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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
RL 2003/88/EG: Art 7 Abs 2
Besoldungsordnung der Beamten der Stadt Wien: § 41 Abs 2 Z 3
Beendet ein Arbeitnehmer von sich aus sein Arbeitsverhältnis, hat er Anspruch auf eine finanzielle Vergütung, wenn er seinen bezahlten Jahresurlaub ganz oder teilweise nicht verbrauchen konnte. Somit steht das Unionsrecht der Regelung des § 41a des Gesetzes über das Besoldungsrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Besoldungsordnung 1994) entgegen, wonach ein Beamter, dessen Arbeitsverhältnis infolge seines Antrags auf Versetzung in den Ruhestand beendet wurde und der nicht in der Lage war, seinen bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende dieses Arbeitsverhältnisses zu verbrauchen, keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub hat.
Anderes gilt jedoch dann, wenn der Arbeitnehmer vom Dienst freigestellt war: In diesem Fall hat er keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den während dieses Zeitraums nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub, es sei denn, dass er den Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnte.
EuGH 20. 7. 2016, C-341/15, Maschek
Sachverhalt
Herr Maschek, ein Beamter der Stadt Wien, wurde auf seinen Antrag mit Wirkung zum 1. 7. 2012 in den Ruhestand versetzt. Vom 15. 11. 2010 bis zum 31. 12. 2010 befand er sich in Krankheitsurlaub, ab dem 1. 1. 2011 war er aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber verpflichtet, nicht zum Dienst zu erscheinen, wobei ihm sein Entgelt fortgezahlt wurde. Nach seinem Eintritt in den Ruhestand verlangte Herr Maschek von seinem Arbeitgeber, ihm eine finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub zu zahlen; er sei nämlich kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand erneut erkrankt.
Sein Arbeitgeber wies diese Forderung mit der Begründung zurück, nach § 41a der Besoldungsordnung der Stadt Wien habe ein Arbeitnehmer, der von sich aus das Arbeitsverhältnis beende - ua indem er die Versetzung in den Ruhestand beantrage -, keinen Anspruch auf eine solche Vergütung.
Das Verwaltungsgericht Wien möchte mit seinem Vorabentscheidungsersuchen vom EuGH wissen, ob eine solche Regelung mit dem Unionsrecht und insbesondere mit der Richtlinie 2003/88/EG vereinbar ist.
Entscheidung
Der EuGH weist darauf hin, dass nach der RL 2003/88/EG jeder Arbeitnehmer Anspruch auf einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen hat und dass dieser Anspruch einen besonders bedeutsamen Grundsatz des Sozialrechts der Union darstellt. Er wird jedem Arbeitnehmer unabhängig von seinem Gesundheitszustand gewährt. Wenn das Arbeitsverhältnis beendet wurde und es deshalb nicht mehr möglich ist, bezahlten Jahresurlaub tatsächlich zu nehmen, hat der Arbeitnehmer nach der Richtlinie Anspruch auf eine finanzielle Vergütung, um zu verhindern, dass ihm wegen dieser fehlenden Möglichkeit jeder Genuss des Urlaubsanspruchs, selbst in finanzieller Form, vorenthalten wird.
Für den Anspruch auf finanzielle Vergütung sei nur Voraussetzung, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer nicht den gesamten Jahresurlaub genommen hat, auf den er zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch hatte. Der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses spielt keine Rolle. Daher hat der Umstand, dass ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis von sich aus beendet, keine Auswirkung darauf, dass er gegebenenfalls eine finanzielle Vergütung für den bezahlten Jahresurlaub beanspruchen kann, den er vor dem Ende seines Arbeitsverhältnisses nicht verbrauchen konnte.
Der EuGH schließt daraus, dass die Richtlinie nationalen Rechtsvorschriften wie der Besoldungsordnung der Stadt Wien entgegensteht, nach denen ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis infolge seines Antrags auf Versetzung in den Ruhestand beendet wurde und der nicht in der Lage war, seinen bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende dieses Arbeitsverhältnisses zu verbrauchen, keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub hat.
Der EuGH weist ferner auf seine Rechtsprechung hin, wonach ein Arbeitnehmer beim Eintritt in den Ruhestand Anspruch auf eine finanzielle Vergütung hat, wenn er seinen bezahlten Jahresurlaub wegen einer Krankheit nicht verbrauchen konnte (vgl EuGH 3. 5. 2012, C-337/10, Neidl). Herr Maschek hat folglich in Bezug auf den Zeitraum zwischen dem 15. 11. 2010 und dem 31. 12. 2010, für den feststeht, dass er sich im Krankheitsurlaub befand und deshalb in diesem Zeitraum den ihm zustehenden bezahlten Jahresurlaub nicht verbrauchen konnte, Anspruch auf eine finanzielle Vergütung.
In der Folge führt der EuGH aus, dass mit dem Anspruch auf Jahresurlaub ein doppelter Zweck verfolgt wird, der darin besteht, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen. Daraus folgt für den EuGH der Grundsatz, dass ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis beendet wurde und der nach einer mit seinem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung während eines bestimmten Zeitraums vor seiner Versetzung in den Ruhestand weiterhin sein Entgelt bezog, aber verpflichtet war, nicht an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen, keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den während dieses Zeitraums nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub hat. Anderes gelte nur, wenn er den Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnte. Folglich muss vom Verwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren geprüft werden, ob dies bei Herrn Maschek in der Zeit vom 1. 1. 2011 bis zum 30. 6. 2012 der Fall war. Wenn ja, hat er keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den bezahlten Jahresurlaub, den er in dieser Zeit nicht verbrauchen konnte, es sei denn, dass er den Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnte.
Der EuGH hat zu Recht erkannt:
Art 7 Abs 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist wie folgt auszulegen:
- | Er steht nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegen, nach denen ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis infolge seines Antrags auf Versetzung in den Ruhestand beendet wurde und der nicht in der Lage war, seinen bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende dieses Arbeitsverhältnisses zu verbrauchen, keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub hat. |
- | Ein Arbeitnehmer hat beim Eintritt in den Ruhestand Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bezahlten Jahresurlaub, den er nicht genommen hat, weil er aus Krankheitsgründen seine Aufgaben nicht wahrgenommen hat. |
- | Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis beendet wurde und der nach einer mit seinem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung während eines bestimmten Zeitraums vor seiner Versetzung in den Ruhestand weiterhin sein Entgelt bezog, aber verpflichtet war, nicht an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen, hat keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den während dieses Zeitraums nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub, es sei denn, dass er den Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnte. |
- | Es ist zum einen Sache der Mitgliedstaaten, zu entscheiden, ob sie Arbeitnehmern neben dem in Art 7 der Richtlinie 2003/88 vorgesehenen Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren. In diesem Fall können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass ein Arbeitnehmer, der vor der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses aus Krankheitsgründen seinen zusätzlichen bezahlten Jahresurlaub nicht in vollem Umfang verbrauchen konnte, Anspruch auf eine diesem zusätzlichen Zeitraum entsprechende finanzielle Vergütung hat. Zum anderen ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Bedingungen für die Gewährung festzulegen. |