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Protokoll zur Änderung des Abkommens vom 24. 8. 2000 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der durch das Protokoll vom 29. 12. 2010 geänderten Fassung
BGBl III 2024/12, ausgegeben am 16. 1. 2024
Die Änderung umfasst hauptsächlich folgende Maßnahmen:
Vermeidung von Abkommensmissbrauch
Art I des Protokolls soll den Titel des Abkommens im Einklang mit dem BEPS-Standard auf „Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Verhinderung der Steuerverkürzung und -umgehung“ ändern, wodurch der Sinn und Zweck des Abkommens klargestellt werden soll.
Durch Art II des Protokolls soll eine Anpassung der Präambel des Abkommens an den BEPS-Standard erfolgen. Die Vertragsstaaten bekräftigen ihre Absicht, durch das Abkommen keine Möglichkeiten der Nicht- oder Niedrigbesteuerung durch Steuerverkürzung oder -umgehung schaffen zu wollen. Insbesondere sollen explizit auch missbräuchliche Gestaltungen, mit denen die Entlastungen dieses Abkommens mittelbar Personen verschafft werden sollen, die in Drittstaaten ansässig sind („Treaty-shopping“), unterbunden werden.
Neufassung des Art 5 Abs 4 des Abkommens
Die neu gefasste Bestimmung entspricht Art 5 Abs 4 des OECD-Musterabkommens idF vom 21. 11. 2017 (OECD-MA) und soll die Umgehung des Betriebsstättenstatus aufgrund des Ausnahmenkatalogs betreffend die Begründung von Betriebsstätten verhindern.
Durch die Neufassung soll sichergestellt werden, dass die Ausnahme nur greift, wenn die im Katalog angeführten Tätigkeiten tatsächlich vorbereitender Art sind oder eine Hilfstätigkeit darstellen. Nach der geltenden österreichischen Verwaltungspraxis gelangt die Ausnahmebestimmung des Art 5 Abs 4 OECD-MA ebenfalls nur zur Anwendung, wenn es sich bei der betreffenden Tätigkeit nicht um die Haupttätigkeit des Unternehmens handelt. Insofern ist die neu gefasste Bestimmung aus österreichischer Sicht nur klarstellend.
Aufhebung der Bestimmung betreffend die Wegzugsbesteuerung
Vor dem Hintergrund der bestehenden innerstaatlichen Regelungen zur Wegzugsbesteuerung in beiden Vertragsstaaten besteht keine Notwendigkeit, Wegzug und Zuzug im Abkommen gesondert zu regeln. Vielmehr besteht das Risiko unbeabsichtigter Inkongruenzen mit den jeweiligen nationalen Regelungen.
Art 13 Abs 6 soll daher aufgehoben werden.
Durch die Aufhebung sollen die Vorschriften des jeweiligen innerstaatlichen Rechts zur Wegzugsbesteuerung uneingeschränkt zur Anwendung gelangen. Da die wesentlichen Aspekte einer Wegzugsbesteuerung bei natürlichen Personen mittlerweile durch die Judikatur des EuGH vorgezeichnet sind, wird grundsätzlich eine kongruente Anwendung der Regelungen in beiden Vertragsstaaten gewährleistet.
Auf österreichischer Seite finden sich die relevanten Regelungen in § 27 Abs 6 Z 1 EStG, welche – ähnlich der Bestimmung des Art 13 Abs 6 des Abkommens – im Falle eines Zuzugs den Ansatz des gemeinen Werts als Anschaffungskosten vorsieht.
Im deutschen nationalen Recht finden sich die Regelungen zur Wegzugsbesteuerung in § 6 des deutschen Außensteuergesetzes (AStG). Die Aufwertung („step-up“) im Falle eines Zuzugs wird in § 17 Abs 2 dEStG sichergestellt. Somit erfolgt grundsätzlich eine gleichgelagerte zwischenstaatliche Bewertung bei Zuzug nach Deutschland.
Neufassung der Grenzgängerregelung
Die bisherige Grenzgängerbestimmung in Art 15 Abs 6 des Abkommens kann den jüngsten Entwicklungen der Arbeitswelt aufgrund der COVID-19 Pandemie, die zu geänderten Arbeitsformen (va Arbeiten im Homeoffice, Telearbeit etc) geführt haben, nicht ausreichend Rechnung tragen. Es soll daher die Grenzgängerbestimmung neu gefasst werden, um Arbeitnehmern in der Grenzzone mehr Flexibilität einzuräumen.
