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Abzugsfähigkeit einer Schadenersatzzahlung eines Kronzeugen an den Arbeitgeber

Bearbeiter: Birgit Bleyer

EStG 1988: § 20 Abs 1 Z 5 lit e

StPO: § 209a

§ 20 Abs 1 Z 5 lit e EStG 1988 unterwirft Leistungen aus Anlass eines Rücktritts von der Verfolgung nach der Strafprozessordnung oder dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (Diversion) einem Abzugsverbot. Eine im Rahmen der Kronzeugenregelung iSd § 209a StPO geleistete Schadenersatzzahlung an den (ehemaligen) Arbeitgeber ist jedoch nicht davon umfasst. Nur ein zugunsten des Bundes gezahlter Geldbetrag iSd § 200 Abs 1 StPO fällt nämlich unter das Abzugsverbot.

VwGH 29. 5. 2024, Ra 2023/15/0036

Sachverhalt und bisheriges Verfahren

Der Revisionswerber war als Prokurist bzw als Vorstand bei einer AG beschäftigt. Die Staatsanwaltschaft legte ihm mehrere strafbare Delikte iZm seiner Funktion zur Last, die ua von Kursmanipulationen über Parteispenden hin zu Scheingeschäften sowie Zahlungen ohne Gegenleistung gingen.

Da der Revisionswerber jedoch als Kronzeuge gemäß § 209a StPO fungierte, trat die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung unter der Bedingung zurück, dass gemeinnützige Leistungen im Ausmaß von 120 Stunden erbracht würden, binnen sechs Monaten ein Teil des entstandenen Schadens im Ausmaß von € 300.000,- gegenüber seinem Arbeitgeber wiedergutgemacht werde und ein Beitrag zu den Pauschalkosten in Höhe von € 250,- an die Staatsanwaltschaft geleistet werde. In der Folge wurde das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft eingestellt.

Diese Werbungskosten wurden vom Finanzamt nicht anerkannt.

Das BFG wies die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab. § 201 Abs 3 StPO sehe vor, dass „der Beschuldigte binnen einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten den aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht oder sonst zum Ausgleich der Folgen aus der Tat beiträgt und dies unverzüglich nachweist“. Diese Schadensgutmachung iSd § 201 Abs 3 StPO habe die Staatsanwaltschaft dem Revisionswerber ebenfalls auferlegt. Die Schadensgutmachung iSd § 209a StPO iVm § 201 Abs 3 StPO sei als „conditio sine qua non“ für die Erlangung der Straffreiheit und die Anwendung der „Kronzeugenregelung“ des § 209a StPO zu verstehen. Damit sei die Leistung einer Zahlung von € 300.000,- an den durch das Verhalten des Revisionswerbers geschädigten Arbeitgeber als Leistung aus Anlass eines Rücktritts von der Verfolgung iSd § 20 Abs 1 Z 5 lit e EStG 1988 anzusehen. § 209a StPO sei als diversionelle Maßnahme anzusehen. Die Schadenersatzzahlung könne somit nicht als abzugsfähige Werbungskosten anerkannt werden.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision, die zur Aufhebung des BFG-Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes führte.

Kronzeugenregelung

§ 20 Abs 1 Z 5 lit e EStG 1988 unterwirft Leistungen aus Anlass eines Rücktritts von der Verfolgung nach der Strafprozessordnung oder dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (Diversion) einem Abzugsverbot. Leistungen, die anlässlich einer Diversion gezahlt werden, sollen einer verhängten Strafe gleichgestellt werden.

Die Diversion ist im 11. Hauptstück der StPO geregelt, worunter auch § 209a StPO, die „Kronzeugenregelung“ fällt. Leistungen iSd § 209a StPO fallen somit grundsätzlich unter das Abzugsverbot. § 209a Abs 2 StPO in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung benennt als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Bestimmung, dass Leistungen iSd § 198 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO übernommen werden. Nach Erbringung dieser Leistungen ist das Strafverfahren unter dem Vorbehalt späterer Verfolgung einzustellen.

