Rechtsprechung / Mietrecht

LG für ZRS Wien 39R102/20v

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LG für ZRS Wien 39 R 102/20v 15. 7. 2020

Das Landesgericht für ZRS Wien als Berufungsgericht erkennt durch den Richter X* als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Y* und Z* in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch die V* Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B* C*, vertreten durch W*, Rechtsanwalt in Wien, wegen Übergabe eines Bestandobjektes infolge Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 6.2.2020, 20 C 203/19g-11, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht:

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit € 548,86 (darin € 91,48 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil erklärte das Erstgericht den Übergabsauftrag vom 29.8.2019 für rechtswirksam und verpflichtete den Beklagten zur geräumten Übergabe des Bestandobjektes Top 10 auf der Stiege 1 des Hauses D* E* in C* und zum Kostenersatz an die Klägerin.

Das Erstgericht traf die auf den Seiten 2 und 3 der Urteilsausfertigung (Aktenseiten 54 und 55) wiedergegebenen Feststellungen. Danach begehrte die Klägerin als Eigentümerin der Wohnung bereits im Verfahren 49 C 295/15v des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien die geräumte Übergabe der Wohnung zum 31.12.2015. Dagegen wandte der Beklagte ein, dass das erste Mietverhältnis vom 1.1.2005 bis 31.12.2008, das zweite vom 1.1.2009 bis 31.12.2012 gedauert habe und die Befristung des dritten Vertrages unwirksam von 1.1.2013 bis 1.2.2014 vereinbart worden sei, weshalb ein unbefristetes Mietverhältnis vorliege.

In der Verhandlung vom 8.3.2016 im Verfahren 49 C 295/15v brachte die Klägerin vor, dass es sich bei dem vorgelegten Schreiben, das eine unzulässige Befristung vorgesehen habe, um einen internen Fristenvormerk gehandelt habe, nicht aber um eine Vereinbarung einer Befristung. Die Parteien führten in dieser Tagsatzung Vergleichsgespräche und vereinbarten einfaches Ruhen. Der Beklagte war in der Verhandlung durch Rechtsanwalt F* vertreten, ein Dolmetscher übersetzte für den Beklagten. Am 14.3.2016 schrieb der Klagevertreter an den damaligen Beklagtenvertreter U* unter anderem wie folgt:

"Das Mietverhältnis zwischen unserer Mandantin und ihrem Klienten im Hinblick auf die im ersten Stock auf Stiege 1 des Hauses D* ... gelegene Wohnung W 10 wird um weitere 4 Jahre erneuert, sodass dieses mit 31.12.2015 endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. [...]".

Dieses Schreiben unterfertigte der Klagevertreter T*. Mit Schreiben vom 30.3.2016, unterfertigt von F* und als Anhang mit E-Mail vom 30.3.2016 an den Klagevertreter übersandt, teilte F* mit, dass sein Mandant das Vergleichsanbot mit der Maßgabe annehme, dass die Befristung mit 31.12.2019 ablaufe. Daraufhin übersandte der Klagevertreter dem Beklagtenvertreter mit E-Mail vom 30.3.2016 eine um die Jahreszahl korrigierte Zweitschrift des Schreibens vom 14.3.2016, die lautete:

"[...] 1. Das Mietverhältnis zwischen unserer Mandantin und ihrem Klienten im Hinblick auf die im ersten Stock auf Stiege 1 des Hauses D*/** H*/E* H*, C*, gelegene Wohnung ** 10 wird um weitere 4 Jahre erneuert, sodass dieses mit 31.12.2019 endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. [...]".

Abgesehen von dem korrigierten Datum war das Schreiben inhaltsgleich mit jenem vom 14.3.2016. Das Schreiben versah der Beklagtenvertreter U* mit dem Vermerk "einverstanden", unterfertigte es und retournierte es dem Klagevertreter.

