Human Resources

Die gesundheitlichen Auswirkungen von Home-Office

Mag. Dr. Manuela Lindmayr

Home-Office war praktisch für viele Angestellte quasi über Nacht ein Thema. Es ermöglicht in dieser herausfordernden Zeit zwar, weiterhin seiner Arbeit nachzugehen und viele Betriebe sicher durch die Krise zu führen, in der Regel sind die Arbeitsbedingungen jedoch zu Hause nicht optimal. Es musste oftmals schnell improvisiert werden und auf die Ergonomie konnte dabei in den wenigsten Fällen Rücksicht genommen werden. Die Arbeitnehmer arbeiten meist per Notebook, der Sessel lässt sich in der Regel nicht höhenverstellen, vom Tisch ganz zu schweigen.

In diesem Artikel geht es einerseits um kleine praktische Tipps, um die Belastung durch die Sitzposition für unseren Körper etwas zu reduzieren, andererseits werden Maßnahmen zur Gegensteuerung aufgezeigt, da Personen, die im Home-Office arbeiten, nachgewiesenermaßen noch weniger Alltagsbewegungen durchführen.

Suboptimale Arbeitsbedingungen im Home-Office

Längeres Sitzen, gerade vor Notebooks, zwingt förmlich zu einer nachteiligen Körperhaltung, da sich Tastatur und Monitor nicht getrennt voneinander anordnen lassen. Dieser Umstand zwingt zu einer gebeugten Sitzhaltung mit Überstreckung der Halswirbelsäule. Die Halswirbelsäule wird bei der Position extrem belastet, da das Gewicht des Kopfes durch die Streckung nach vorne nicht über die gesamte Wirbelsäule verteilt werden kann. Ein durchschnittlicher Kopf wiegt in etwa fünf Kilogramm. Wenn der Kopf wegen des Arbeitens am Handy oder Notebook nur sieben Zentimeter vor dem Körper steht, wirken rund 15 Kilogramm Druckbelastung auf die betroffenen Wirbelsegmente und deren Stützgewebe.

Wer im Home-Office auf ein Notebook angewiesen ist, kann dem etwas entgegenwirken und das Notebook auf eine Erhöhung stellen und mittels externer Tastatur und Maus arbeiten. Nur mittels externer Tastatur und Maus kann der Bildschirm auch in seinem Abstand richtig angepasst werden. In Fällen, wo das derzeit technisch nicht möglich ist, sollte der Bildschirm zumindest ein wenig weiter nach hinten geklappt werden, sodass nur der Blick nach unten gesenkt wird und dennoch eine aufrechte Sitzposition eingenommen werden kann. Wichtig ist, diese Position am Beginn nur für kurze Zeit (ca 10-15 Minuten) einzunehmen und dann wieder in eine andere Haltung zu wechseln, da der Körper in der Regel an eine aufrechte Position nicht gewöhnt ist.

Wer zwei Bildschirme auf dem Schreibtisch verwendet, sollte diese so nebeneinander anordnen, dass sie sich auf gleicher Höhe befinden. Sollte einer der beiden Monitore der hauptsächliche Arbeitsbildschirm sein, während über den zweiten nur gelegentlich Informationen bezogen werden, sollten die Monitore so verschoben werden, dass Sie in zentrierter Körperhaltung vor dem überwiegend genutzten Bildschirm bequem arbeiten können, vor allem wenn der Arbeitsstuhl nicht drehbar ist.

Am Küchen- oder beim Esstisch arbeiten zu müssen, kann auch noch weitere Auswirkungen auf unseren Körper haben. Wenn der verwendete Sessel - wegen der fehlenden Höhenverstellbarkeit - zu niedrig ist, muss der Körper diese Position permanent ausgleichen, indem die Schulter (vorwiegend der "Maus-Hand") hochgezogen und meist auch nach vorne geschoben werden muss. Wichtig ist, sich dessen bewusst zu werden und zu versuchen, in regelmäßigen Abständen bewusst die Schulter wieder abzusenken und aktiv nach hinten unten zu ziehen.

