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Abschöpfungsverfahren - unrichtiges Vermögensverzeichnis

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

IO: § 185, § 201

1. Nach § 201 Abs 1 Z 2 IO liegt ein Hindernis für die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens dann vor, wenn der Schuldner während des Insolvenzverfahrens vorsätzlich oder grob fahrlässig Auskunfts- oder Mitwirkungspflichten verletzt hat. Von der Auskunftspflicht sind ua alle Sachen und Rechte erfasst, die bei objektiver Betrachtung einen Vermögenswert haben können. Der Begriff des „Vermögens“ ist weit zu verstehen. Dazu gehören alle effektiven Bestandteile des wirtschaftlichen Vermögens. Jedenfalls von der Offenlegungspflicht ist auch das im Ausland gelegene Vermögen des Schuldners erfasst.

Wenn der Schuldner sein Vermögen im Vermögensverzeichnis nicht offengelegt hat, stellt dies eine relevante Pflichtverletzung nach § 201 Abs 1 Z 2 IO dar. Ob das Vermögen im konkreten Fall verwertbar ist, ist nicht entscheidend. Ebenso kommt es auf die subjektive Einschätzung des Schuldners nicht an.

2. Der Ausdruck „während des Insolvenzverfahrens“ in § 201 Abs 1 Z 2 IO ist weit zu verstehen. Daher fallen unter § 201 Abs 1 Z 2 IO auch unrichtige oder unvollständige Angaben in einem Vermögensverzeichnis, das mit dem Eröffnungsantrag oder im Eröffnungsverfahren vorgelegt wird.

Der Umstand, dass der Schuldner unrichtige Angaben in einem späteren Verfahrensstadium richtig stellt oder die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit vom Insolvenzverwalter aufgeklärt wird, ändert nichts am Vorliegen des Einleitungshindernisses, wenn dieses zuvor durch Verletzung der Aufklärungspflicht verwirklicht wurde.

OGH 30. 8. 2016, 8 Ob 82/16s

Entscheidung

Grob fahrlässig unrichtiges Vermögensverzeichnis

Im vorliegenden Fall hat die Schuldnerin das Eigentum an einer Liegenschaftshälfte in Spanien im Jahr 2006 um 20.800 € an ihren Ehegatten übertragen und ihr Fruchtgenussrecht an dieser Liegenschaftshälfte im Vermögensverzeichnis nach § 185 IO nicht angegeben. Die Schuldnerin war der Ansicht, sie habe jedenfalls nicht grob fahrlässig gehandelt, weil sie unter der Anleitung ihres Ehegatten gestanden sei. Weiters stützte sie sich auf Gedächtnislücken, für die jedoch keine krankheitsbedingten Gründe festgestellt werden konnten.

Das Strafverfahren gegen die Schuldnerin wegen Abgabe eines falschen Vermögensverzeichnisses nach § 292a StGB wurde mit Diversion erledigt.

Hinsichtlich der Verletzung der Auskunftspflicht ging der OGH von zumindest grober Fahrlässigkeit aus: Nach dem ermittelten Sachverhalt hat die Schuldnerin ihre dinglichen Rechte an der Liegenschaftshälfte in Spanien im Vermögensverzeichnis bewusst verschwiegen. Die behaupteten Gedächtnislücken haben sich nicht bewahrheitet. Und auch wenn sie in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Ehegatten stehen mag, ist dieser Umstand nach Ansicht des OGH nicht geeignet, den Vorwurf der zumindest groben Fahrlässigkeit zu entkräften.

Angabe trotz zweifelhafter Verwertbarkeit

Weiters stütze sich die Schuldnerin darauf, dass das Fruchtgenussrecht nicht verwertbar sei und sie daher ihre Auskunftspflicht nicht verletzt habe. Außerdem habe sie das Vermögensverzeichnis später gegenüber dem Insolvenzverwalter ergänzt.

Auch mit diesen Ausführungen war die Schuldnerin nach Ansicht des OGH nicht im Recht:

Wenn der Schuldner sein Vermögen im Vermögensverzeichnis nicht offengelegt hat, stellt dies eine relevante Pflichtverletzung nach § 201 Abs 1 Z 2 IO dar. Ob das Vermögen im konkreten Fall verwertbar ist, ist nicht entscheidend. Die Frage nach der Verwertbarkeit ist im Rahmen des Verfahrens unter Heranziehung der zur Verfügung stehenden Sachkunde zu beurteilen. Auf die subjektive Einschätzung des Schuldners kommt es nicht an. Vielmehr ist das Vermögensverzeichnis nach seiner Zweckbestimmung auf Vollständigkeit und Richtigkeit ausgerichtet. Durch die Bereitstellung des Formulars für das Vermögensverzeichnis wird die Vermögensangabe erleichtert. An den Schuldner besteht daher die Anforderung, sämtliche darin gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten.

Die Schuldnerin konnte sich im Anlassfall daher auch nicht darauf berufen, dass nur „Aktiven unter Anführung ihres Betrags oder Werts“ angegeben werden müssten, was deren Verwertbarkeit voraussetze.

Nachträgliche Aufklärung irrelevant

Weiters erinnert der OGH daran, dass nach Maßgabe des Postulats der Rechtstreue des Schuldners sein Wohlverhalten in jeder Phase des Insolvenzverfahrens zu verlangen ist. Dies bedeutet, dass seine Redlichkeit auch schon allein mit Bezug auf das Vermögensverzeichnis zu beurteilen ist. Wird das Vermögensverzeichnis unrichtig oder unvollständig ausgefüllt und ist in dieser Hinsicht der vom Gesetz verlangte Verschuldensvorwurf berechtigt, so kann dieses Manko nicht dadurch beseitigt werden, dass die unterlassenen Angaben in der Folge gegenüber dem Insolvenzverwalter nachgeholt werden. Auch wenn der Schuldner also unrichtige Angaben in einem späteren Verfahrensstadium richtig stellt oder die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit vom Insolvenzverwalter aufgeklärt wird, ändert dies nichts am Vorliegen des Einleitungshindernisses, wenn dieses zuvor durch Verletzung der Aufklärungspflicht verwirklicht wurde.

Abgesehen von diesen Erwägungen konnte sich die Schuldnerin hier nicht einmal auf eine Aufklärung gegenüber dem Insolvenzverwalter berufen: Auch diesem gegenüber hatte sie angegeben, selbst von einem Recht an der spanischen Liegenschaft nichts zu wissen.

Zeitpunkt des Vermögensverzeichnisses

Im Schrifttum ist strittig, ob unter das Einleitungshindernis nur ein unrichtiges Vermögensverzeichnis fällt, das nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens errichtet wurde (Mohr in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 201 KO Rz 3), oder auch ein solches, das dem Eröffnungsantrag des Schuldners angeschlossen oder im Eröffnungsverfahren erstellt wurde (Kodek, Privatkonkurs2 Rz 532).

Der Ausdruck „während des Insolvenzverfahrens“ in § 201 Abs 1 Z 2 IO ist nach Ansicht des OGH weit zu verstehen, weshalb unter § 201 Abs 1 Z 2 IO auch unrichtige oder unvollständige Angaben in einem Vermögensverzeichnis fallen, das mit dem Eröffnungsantrag oder im Eröffnungsverfahren vorgelegt wird.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 22581 vom 08.11.2016