Die in § 25 Abs 1a GmbHG und § 84 Abs 1a AktG verankerte sog Business Judgement Rule, wonach als Geschäftsführer bzw Vorstand jedenfalls im Einklang mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes handelt, wer sich "bei einer unternehmerischen Entscheidung nicht von sachfremden Interessen leiten lässt und auf der Grundlage angemessener Information annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln", ist grundsätzlich auf andere Rechtsformen übertragbar (OGH 6 Ob 160/15w [zum Vorstand einer Privatstiftung]; Karollus, Die neuen gesetzlichen Regelungen zur Business Judgement Rule im Gesellschaftsrecht [§ 84 Abs 1a AktG und § 25 Abs 1a GmbHG], in Kodek, Untreue NEU. Wechselbeziehungen zwischen Straf-, Zivil- und Gesellschaftsrecht [2017] 43 [60 ff]). Es geht dabei im Kern um den Ermessensspielraum bei unternehmerischen Entscheidungen (OGH 6 Ob 160/15w ErwGr 4.2), der freilich im Haftungsprozess beim "full blown second guessing" mit dem Wissen um den Ausgang gelegentlich negiert wird (vgl dazu anschaulich Karollus in Kodek, Untreue 45 f mwN). Nicht nur weil Letzteres auch für die Insolvenzverwalterhaftung gilt, ist interessant, ob es auch eine Insolvency Judgement Rule gibt. Das anzuzeigende Buch, eine Kölner Dissertation, untersucht diese in Deutschland strittige (vgl die Nachweise bei Kirschey, Haftung 177) Frage ausführlich und lehnt eine Analogie zur Regelung des dAktG mangels Lücke ab, da § 60 Abs 1 S 2 dInsO, wonach der Insolvenzverwalter "für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen" hat, einen spezifischen Sorgfaltsmaßstab begründe (Kirschey, Haftung 184 ff). Auch de lege ferenda spricht sich Kirschey gegen eine Insolvency Judgement Rule aus; es stehe im Widerspruch zum vorrangigen Verfahrensziel der Haftungsrealisation und der besonderen mehrseitig fremdbestimmten Vertrauensposition des Verwalters, wenn dieser "am Ertragswert orientierte risikoreiche Geschäfte mit konkreter Verlustgefahr tätigt und sich dabei etwa auf Instinkt, Phantasie und ‚Bauchgefühlentscheidungen‘ verlassen darf" (so zusammenfassend Kirschey, Haftung 204). Wenn auch der Rezensent ganz sicher ist, dass (zumindest hierzulande) Instinkt und Phantasie (und manchmal auch "Bauchgefühl") für eine erfolgreiche Insolvenzabwicklung ebenso nötig sind wie solide juristische Kenntnisse und unternehmerisches Können, sei zu alldem aus österr Sicht nur angemerkt, dass sich die in OGH 6 Ob 160/15w ErwGr 4.3 als Rechtfertigung für die Business Judgement Rule erkannte "sachgerechte Regelung für die Risikotragung bei unternehmerischen Entscheidungen" zwanglos auf das Insolvenzverfahren übertragen lässt, in dem es zwar (auch) keinen das wirtschaftliche Risiko tragenden Eigentümer, aber mit den Gläubigern "wirtschaftlich interessierte Personen" gibt, die "als Zweckadressaten" der Masse "das Risiko unternehmerischer Entscheidungen zu tragen haben". Ganz zu Recht hat daher zuerst Reich-Rohrwig auf die Relevanz der Business Judgement Rule im Zusammenhang mit § 81 Abs 3 IO hingewiesen (Reich-Rohrwig, Anm zu 9 Ob 38/16b, ecolex 2017, 682; zust Bollenberger, Zur Haftung des Insolvenzverwalters gegenüber Insolvenzgläubigern, ZIK 2017/268, 206 [210 f]; Riel, Haftung des Insolvenzverwalters für Fehler bei der Forderungsprüfung, ecolex 2018, 632 [634]) - das Thema ist jedenfalls eine nähere Untersuchung wert, für die das angezeigte Werk mit Nutzen herangezogen werden kann.
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