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Abfertigung Alt: Bemessung ohne Unternehmensbeteiligungen

Bearbeiter: Manfred Lindmayr / Bearbeiter: Barbara Tuma

AVRAG: § 2a

Gemäß § 2a AVRAG sind Vorteile aus Beteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers (oder verbundenen Konzernunternehmen) und Optionen auf den Erwerb von Arbeitgeberaktien nicht in die Bemessungsgrundlagen für Entgeltfortzahlungsansprüche und Beendigungsansprüche einzubeziehen. Von § 2a AVRAG erfasst werden dabei nicht nur „langfristige“ Mitarbeiterbeteiligungen oder Beteiligungsmodelle, die keinen „sofortigen“ Verkauf der Aktien zuließen.

Werden einem Arbeitnehmer Aktienoptionen der Konzernmutter der Arbeitgeber-Gesellschaft eingeräumt, diese (nach einem Umwandlungsplan) schrittweise innerhalb von drei Jahren in Aktien umgewandelt und die Aktien dann unmittelbar nach der Zuteilung vom Arbeitnehmer zur Gänze verkauft, sind die Erlöse aus dem Verkauf der zugeteilten Aktien als Vorteil iSd § 2a AVRAG anzusehen und daher nicht in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung Alt einzubeziehen.

OGH 23. 7. 2019, 9 ObA 87/19p

Sachverhalt

Der Kläger war vom 14. 6. 2000 bis 30. 9. 2015 beim beklagten Unternehmen beschäftigt. Aufgrund seines Dienstvertrags hatte er Anspruch auf eine Zuteilung von Aktien der Konzernmutter der Arbeitgeber-Gesellschaft. Diese Aktienoptionen wurden nach einem bestimmten Umwandlungsplan in drei Tranchen im Abstand von jeweils einem Jahr zu einem bestimmten Zeitpunkt in Aktien umgewandelt, die dem Kläger noch während aufrechten Dienstverhältnisses zugeteilt wurden. Der Kläger hatte die Wahl, entweder die Aktien zu behalten („sell to cover“) oder sie zur Gänze zu verkaufen („same day sell“; mit Überweisung des Erlöses nach Abzug der darauf entfallenden Steuern auf sein Konto). Der Kläger entschied sich für den Verkauf und erhielt aus der Verwertung der Aktien von November 2014 bis August 2015 insgesamt € 219.245,25 brutto als entgeltwerten Vorteil. Bei der Berechnung der Abfertigung berücksichtigte der Arbeitgeber diese Beträge nicht.

Der Kläger begehrte mit seiner Klage unter Einbeziehung des Betrags von € 219.245,25 eine Abfertigungsdifferenz von € 109.622,62 brutto sA.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren übereinstimmend ab. Im Hinblick auf den Umwandlungsplan liege keine Gewinnbeteiligung als gewinn- und ertragsorientierte Entlohnungsform iSd § 14 AngG vor; vielmehr habe der Kläger im Umwandlungszeitpunkt Aktien an einem Konzernunternehmen tatsächlich erworben. Die Veräußerungserlöse seien daher als Vorteil iSd § 2a AVRAG anzusehen und nicht in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung einzubeziehen.

Der OGH ließ die Revision wegen des Fehlens von Rsp zu § 2a AVRAG zu, bestätigte in der Sache aber die Entscheidungen der Vorinstanzen:

Entscheidung

Förderung der Arbeitnehmerbeteiligung

Mit Beteiligung ist in § 2a AVRAG in erster Linie der Erwerb von Kapitalanteilen an Unternehmen des Arbeitgebers gemeint, die als Kapitalgesellschaften organisiert sind. Keinesfalls einschlägig sind erfolgsbezogene Entgeltformen, wie etwa Gewinnbeteiligungen. Bei „Kapitalgesellschaften“ geht es um den Erwerb von Aktien einer Aktiengesellschaft bzw von Anteilen an einer GmbH oder Genossenschaft. Aber auch die vertragliche Einräumung von Optionen zum Erwerb von Aktien ermöglicht es in erster Linie, Mitarbeiter einer Aktiengesellschaft fester an das Unternehmen zu binden und ihre Leistungsbereitschaft zu steigern.

Auf die Art des Erwerbs der Kapitalbeteiligung kommt es nicht an, sondern es ist auf die „Vorteile“ Bedacht zu nehmen, die dem Arbeitnehmer aus der Kapitalbeteiligung am Arbeitgeberunternehmen oder aus darauf gewährten Optionsrechten zufließen. Als „Vorteile“ kommen vor allem in Betracht: ein Kapitalertrag (zB in Form von Dividenden, Zinsen), mögliche Wertsteigerungen des Partizipationskapitals, Bezugs- und Optionsrechte auf in Zukunft auszugebende Kapitalanteile sowie Sachleistungen und Nutzungsrechte an Einrichtungen des Unternehmens.

§ 2a AVRAG unterliegen nicht nur Vorteile aus Beteiligungen am Unternehmen des Arbeitgebers selbst, sondern auch solche aus Beteiligungen an Unternehmen, die mit diesem in einem Konzernverhältnis stehen.

Auch kurzfristige Beteiligungsmodelle erfasst

Die Vorinstanzen sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass (jedenfalls) die Erlöse aus dem Verkauf der – nach Einlösung der Aktienoptionen – zugeteilten Aktien als Vorteil iSd § 2a AVRAG anzusehen und daher nicht in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung einzubeziehen sind. Diese Beurteilung ist vom Gesetzeswortlaut des § 2a AVRAG gedeckt.

Abgesehen davon ist – ebenfalls nach dem Gesetzeswortlaut – auch das vertraglich eingeräumte Aktienoptionsrecht als Vorteil iSd § 2a AVRAG anzusehen. Die in der Revision dagegen enthaltenen, teilweise rechtspolitischen Ausführungen (vgl auch Weiss in ASoK 2001, 245), ändern an dieser Beurteilung nichts. Es ist nicht die Aufgabe der Rechtsprechung, als unbefriedigend empfundene Gesetzesbestimmungen zu ändern.

Das gegenständliche Mitarbeiterbeteiligungsmodell („same-day-sell“) steht nicht in Widerspruch mit dem Telos des Gesetzes, qualifizierte Dienstnehmer stärker an das Unternehmen zu binden und damit eine erhöhte Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter zu erreichen. Schließlich hatten die Dienstnehmer ab Einräumung der Aktienoptionen gemäß dem Umwandlungsplan drei Jahre Zeit, sich bis zur tatsächlichen Zuweisung der Aktien und der daran (gegebenenfalls) anschließenden Auszahlung des Erlöses stärker mit dem Unternehmen zu identifizieren und auf einen größtmöglichen Erlös hinzuarbeiten. Der Gesetzgeber hat sich nach dem Wortlaut des § 2a AVRAG nicht dafür entschieden, nur „langfristige“ Mitarbeiterbeteiligungen zu erfassen oder nur Beteiligungsmodelle, die keinen „sofortigen“ Verkauf der dem Dienstnehmer zugeteilten Aktien zuließen.

Weshalb die „Servicierung des Aktienverkaufs durch den Arbeitgeber“ den Anwendungsbereich des § 2a AVRAG ausschließen sollte, ist nicht verständlich. Die Entscheidung, die zugeteilten Aktien zu verkaufen, traf der Kläger.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 27841 vom 26.08.2019