Rechtlich folgerte das Erstgericht aus den Feststellungen, im Schreiben vom 14.3.2016 sei festgehalten worden sei, dass das Mietverhältnis um 4 Jahre erneuert werde, woraus sich in der Zusammenschau mit dem begehrten Räumungstermin und dem Vorbringen, dass die Befristung mit 31.12.2015 ablaufe, ohne Zweifel das Endigungsdatum des Mietverhältnisses mit 31.12.2019 ergebe. Bei dem Datum 31.12.2015 handle es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit. Das Schreiben sei im Jahr 2016 verfasst worden und es sei ein neuer Mietzins ab 1.1.2016 vereinbart worden, weshalb für alle Beteiligten klar gewesen sei, dass ein Ende mit 2019, nicht jedoch mit 2015 gemeint gewesen sei. Die nachträgliche Berichtigung der offensichtlichen Unrichtigkeit, die per E-Mail erfolgt sei und vom Klagevertreter nicht neuerlich unterfertigt worden sei, hindere nicht das Zustandekommen der wirksamen Befristung. Die Schriftlichkeit seitens der Vermieterin sei bereits mit Schreiben vom 14.3.2016 gewahrt worden. Mit Unterfertigung durch den Beklagtenvertreter am 31.3.2016 sei dem beidseitigen Schriftlichkeitsgebot Genüge getan worden. Anzeichen dafür, dass der Beklagte in Irrtum geführt worden wäre, seien nicht hervorgekommen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung einschließlich sekundärer Feststellungsmängel mit einem Abänderungs-, in eventu Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Der Beklagte wendet sich gegen die Rechtsauffassung des Erstgerichts, dass eine rechtswirksame Befristungsvereinbarung zwischen den Parteien getroffen worden sei. Dem Schriftformgebot des § 29 Abs 1 Z 3 MRG für die Wirksamkeit einer Befristung sei nicht entsprochen worden, weil keine eigenhändige Unterfertigung durch beide Vertragsteile vorliege. Eine schriftliche Vertragserklärung des Mieters im anwaltlichen Korrespondenzweg, der eine formlose korrespondierende Vertragserklärung im anwaltlichen Korrespondenzweg gegenüberstehe, genüge nicht für das Entstehen einer durchsetzbaren Befristung. Zur Begründung zieht die Berufungswerberin die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu 6 Ob 185/16y und 6 Ob 25/00w heran, wonach die im anwaltlichen Korrespondenzweg dokumentierte, jedoch nur mündlich getroffene und nicht von beiden Parteien unterfertigte Vereinbarung dem Schriftlichkeitsgebot des § 29 Abs 3 Z 3 lit a) MRG nicht genüge und die angestrebte Befristung der Vertragsverlängerung somit nicht wirksam vereinbart worden sei. Es liege keine rechtsgeschäftliche Erklärung vor, sondern nur ein Angebot des Rechtsvertreters der Klägerin an den Rechtsvertreter der Beklagten. Die eigenhändige Unterschrift der Vertragsparteien fehle.

Dieser Argumentation ist Folgendes zu erwidern: Voraussetzung für die Wirksamkeit der Befristung eines Mietvertrags ist gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit a) MRG die Einhaltung der Schriftform (RIS-Justiz RS0112243). Die Schriftform erfordert grundsätzlich die eigenhändige Unterschrift unter dem Text (RIS-Justiz RS0078934). Bei einem zweiseitig verbindlichen Vertrag wie dem Zeitmietvertrag wird dem Formerfordernis der Schriftlichkeit grundsätzlich nur dann entsprochen, wenn beide Parteien den Vertrag unterzeichnet haben (6 Ob 192/19g; RIS-Justiz RS0017232; RS0101797 [T1]; vgl RS0014174 [T1]).

Der Oberste Gerichtshof hat zu § 29 Abs 1 Z 3 MRG bereits klargestellt, dass das österreichische Recht bei rechtsgeschäftlichen Erklärungen nicht danach unterscheidet, ob diese von einer Vertragspartei selbst oder von ihrem Rechtsvertreter verfasst wurden (6 Ob 185/16y). Die eigenhändige Unterfertigung der Befristungsvereinbarung durch die Parteienvertreter steht der Unterfertigung durch die Partei daher gleich (vgl zur Bevollmächtigung RIS-Justiz RS0017983 [T1]; 6 Ob 192/19g).