Gemäß Art 15 Abs 6 des Abkommens soll das ausschließliche Besteuerungsrecht an Gehältern, Löhnen und ähnlichen Vergütungen dem Ansässigkeitsstaat zugeteilt werden, wenn der Arbeitnehmer seinen Hauptwohnsitz in der Nähe der Grenze hat und seine unselbstständige Tätigkeit üblicherweise in der Nähe der Grenze ausübt.
Ein tägliches Pendeln über die Grenze ist nicht mehr erforderlich, um die Voraussetzungen der Grenzgängereigenschaft zu erfüllen.
Es soll unbeachtlich sein, ob der Arbeitnehmer in der Grenzzone des Ansässigkeitsstaates (insbesondere im Homeoffice) oder jener des anderen Staates (insbesondere in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers) tätig wird. Somit soll die Grenzgängereigenschaft selbst dann erfüllt sein, wenn die Tätigkeit an mehr als 45 Tagen im Homeoffice ausgeübt wird.
Arbeitstage im Ausmaß von über 45 Tagen, die außerhalb der Grenzzone verbracht werden (zB Dienstreisen in Drittstaaten oder Arbeitstage in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers außerhalb der Grenzzone), sollen hingegen schädlich sein und führen dazu, dass eine Besteuerung nach den Grundsätzen des Art 15 Abs 1 und Abs 2 des Abkommens zu erfolgen hat.
Der Ausdruck „in der Nähe der Grenze“ soll die Gemeinden erfassen, deren Gebiet ganz oder teilweise in einer Zone von je 30 Kilometern beiderseits der Grenze liegt. Die Tätigkeit wird in dieser Zone „üblicherweise“ ausgeübt, wenn der Arbeitnehmer während eines Kalenderjahres höchstens an 45 Arbeitstagen ganz oder teilweise außerhalb der Grenzzone tätig wird.
Gemäß Art X Abs 2 Buchstabe c des Protokolls soll die neu gefasste Grenzgängerregelung des Art 15 Abs 6 des Abkommens erstmalig mit 1. 1. 2024 zur Anwendung gelangen.
Hinweis: Siehe hierzu auch die Konsultationsvereinbarung zu Zweifelsfragen hinsichtlich der Auslegung der Grenzgängerregelung nach Art 15 Abs 6 und Art 19 Abs 1a des deutsch-österreichischen Doppelbesteuerungsabkommens vom 24. 8. 2000, Erlass des BMF vom 22. 12. 2023, 2023-0.913.349, BMF-AV Nr 155/2023 (FinDok) sowie die die Konsultationsvereinbarung zu Zweifelsfragen hinsichtlich der Besteuerung von Ärzten gem dem deutsch-österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen vom 24. 8. 2000, Erlass des BMF vom 22. 12. 2023, 2023-0.913.347, BMF-AV Nr 154/2023 (FinDok)
Einführung einer Grenzgängerregelung für öffentlich Bedienstete
Aufgrund von Art 19 Abs 1 zweiter Satz des Abkommens dürfen Vergütungen von im öffentlichen Dienst des Kassenstaates angestellten Personen, die im anderen Staat ansässig sind und Staatsangehörige dieses Staates sind oder nicht ausschließlich dort ansässig geworden sind, um diese Dienste zu leisten, im Ansässigkeitsstaat besteuert werden, soweit sie den Dienst dort leisten. Dies führt dazu, dass bei Homeoffice-Tätigkeiten solcher Personen ein geteiltes Besteuerungsrecht des Kassen- und des Ansässigkeitsstaates besteht und daher eine Aufteilung nach Tätigkeitstagen zu erfolgen hat. Um eine derartige Aufteilung im grenznahen Bereich zu vermeiden, soll in Art 19 des Abkommens ein neuer Abs 1a eingefügt werden, mit dem auch für den öffentlichen Dienst eine Grenzgängerregelung geschaffen werden soll.
Anders als in Art 15 Abs 6 des Abkommens soll jedoch das ausschließliche Besteuerungsrecht für die Vergütungen der Grenzgänger beim Kassenstaat verbleiben. Dies entspricht dem grundsätzlich in Art 19 verankerten Kassenstaatsprinzip.
Als Grenzgänger sollen im öffentlichen Dienst Beschäftigte gelten, die üblicherweise im Kassenstaat in der Nähe der Grenze Dienste leisten, in einer im Kassenstaat in der Nähe der Grenze gelegene Dienststelle eingegliedert sind, in der ein Arbeitsplatz zur Arbeitsausübung zur Verfügung steht, und im anderen Staat in der Nähe der Grenze ihren Hauptwohnsitz haben. Durch diese Regelung soll ermöglicht werden, dass bei Grenzgängern die Dienste auch im Homeoffice (am Hauptwohnsitz) geleistet werden können und dennoch das Besteuerungsrecht an den Vergütungen im Kassenstaat verbleibt.
