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Wissens-Check: Wie ist ein gerichtlicher Vergleich lohnsteuerlich korrekt abzurechnen?

Tina Dangl / Mag. Ernst Patka

In dieser Rubrik stellen wir Fragen, die im Praxisalltag auftauchen. Sie haben die Möglichkeit, Ihr diesbezügliches Wissen zu testen.

Ein Dienstnehmer fordert gerichtlich von seinem Dienstgeber diverse Bezüge und eine gesetzliche Abfertigung. Er erhält einen Vergleichsbruttobetrag, der geringer ist als die geforderte gesetzliche Abfertigung.

Kann der Dienstgeber daher diesen Vergleichsbetrag zur Gänze als lohnsteuerliche - mit 6 % begünstigte - gesetzliche Abfertigung abrechnen?

Verwendete Abkürzungen in diesem Beitrag:

DG ... Dienstgeber//DN ... Dienstnehmer//DV ... Dienstvertrag bzw Dienstverhältnis//iHv ... in Höhe von

A) Folgende Beträge forderte der Dienstnehmer gerichtlich vom Dienstgeber

Nachdem das DV beendet wurde, klagte der DN den DG und forderte Ansprüche iHv insgesamt € 373.697,72 ein. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus

a)ausstehenden Gehältern, Sachbezug, aliquoten Sonderzahlungen und Gewinnbeteiligungen (insgesamt: € 326.697,72) und
b)aus einer gesetzlichen Abfertigung iHv € 47.000,00 (das sind 12,58 % der gesamten Klagssumme).

B) So lautet die Vergleichsformulierung

Variante 1:

1. Der Dienstgeber verpflichtet sich, aus dem einvernehmlich am XXX beendeten Dienstverhältnis, dem Dienstnehmer € 36.000,00 brutto binnen 14 Tagen ab Rechtswirksamkeit des Vergleichs zu Handen des Rechtsanwaltes des Dienstnehmers zu bezahlen.
2. Durch diesen Vergleich sind sämtliche zwischen den Parteien allfällig bestehenden Ansprüche und Forderungen bereinigt und verglichen.

Variante 2:

1. Der Dienstgeber verpflichtet sich, aus dem einvernehmlich am XXX beendeten Dienstverhältnis, dem Dienstnehmer € 36.000,00 brutto an gesetzlicher Abfertigung binnen 14 Tagen ab Rechtswirksamkeit des Vergleichs zu Handen des Rechtsanwaltes des Dienstnehmers zu bezahlen.
2. Durch diesen Vergleich sind sämtliche zwischen den Parteien allfällig bestehenden Ansprüche und Forderungen bereinigt und verglichen

Wissens-Check: Wie ist ein gerichtlicher Vergleich lohnsteuerlich korrekt abzurechnen? - Anfang Seite 115

Variante 3:

1. Der Dienstgeber verpflichtet sich, aus dem einvernehmlich am XXX beendeten Dienstverhältnis, dem Dienstnehmer € 36.000,00 brutto an freiwilliger Abfertigung binnen 14 Tagen ab Rechtswirksamkeit des Vergleichs zu Handen des Rechtsanwaltes des Dienstnehmers zu bezahlen.
2. Durch diesen Vergleich sind sämtliche zwischen den Parteien allfällig bestehenden Ansprüche und Forderungen bereinigt und verglichen

C) So rechnet der Dienstgeber diesen Vergleichsbetrag ab

Da der DN aufgrund des abgeschlossenen Vergleichs einen Bruttobetrag (= € 36.000,00) erhält, der niedriger ist als die geforderte gesetzliche Abfertigung, rechnet der DG in allen 3 Varianten die Vergleichssumme als gesetzliche Abfertigung, begünstigt mit 6 % Lohnsteuer, ab.

Ist diese Abrechnung korrekt?

D) Lösungen

Variante 1:

Ist aus der Vergleichsformulierung nicht erkennbar, in welchem Ausmaß einzelne Forderungen des DN (zur Gänze? - teilweise? - gar nicht?) seitens des DG anerkannt werden, ist der Vergleichsbetrag anteilig aufzuteilen und entsprechend abzurechnen.