Wegfall der "Incidental activity"

Abseits der suboptimalen Arbeitsbedingungen reduziert sich im Home-Office die sogenannte "Incidental activity". Als "beiläufige Aktivität" wird jede kleine Form von Bewegung bezeichnet, die sich im Laufe des Tages ansammelt und zu einem erhöhten Maß an täglicher Aktivität führt. Wie zum Beispiel der tägliche Gang ins Büro, der nun wegfällt. Auch im Büro selbst kommt man im Durchschnitt normalerweise auf zumindest 2000-3000 Schritte pro Tag. Auf einen Schlag fallen somit viele meist unscheinbare, aber dennoch wichtige Aktivitäten des Alltags einfach weg.

Der sitzende Lebensstil ist ohnedies schon eine enorme Belastung für unseren Körper. Fallen nun diese "beiläufigen Aktivitäten" im Home-Office auch noch weitgehend weg, ist die Belastung für unseren Bewegungsapparat noch viel größer.

Die gesundheitlichen Auswirkungen können ganz vielfältig sein. Kurzfristig spürbar sind meist Verspannungen im Nacken- und Hals-Bereich. Auch der untere Rücken ist enorm belastet, vor allem wenn die Sitzposition aufgrund des fehlenden optimalen Bürostuhls nicht ergonomisch ist. Durch das Sitzen werden die Gesäßmuskeln und die Stützstruktur der Wirbelsäule abgeschaltet, es wölbt sich die Lendenwirbelsäule nach hinten und erzeugt so einseitigen Druck auf die Bandscheiben. Das Becken, das oftmals beim Sitzen nach hinten gekippt ist, erhöht diese Problematik noch mehr. Im Grunde sitzt man auf den letzten Wirbelknochen anstatt auf den Sitzbeinhöckern.

Einfache Tipps zur Vorbeugung körperlicher Beschwerden im Home-Office

Mit folgenden vier einfachen Tipps und Bewegungsimpulsen kommen sie gesünder durch die Zeit im Home-Office:

1.Reduzieren Sie das Sitzen, wann immer möglich

Mit etwas Kreativität gelingt es, einen Teil der sitzenden Zeit in stehende oder bewegende Zeit zu verwandeln - selbst im Home-Office.

Überlegen Sie sich bereits sich in der Früh bei ihrer Tagesplanung, welche Telefonate Sie heute im Stehen durchführen können. Vielleicht besteht auch die Möglichkeit, sich zu Hause einen Stehtisch zu "basteln", wo gewisse einfache Tätigkeiten, wie Ablage, Recherche oder Ähnliches durchgeführt werden können - ein nicht zu unterschätzender Vorteil von einem Notebook! Online-Meetings und Calls eignen sich ebenfalls perfekt hierfür.

Wichtig ist, am Beginn mit kurzen, überschaubaren Einheiten zu starten, die auch wirklich realistisch umsetzbar sind.

2.Bewegen Sie sich pro 60 Minuten im Sitzen für mindestens fünf Minuten

Führen Sie aktive Bewegungspausen ein. Am Arbeitsplatz im Büro sind das oftmals Wege, um Unterlagen zu holen, sich kurz mit Kollegen auszutauschen, aber auch der Besuch des Kaffeeautomaten, der Weg in die Kantine oder Ähnliches. Im Home-Office fehlen genau diese Unterbrechungen. Planen Sie daher zu Hause bewusste Unterbrechungen ein. Stellen Sie sich zumindest alle 55 Minuten das Handy oder laden sie sich eine App herunter, die Sie bei dem Vorhaben unterstützt (zB die App "Habitify").

Nutzen Sie die fünf Minuten, indem sie sich bei offenem Fenster in alle Richtungen strecken und recken, gehen Sie ein paar Schritte, bewegen Sie sich einfach im Raum. Wichtig für den Köper, speziell für unseren Rücken, ist vor allem der Positionswechsel, das aktive Verlassen der Sitzposition. Die kurzen Unterbrechungen sind nicht nur für unseren gesamten Bewegungsapparat essenziell, sondern auch für die Erholung unserer Augenmuskeln, die durch die konzentrierte Bildschirmarbeit - oft auch unter vielleicht nicht optimalen Lichtbedingungen im Home-Office - enorm belastet werden.

