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Irreführung: Werbung mit „unlimitiertem Surfen“

UWG § 2

Im vorliegenden Fall bot ein Mobilfunkbetreiber mehrere Tarife für „unlimitiertes Surfen im Internet“ an, denen gemeinsam war, dass die Downloadgeschwindigkeit nach Erreichen eines bestimmten Datenvolumens von 21 oder 42 Mbit/s auf (maximal) 64 kbit/s gedrosselt wurde. In der Werbung für diese Tarife auf der Website des Mobilfunkbetreibers, in Printmedien und im Fernsehen wurde das „unlimitierte Surfen“ blickfangartig herausgestellt; den Kunden wurde „so viel mobiles Internet wie Sie wollen“ angeboten. Die Drosselung auf 64 kbit/s ergab sich nur aus kleingedruckten Hinweisen; deren Auswirkungen für die Internetnutzung wurde in der Werbung nicht dargelegt.

Unter „unlimitiertem Surfen“ versteht der Durchschnittsverbraucher die Nutzung der üblichen Internetdienste in angemessener Geschwindigkeit. Das ist vorliegend nach der Drosselung nicht mehr der Fall, wenn die konkrete Nutzung einen hohen Datentransfer erfordert. Eine Differenzierung zwischen einem nur auf Webseiten mit geringem Datenvolumen oder auf E-Mails bezogenen „Surfen“ und einer mit einem erhöhten Datentransfer verbundenen weitergehenden Internetnutzung kann dem Verständnis des Durchschnittsverbrauchers nicht unterstellt werden. Zwar wird er erwarten, dass sich die Geschwindigkeit nach dem Erreichen des jeweiligen Datenvolumens verringert. Beim Angebot „unlimitierten“ Surfens darf er aber annehmen, dass diese Drosselung nicht zu einer gravierenden Einschränkung der Internetnutzung führt, die über bloße Unannehmlichkeiten wegen eines etwas langsameren Seiten- oder Bildaufbaus hinausgeht.

Dass die Drosselung nur derart geringfügige Wirkungen hätte, lässt sich auch dem Vorbringen des Mobilfunkbetreibers nicht entnehmen. Die aufklärenden Hinweise reichen in diesem Zusammenhang nicht aus, weil dem Durchschnittsverbraucher nicht unterstellt werden kann, dass er aus den angegebenen Werten konkrete Schlussfolgerungen über die tatsächliche Auswirkung der Drosselung ziehen kann. Dass sich das Angebot nur an technisch versierte Kreise richtete, denen die Bedeutung von Downloadgeschwindigkeiten bewusst ist, lässt sich der beanstandeten Werbung nicht entnehmen.

OGH 21. 10. 2014, 4 Ob 137/14x

Entscheidung

Wie im Leitsatz dargestellt, ist somit nach Ansicht des OGH an der Irreführungseignung der beanstandeten Werbung an sich nicht zu zweifeln.

Allerdings wendet sich das konkrete Begehren nicht gegen die Irreführung durch das Versprechen „unlimitierten“ Surfens trotz Drosselung der Geschwindigkeit mit mehr als geringfügigen Auswirkungen auf die Internetnutzung, sondern der klagende Verein sieht die Täuschung des Publikums allein darin, dass entgegen der Werbung das „Surfen im Internet faktisch unmöglich“ sei. Der Kl greift nach Ansicht des OGH daher nicht die (oben dargestellte) Irreführung durch den Begriff des unlimitierten Surfens an, sondern wirft der Bekl vielmehr vor, ihre Leistung nach Überschreiten des Datenvolumens faktisch überhaupt nicht mehr zu erbringen. Dass dies zuträfe, ergibt sich aber aus den Feststellungen des ErstG nicht. Dessen Formulierung, dass der übliche Gebrauch des Internet so „erheblich eingeschränkt“ werde, dass man nicht mehr von unlimitiertem Surfen „sprechen“ könne, ist - so der OGH weiter - keine Feststellung, sondern die rechtliche Beurteilung des (in Wahrheit unstrittigen) Sachverhalts, dass die Drosselung eine mehr als geringfügige Auswirkung auf die Nutzung des Internet hat. Daraus lasse sich aber nicht entnehmen, welche konkreten Folgen mit der Drosselung verbunden sind. Damit liegen sekundäre Feststellungsmängel vor. Das konkrete Begehren wäre jedenfalls nicht berechtigt, wenn die Nutzung des Internet trotz der Drosselung faktisch noch immer - wenngleich bei einzelnen Diensten nur sehr langsam und mit Schwierigkeiten - möglich wäre.

Diese Erwägungen führten zur Zurückverweisung in die erste Instanz. Dort werden Feststellungen zu den konkreten Auswirkungen der Drosselung zu treffen sein. Die Klage könnte nur Erfolg haben, wenn diese Auswirkungen so gravierend sind, dass die Nutzung bestimmter Dienste - etwa das Streaming von Videos oder das Herunterladen von Bild- oder Tondateien - „faktisch unmöglich“ ist, so der OGH. Das wäre etwa der Fall, wenn es beim Betrachten von Videos andauernd zu Unterbrechungen käme oder das Herunterladen von Bild- oder Tondateien mittlerer Größe mehr als eine Stunde dauere. Sonst wäre das Begehren abzuweisen, weil das (an sich mögliche) Verbot einer schlicht irreführenden Werbung über das vom Kl erhobene Begehren hinausginge.

Bearbeiterin: Sabine Kriwanek

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 18889 vom 04.02.2015