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Untreue im Führungsbereich von Banken – Generalprävention

Bearbeiter: Sabine Kriwanek

StGB § 32

Die Tatschuld des Täters begrenzt die Unrechtsfolge (§ 32 Abs 1 StGB), sie ist aber lediglich Grundlage – und nicht ausschließliches Kriterium – der Sanktionsfindung. Der OGH hält grundsätzlich daran fest, dass für die Strafbemessung (im engeren Sinn) Aspekte der Generalprävention zu berücksichtigen sind.

Das notorische – und somit einer empirischen Untersuchung nicht bedürftige – gehäufte Auftreten von Untreuedelinquenz im Führungsbereich von Banken zwingt eine ernstzunehmende Rsp geradezu, bei der Bekämpfung dieser Form von Kriminalität innerhalb des aufgrund hohen Handlungs- und Erfolgsunrechts abzuleitenden Schuldvorwurfs für potentielle Täter abschreckende, für Rechtstreue aber bestärkende Aspekte einfließen zu lassen.

OGH 20. 10. 2015, 11 Os 52/15d

Entscheidung

In der nahezu 66 Seiten umfassenden Entscheidung hat der OGH zudem ua ausgesprochen:

-Besonders schwer wiegt hier die Tatsache, dass Erst- und Zweitangeklagter – mag Grundlage dafür auch ein hoher persönlicher Einsatz gewesen sein – trotz eines weit überdurchschnittlichen reellen Einkommens dem Streben nach noch höheren Vorteilen freien Lauf ließen.
-Der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 19 StGB stellt darauf ab, dass „er ... durch die Tat oder als deren Folge eine beträchtliche Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung oder sonstige gewichtige tatsächliche oder rechtliche Nachteile erlitten hat“.
Weder aus dem Wortlaut noch aus den Mat (EBRV 33 BlgNR 20. GP, 36) ist erschließbar, dass die Intention des Gesetzgebers so weit ging, die unbestreitbaren Nachteile als umfasst anzusehen, die die Beteiligung an einem Strafverfahren für einen Angeklagten unvermeidbar mit sich bringt. Die demonstrativen Beispiele des Gesetzes, aber auch jene der Erläuternden Bemerkungen zeigen vielmehr einen Bezug auf die Tat selbst, nicht auf das Verfahren wegen der Tat. Mit anderen Worten: Die Täterbetroffenheit knüpft an Tatfolgen an, nicht an die Verfolgung (wegen) der Tat.
Die Ausübung des Rechts auf Verteidigung (§ 7 StPO) ist als solche aufkommensneutral für die Bemessung einer Unrechtsfolge: Eine umfangreich angelegte Verteidigung ist per se weder erschwerend noch mildernd.
-Das Agieren der Medien, das den Erstangeklagten und dessen Familie belastet, kann und darf keinen Einfluss auf die Sanktionsfindung entfalten.
Dass der „Ruf des Zweitangeklagten und seiner Familie durch die mediale Aufarbeitung des Verfahrens nachhaltig ruiniert“ ist, kann die Sanktionierung strafbaren Verhaltens durch die Gerichte nicht tangieren. Für eine „analoge Anwendung“ des § 34 Abs 1 Z 19 StGB besteht in diesem Zusammenhang kein Raum.
-Häufige Beschäftigung eines Experten in Strafverfahren begründet – selbst bei Einbeziehung wirtschaftlicher Momente – objektiv keine Voreingenommenheit für einen bestimmten Prozess, wird ein Gutachter doch von den staatlichen Organen zur Unterstützung der Wahrheitsfindung (§ 3 StPO) und nicht zwecks Erlangung von Gebührenansprüchen (als Folge seiner Tätigkeit) beigezogen.
-Mag auch die Forderung des § 270 Abs 1 StPO unmissverständlich sein und (anders als § 285 Abs 2 StPO) keine gesetzliche Ausnahme haben, sieht der OGH die Nichteinhaltung der Norm differenziert nach Lage des Falles: Nicht jeder Richter kann jederzeit jedwedes Urteil innerhalb von vier Wochen ausfertigen. Diese Konzession ua an die Unterschiede menschlicher Leistungsfähigkeit, aber va an den kontinuierlich wachsenden Umfang einer immer größer werdenden Zahl von Strafverfahren ist realistischerweise unverzichtbar – ohne dass dadurch die Grundrechte nicht ernst genommen würden. Im Gegenstand hat die Ausfertigungsfrist zufolge der sehr anspruchsvollen Materie noch nicht ein Ausmaß erreicht, das aus § 34 Abs 2 StGB zu berücksichtigen wäre.
Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 20617 vom 20.11.2015