3.Überprüfen und korrigieren Sie Ihre Körperhaltung im Sitzen, so oft es geht

Gleich vorweg - die eine optimale Sitzposition gibt es nicht. Jede statische Haltung, die wir unserer Wirbelsäule über einen zu langen Zeitraum zumuten, ist eine Belastung. Hier gilt das Prinzip, möglichst oft die Sitzposition zu verändern - allerdings immer unter dem wichtigsten Aspekt, die neutrale Wirbelsäulenhaltung aufrecht zu halten.

Kombinieren Sie die Korrektur ihrer Körperhaltung mit Arbeitsabläufen, die Sie ausführen. Am besten geeinigt sind hierfür "Wenn - dann"-Regeln. Wenn Sie eine gewisse Aufgabe ausgeführt haben, dann steht der Körpercheck am Programm. Gehen Sie in einer Art Checkliste ihre Körperposition von unten nach oben durch. Wie stehen ihre Beine am Boden? Spüren Sie ihre Sitzbeinhöcker? Spannen Sie bewusst ihre Gesäßmuskulatur an. Passt die Wirbelsäulenposition? Ziehen Sie den Rücken einschließlich der Halswirbelsäule lang und achten Sie auf ihre Schultern, ziehen Sie diese bewusst nach hinten und unten.

Gute Körperhaltungen sind theoretisch einfach - sie allerdings zur Gewohnheit zu machen ist, anstrengend und braucht viel Übung!

4.Mobilisieren Sie täglich 10 bis 15 Minuten ihre Gelenke

Die Mobilisierung der Brust- und Halswirbelsäule, der Schultern und des Hüftgelenks sollten als Minimalprogramm zur täglichen Routine werden. Die Übungen dienen dazu, die Gelenk- und Gewebebeweglichkeit und die Muskelgeschmeidigkeit wiederherzustellen bzw auch um mögliche Schmerzen durch Faszien-Verklebungen und Verspannungen zu reduzieren.

Auch hier reichen die fünf Minuten Arbeitsunterbrechung aus, um einzelne Strukturen bewusst zu mobilisieren.

Praxistipp

Praxis-Tipp: Durch Scannen der folgenden beiden QR-Codes kommt man zu zwei Videos: Mobilisation der Halswirbelsäule und der Brustwirbelsäule. Einfache Übungen, die perfekt in den Alltag integrierbar sind - ohne viel zusätzlichen Zeitaufwand.

Video 1 - Mobilisation der Halswirbelsäule:

Praxistipp

Video 2 - Mobilisation der Brustwirbelsäule:

Zusammenfassung

Planen Sie feste aktive Pausen in Ihren Tagesablauf ein. Egal ob Sie täglich trainieren, Yoga oder Pilates machen - wichtig sind kurze, regelmäßige Pausen zwischendurch, um den Körper aus der starren Sitzposition zu entlasten. Es geht dabei nicht um sportliche Höchstleistungen, sondern darum, sich möglichst oft vom Sessel zu erheben - und wieder zu lernen, auf die Signale des Körpers zu hören. Die zunehmende Anspannung wirkt sich nämlich nicht nur auf unsere Muskeln, sondern auch auf unsere Psyche aus!

So wesentlich Ergonomieberatungen und gesundheitliche Schulungen direkt in den Unternehmen sind, zum jetzigen Zeitpunkt ist es wichtig, die Angestellten im Home-Office auch in diesem Bereich optimal zu unterstützen. Geben Sie als Arbeitgeber oder Personalverantwortlicher diese kleinen Tipps an Ihre Mitarbeiter im Home-Office weiter. Ermutigen Sie Ihre Mitarbeiter zu kleinen Arbeitspausen, in denen sie ihrem Körper etwas Gutes tun, und fördern Sie die Eigeninitiative und die Selbstverantwortung der einzelnen Mitarbeiter, um optimal mit der nicht nur psychisch, sondern auch körperlich sehr belastenden Situation Home-Office bestmöglich umgehen zu können.

Artikel-Nr.
ARD digital exklusiv 2020/13

01.04.2020
Autor/in
Manuela Lindmayr

Mag. Dr. Manuela Lindmayr ist Sportwissenschafterin mit dem Schwerpunkt Public Health. Seit 2006 laufende Lehr-und Vortragstätigkeit. Durchführung von Firmenprojekten im Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung, Workshops und Testungen mit der Spezialisierung auf Rückengesundheit in Betrieben. Qualitätsmanagement für Fitness-Trainerausbildungen.
www.active-events.at