Der Fall einer nur mündlich getroffenen, im Korrespondenzweg bloß (ohne Abgabe rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen) dokumentierten Befristungsvereinbarung, wie sie den Entscheidungen zu 6 Ob 25/00w und 6 Ob 185/16y zu Grunde lag, liegt hier nicht vor. Vielmehr ist die eine Befristung vorsehende rechtsgeschäftliche Willenserklärung im Text der von den Parteienvertretern eigenhändig unterschriebenen Anbots- und Annahmeerklärung verkörpert (vgl RIS-Justiz RS0014174; RS0112243; 6 Ob 192/19g). Die Rechtsvertreter der Streitteile haben nicht bloß miteinander korrespondiert oder gar nur ihrer jeweiligen Mandantschaft über die Vereinbarung einer Befristung berichtet, sondern im Rahmen der schriftlichen Korrespondenz verbindliche rechtsgeschäftliche Erklärungen abgegeben. Die im Vergleichsanbot der Klägerin enthaltene Jahreszahl 2015 stellt eine offensichtliche Unrichtigkeit im Sinn eines Schreibfehlers dar. Beide Seiten hatten im Erklärungszeitpunkt übereinstimmend das Verständnis, dass das Mietverhältnis um weitere 4 Jahre verlängert sein solle, womit offenkundig ist, dass nicht gemeint sein konnte, dass es rückwirkend mit Ende 2015, sondern zum 31.12.2019 enden soll. Eine solche Falschbezeichnung schadet nicht, weil die Vertragsparteien ein übereinstimmendes Verständnis vom Ende der Frist hatten (1 Ob 22/08d MietSlg 60.319). Der offensichtliche Irrtum wurde auch umgehend vom Klagevertreter berichtigt, das im Weg eines E-Mails an den Beklagtenvertreter auf 2019 korrigierte Anbot wurde mit dem Vermerk "einverstanden" vom Beklagtenvertreter unterfertigt und dem Klagevertreter retourniert.

Ein Mangel an der rechtsgeschäftlichen Vertretungs- macht der Rechtsvertreter der Streitteile liegt nicht vor: Den Rechtsvertretern wurde eine Vollmacht zur Prozessführung im Sinn des § 31 Abs 1 ZPO erteilt. Diese vermittelt die Befugnis zur Sachdisposition über den Streitgegenstand. Die Prozessvollmacht deckt auch außergerichtliche Vergleiche über den Prozessgegenstand (vgl Klauser/Kodek, JN-ZPO18 § 31 ZPO E 7).

Als sekundäre Mangelhaftigkeit rügt der Berufungswerber die Unterlassung von Feststellungen zum bestehenden Mietverhältnis seit 1.1.2005. Nach seinem Vorbringen sei der am 14.12.2004 abgeschlossene Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit erneuert anzusehen, weil nach dem 31.12.2012 der Vertrag nicht aufgelöst und auch nicht befristet verlängert worden sei.

Diese Argumentation geht ins Leere, weil sich Feststellungen dazu angesichts des rechtswirksam abgeschlossenen außergerichtlichen Vergleichs erübrigen. Selbst wenn ein unbefristetes Mietverhältnis vorgelegen haben sollte, so haben die Parteien mit Abschluss des Vergleichs im Hinblick auf die Vertragsdauer des Mietverhältnisses eine vertragliche Vereinbarung getroffen und damit eine Vertragsänderung herbeigeführt. Mit dem getroffenen Vergleich haben die Parteien eine Befristung des Mietverhältnisses zum 31.12.2019 rechtswirksam vereinbart. Ein Rückgriff auf frühere Vereinbarungen zur Dauer des Mietverhältnisses scheidet daher aus (vgl 6 Ob 192/19g).

Der Berufung war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig, weil eine über den Einzelfall hinausgehende erhebliche Rechtsfrage nicht zu lösen war.

Artikel-Nr.
ImmoZak digital exklusiv 2021/7

19.05.2021