Konkret beträgt die gesamte Forderungssumme € 373.697,72. Die geforderte gesetzliche Abfertigung beträgt hievon lediglich 12,58 %. Da Variante 1 als Pauschalvergleich formuliert ist (dh, der Vergleichsbetrag ist nicht auf einzelne DN-Forderungen explizit aufgeteilt), kann nur ein anteiliger Betrag iHv € 4.528,80 (= € 36.000,00 x 12,58 %) als lohnsteuerliche ‒ mit 6 % begünstigte ‒ gesetzliche Abfertigung abgerechnet werden.

Hinweis

Hinweis

Wie Vergleichszahlungen grundsätzlich abzurechnen sind, finden Sie in PVP 2016/18, 66 (März-Heft).

Variante 2:

Der DN forderte im gerichtlichen Verfahren eine gesetzliche Abfertigung (€ 47.000,00), deren Betrag höher ist als der Vergleichsbetrag (= € 36.000,00).

Eine gesetzliche Abfertigung ist auch dann begünstigt zu besteuern, wenn sie als Teil eines Vergleichs ausbezahlt wird, sofern erkennbar ist, in welchem Ausmaß die Vergleichssumme auf diesen Anspruch entfällt (siehe VwGH 27. 1. 2016, 2013/13/0001).

Das ist bei Variante 2 der Fall. Die Finanz hat keine gesetzliche Grundlage, die Vergleichssumme aliquot den geforderten Ansprüchen zuzuordnen.

Variante 3:

Die bloße Bezeichnung einer Vergleichssumme als "(freiwillige) Abfertigung" reicht nicht aus, um diese Zahlung als solche steuerlich begünstigt abzurechnen. Es zählt der wahre wirtschaftliche Gehalt der Zahlung.

Da der DN keine freiwillige Abfertigung eingeklagt hat, kann der Vergleichsbetrag auch nicht als solche abgerechnet werden. Somit fehlt bei der Vergleichsvariante eine eindeutige betragliche Zuordnung des Vergleichsbetrages auf die einzelnen DN-Forderungen. Es liegt daher - wie in Variante 1 - ein Pauschalvergleich vor.

Die Abrechnung erfolgt wie in Variante 1, dh, es kann nur ein anteiliger Betrag von € 4.528,80 als lohnsteuerliche ‒ mit 6 % begünstigte ‒ gesetzliche Abfertigung abgerechnet werden.

Artikel-Nr.
PVP digital exklusiv 2016/29

25.04.2016
Autor/in
Tina Dangl

Mag. Tina Dangl ist Juristin, geprüfte Personalverrechnerin, ausgebildete Kindergarten- und Hortpädagogin, Personalrechtsexpertin (Mitgestalterin des PV-BLOG: www.pv-praxiswissen.at), Vortragende (WIFI, ARS, Business Circle, Forum Verlag und bei In-Haus-Schulungen), Steuerberater-Berufsanwärterin und war Kanzleileiterin der auf In-Haus-Schulungen, Wissensvermittlung (nach der U.N.I-Methode; Unterhaltsam, Nachhaltig, Informativ) und Beratungen (Arbeits-, SV- und Lohnsteuerrecht) spezialisierten Kanzlei Mag. Ernst Patka.

Ernst Patka

StB Ing. Mag. Ernst Patka, Steuerberater und Wirtschaftspädagoge, Experte für Arbeits-, Sozialversicherungs- und Lohnsteuerrecht, Beratungen und Seminare nach der U.N.I.-Methode (Unterhaltsam & Nachhaltig & Informativ), GPLB-Erfolgs-Coach, Fachautor, Chefredakteur der PVP - Personalverrechnung für die Praxis. Sein Motto: „Komplexes verständlich & praxisorientiert vermittelt.“ Er betreibt einen BLOG zu Personalrechtsthemen unter
https://www.patka-knowhow.at/blog-aktuell/.