Die in § 198 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO taxativ aufgezählten Leistungen sind ein Geldbetrag, der gemäß § 200 Abs 1 StPO zugunsten des Bundes zu entrichten ist, gemeinnützige Leistungen, die gemäß § 201 StPO in der Freizeit unentgeltlich zu erbringen sind und die Bestimmung einer Probezeit, iVm Bewährungshilfe und der Erfüllung von Pflichten. Der Geldbetrag gemäß § 200 StPO ist – wie sich aus § 200 Abs 2 StPO ergibt – einer Geldstrafe in einem Strafverfahren angelehnt.

Darüber hinaus sehen §§ 200 und 201 StPO in ihren Absätzen 3 jeweils vor, dass der Rücktritt von der Verfolgung überdies davon abhängig zu machen ist, dass der Beschuldigte binnen einer zu bestimmenden Frist von höchstens sechs Monaten den aus der Tat entstandenen Schaden gutmacht oder nach § 201 Abs 3 StPO sonst zum Ausgleich der Folgen der Tat beiträgt und dies unverzüglich nachweist. Bei dieser Schadensgutmachung handelt es sich nicht um eine Leistung iSd § 198 Abs 1 StPO, sondern sie entspricht einem Schadenersatz, der dem Geschädigten zu leisten ist.

Kein Abzugsverbot für Zahlung an Arbeitgeber

Aus dem Zusammenspiel des § 20 Abs 1 Z 5 lit e EStG 1988 und den Regeln der StPO ergibt sich, dass nur ein zugunsten des Bundes gezahlter Geldbetrag iSd § 200 Abs 1 StPO unter das Abzugsverbot fällt, weil nur dieser jene Leistung ist, die der Strafe in einem Strafverfahren vergleichbar ist und damit auch der Intention der einkommensteuerlichen Bestimmung, die Diversionsleistung einer Geldstrafe gleichzustellen, entspricht.

Für diese Auslegung spricht auch, dass bei einem Strafverfahren die geschädigte Partei sich als Privatbeteiligte anschließen und einen Schadenersatz erhalten kann, der jedenfalls nicht unter das Abzugsverbot des § 20 Abs 1 Z 5 EStG 1988 fällt. Da bei einer Diversion nach § 209a StPO die Anklageerhebung und Hauptverhandlung entfallen, dient die Schadensgutmachung dazu, der geschädigten Partei im Wege des § 200 oder des § 201 Abs 3 StPO einen Schadenersatz zu ermöglichen (vgl den Bericht des Justizausschusses 406 BlgNR 22. GP 21).

Bei der Bezahlung des Betrags von € 300.000,- an den ehemaligen Arbeitgeber handelt es sich somit um eine Schadenersatzleistung, die nicht unter das Abzugsverbot des § 20 Abs 1 Z 5 lit e EStG 1988 fällt.

Berufliche Veranlassung der Schadenersatzzahlung?

Im fortgesetzten Verfahren wird das BFG sich daher damit auseinanderzusetzen haben ob die Schadenersatzzahlung beruflich veranlasst war, und insbesondere Feststellungen zu treffen haben, ob dem Revisionswerber im Zuge der von der Staatsanwaltschaft geprüften Delikte Einnahmen zugeflossen sind, die als steuerpflichtige Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit zu erfassen gewesen wären. Es kommt nicht darauf an, ob der ehemalige Arbeitgeber einen Vorteil erzielt hat, sondern, ob ein Zusammenhang mit steuerlichen Einkünften des Revisionswerbers besteht, die auch aus diesem Fehlverhalten resultieren können. So ergibt sich aus den im Erkenntnis wiedergegebenen Angaben in der mündlichen Verhandlung etwa, dass 70 Führungskräfte und somit möglicherweise auch der Revisionswerber von den Kursmanipulationen profitiert hatten, wodurch potenziell steuerpflichtige Einnahmen generiert wurden.

Das BFG hat somit sein Erkenntnis mit einer prävalierenden inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet, weshalb es schon deshalb aufzuheben war.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35673 vom 18.07.2024