Die Definitionen von „in der Nähe der Grenze“ und von „üblicherweise“ entsprechen jenen für Art 15 Abs 6 des Abkommens und finden sich in Art IX Abs 1 des Protokolls.
Beispielsweise sollen Vergütungen, die eine in Deutschland in der Grenzzone ansässige Person, die beim Finanzamt Österreich an der Dienstelle Salzburg tätig ist, dort üblicherweise arbeitet, eingegliedert ist und auch einen Arbeitsplatz zur Verfügung hat, nur in Österreich (Kassenstaat) der Besteuerung unterliegen, auch wenn sie im Homeoffice in Deutschland tätig wird. Werden die Dienste im Ansässigkeitsstaat jedoch an mehr als 45 Tagen außerhalb der Grenzzone oder in Drittstaaten geleistet (beispielsweise aufgrund von Dienstreisen), hätte dies zur Folge, dass nicht mehr Art 19 Abs 1a, sondern Abs 1 des Abkommens anwendbar wäre und es folglich zu einer Aufteilung des Besteuerungsrechtes käme.
Gemäß Art X Abs 2 Buchstabe c des Protokolls soll die neu gefasste Grenzgängerregelung des Art 19 Abs 1a des Abkommens erstmalig mit 1. 1. 2024 zur Anwendung gelangen.
Aufnahme einer De-minimis-Regel für Ortskräfte
Gemäß Art 19 Abs 1 letzter Satz des Abkommens dürfen sogenannte Ortskräfte – abweichend vom grundsätzlich in Art 19 verankerten Kassenstaatsprinzip – nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden, wenn die Dienste in diesem Staat geleistet werden. Um Gehälter von Ortskräften nicht einer Aufteilung unterziehen zu müssen, wenn Ortskräfte kurzzeitig im Kassenstaat tätig werden, soll eine De-minimis-Regelung im Ausmaß von 10 Arbeitstagen eingeführt werden, wonach das Besteuerungsrecht in solchen Fällen im Ansässigkeitsstaat verbleibt.
Beispielsweise soll die Vergütung des in Österreich ansässigen österreichischen Fahrers der deutschen Botschaft in Wien, der nach Art 19 Abs 1 letzter Satz des Abkommens grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterliegt, nicht tageweise aufgeteilt werden müssen, wenn sich der Fahrer für ein einwöchiges Fahrsicherheitstraining im Kassenstaat Deutschland aufhält.
Änderung des Methodenartikels
Um Doppelnichtbesteuerung, die sich aufgrund unterschiedlicher Sachverhaltsbeurteilung oder Abkommensauslegung ergibt, zu vermeiden, soll ein neuer Abs 3 in Art 23 des Abkommens angefügt werden. Diese Bestimmung sieht vor, dass den Ansässigkeitsstaat bei unerwünschter Doppelnichtbesteuerung aufgrund von negativen Qualifikations- und Zurechnungskonflikten keine Befreiungsverpflichtung trifft. Der neu angefügte Art 23 Abs 3 des Abkommens entspricht der Bestimmung in Art 23 A Abs 4 OECD-MA. Aufgrund dieser neuen Bestimmung soll Art 28 Abs 1 Buchstabe a des Abkommens aufgehoben werden, da dieser ebenfalls auf die Lösung von negativen Qualifikations- und Zurechnungskonflikten abzielt, jedoch einen engeren Anwendungsbereich hat.
Art 28 Abs 1 des Abkommens normiert den Wechsel von der Befreiungs- zur Anrechnungsmethode, wobei Buchstabe a aufgrund des neu eingefügten Art 23 Abs 3 des Abkommens aufgehoben werden soll. Buchstabe b der Bestimmung soll in Art 28 Abs 1 des Abkommens weiterbestehen, soll aber sprachlich adaptiert werden. Er sieht die Möglichkeit für die Bundesrepublik Deutschland vor, nach einem Konsultations- und Notifikationsverfahren bestimmte Einkünfte festzulegen, bei denen die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung und nicht durch Steuerbefreiung vermieden werden soll, um die steuerliche Freistellung von Einkünften in beiden Vertragsstaaten oder sonstige Gestaltungen zum Missbrauch des Abkommens zu verhindern. Eine reziproke Anwendung seitens der Republik Österreich ist ebenfalls vorgesehen.