Urheberrechten Schadenersatz für die unerlaubte Nutzung. Immaterialgüterrechtliche Ansprüche auf das angemessene Entgelt (§ 86 UrhG) bzw auf das Duplum (§ 87 Abs 3 UrhG) haben zwar nach stRsp eine bereicherungsrechtliche Grundlage, allerdings wird das Entgelt nach § 87 Abs 3 UrhG als Mindestschaden iS einer Pauschalierung verstanden, das dazu dient, den besonderen Schutz des Urhebers im Bereich des Schadenersatzes zu verwirklichen. Die Erstbekl, die von den Nutzern Beträge fordert, die sich aus der „Berechnung des Schadenersatzes für die unerlaubte Nutzung“ ergeben sollen, fordert daher, ausweislich ihres Schriftverkehrs, entgegen § 118 Abs 3 GewO auch Schadenersatz. Eine Schadenersatzforderung dürfen Inkassoinstitute gem § 118 Abs 3 GewO jedoch erst dann zur Einziehung übernehmen, wenn diese unbestritten ist. Zudem ergibt sich aus dem Wortlaut der Schreiben der Erstbekl, dass sie weit über eine Inkasso- und Botentätigkeit hinausgeht. Sie nimmt inhaltlich zu einer Bestreitung Stellung, erteilt dazu Rechtsauskünfte und fordert zur Unterlassung bzw Beseitigung der Nutzung auf. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn das BerufungsG zum Ergebnis gelangte, dass die Erstbekl nach dem objektiven Erklärungswert ihrer Schreiben rechtsanwaltliche Beratungs- und Vertretungsleistungen für ihre Kunden bezogen auf strittige Ansprüche erbringt, die nicht von ihrer Gewerbeberechtigung nach § 118 GewO gedeckt sind, und dass das Vorgehen der Bekl in unvertretbarer Weise über § 118 Abs 3 GewO hinausgeht und damit gegen den Anwaltsvorbehalt gem § 8 Abs 2 RAO verstößt, sodass ein Rechtsbruch iSd § 1 UWG verwirklicht ist.

OGH 12. 9. 2023, 4 Ob 45/23f

Entscheidung

Die Organe einer juristischen Person, die Leitungsaufgaben zu erfüllen haben, haften nicht nur bei unmittelbaren (aktiven) Beteiligungen an einem Lauterkeitsrechtsverstoß. Sie können auch durch Unterlassung verantwortlich werden, wenn ihnen der Lauterkeitsrechtsverstoß bekannt geworden ist und sie diesen nicht verhindert haben, obwohl sie dazu infolge ihrer Organstellung in der Lage gewesen wären (RS0079491). Gibt es Anhaltspunkte, die mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Verantwortlichkeit der Geschäftsführer schließen lassen, ist es Sache der Geschäftsführer, darzutun, dass sie dennoch ohne ihr Verschulden daran gehindert waren, dagegen einzuschreiten (RS0079491 [T9]).

Vorliegend unterließ der Zweitbekl als Geschäftsführer der Erstbekl und Verantwortlicher für journalistisch-redaktionelle Inhalte der Website, das Geschäftsmodell der Erstbekl an die Anforderungen des § 118 GewO und § 8 RAO derart anzupassen, dass keine Beratungs- und Vertretungsleistungen zu strittigen Forderungen erbracht werden. Auch in der vom BerufungsG ausgesprochenen Haftung des Zweitbekl ist daher keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zu erkennen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34613 vom 12.10.2023