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Abschöpfungsverfahren: Exekutionssperre - Insolvenz- oder Neugläubiger?

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

IO: § 10 § 206, § 208

1. Gemäß § 206 Abs 1 IO sind während des Abschöpfungsverfahrens Exekutionen einzelner Insolvenzgläubiger in das Vermögen des Schuldners nicht zulässig. Diese Exekutionssperre setzt § 10 IO fort und betrifft insb nicht Neugläubiger, also Personen, die erst nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens eine Forderung gegen den Schuldner erworben haben.

So wie ein Gläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach stRsp bereits im Exekutionsantrag darzutun hat, dass im konkreten Fall die Exekutionssperre des § 10 IO nicht besteht, muss ein (Neu-)Gläubiger analog auch während eines anhängigen Abschöpfungsverfahrens im Exekutionsantrag die Gründe behaupten und bescheinigen, aus denen die Exekutionssperre des § 206 Abs 1 IO nicht zum Tragen kommt, wenn sich nicht bereits zweifelsfrei aus dem Exekutionstitel ergibt, dass es sich bei der betriebenen Forderung um keine Insolvenzforderung handelt.

2. Hat der Verpflichtete (hier: lange vor Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens) zur Besicherung eines Kredits einen Blankowechsel begeben, handelt es sich bei der Wechselforderung um eine Insolvenzforderung: Infolge der Verkettung von Grundgeschäft und Wechsel durch die Zweckvereinbarung kann es nämlich nicht auf den Zeitpunkt ankommen, zu dem der Kreditgeber den Blankowechsel vervollständigt und eingeklagt hat.

OGH 27. 4. 2016, 3 Ob 46/16k

Entscheidung

Dem Exekutionstitel lag ein Blankowechsel zugrunde, den der Verpflichtete bereits im Jahr 2005 zur Besicherung eines Kredits begeben hatte und den die Betreibende offensichtlich erst im Juli 2015 vervollständigte. Nach Erlangung des Wechselzahlungsauftrags forderte die Betreibende den Treuhänder im Abschöpfungsverfahren des Verpflichteten auf, die Judikatschuld bei der Verteilung zu berücksichtigen, was dieser mit der Begründung ablehnte, dass es sich um eine Neuverbindlichkeit des Verpflichteten handle.

Nach Ansicht des OGH liegt jedoch eine Insolvenzforderung dar: Dass es sich beim Anspruch der Betreibenden auf Rückzahlung des gewährten Kredits um eine Insolvenzforderung handelt, kann nicht zweifelhaft sein. Ungeachtet der Tatsache, dass die Betreibende den Exekutionstitel erst rund 5 Jahre nach Einleitung des Abschöpfungsverfahrens erwirkt hat, stellt auch ihre titulierte Forderung aus dem Wechsel nach Ansicht des OGH eine Insolvenzforderung dar:

Der Gläubiger, der von seinem Schuldner einen Wechsel in Zahlung nimmt, hat zwar zwei auf verschiedenen Rechtsgründen - dem Grundgeschäft und dem Wechsel - beruhende Ansprüche. Diese sind allerdings wegen der Zweckvereinbarung miteinander verkettet, weshalb der Schuldner nur einmal zu leisten hat (8 Ob 86/97y mwN, RdW 1998, 277). Aus diesem Grund kann der Wechselschuldner dann, wenn sich im Wechselmandatsverfahren - wie hier im Titelverfahren - Gläubiger und Schuldner des (behaupteten) Grundgeschäfts gegenüberstehen, auch Einwendungen aus dem Grundgeschäft erheben (8 Ob 101/13f, RIS-Justiz RS0114336 [T1]). Die Abstraktheit des Wechsels bewirkt also zwischen den Parteien des Grundgeschäfts idR nur eine Umkehr der Beweislast (8 Ob 566, 567/91 = RIS-Justiz RS0082495).

Im Hinblick darauf kann es hier daher nach Ansicht des OGH für die Beurteilung der Wechselforderung als Insolvenzforderung nicht auf den Zeitpunkt ankommen, zu dem die Betreibende den Blankowechsel vervollständigt und eingeklagt hat, sondern es ist auf den - lange vor der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens liegenden - Zeitpunkt abzustellen.

Die Exekutionssperre des § 206 Abs 1 IO stand hier daher der Exekutionsführung gegen den Verpflichteten entgegen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21992 vom 18.07.2016