News

Aktuelle Nationalratsbeschlüsse im Arbeits- und Sozialrecht

Bearbeiter: Bettina Sabara

NR-Beschlüsse 146/BNR, 147/BNR und 148/BNR BlgNR 27. GP

Diverse Beschlüsse des Nationalrates vom 20. 11. 2020 -> Gesetzwerdung bleibt abzuwarten

1. Überblick

Am 20. 11. 2020 hat der Nationalrat zahlreiche Beschlüsse gefasst, die ua auch das Arbeits- und Sozialrecht betreffen. Die folgende Zusammenfassung gibt einen Überblick über die wichtigsten Änderungen. Der Bundesrat befasst sich Anfang Dezember mit den Beschlüssen.

2. Änderung des ABGB und des AVRAG

Der Initiativantrag 986/A BlgNR 27. GP, ARD 6724/22/2020, sieht Anpassungen im ABGB und im AVRAG vor, die im Ausschuss für Arbeit und Soziales (AB 460 BlgNR 27. GP) sowie im Plenum des Nationalrates (AA-85 BlgNR 27. GP) weiter adaptiert wurden (NR-Beschluss vom 20. 11. 2020, 148/BNR BlgNR 27. GP).

2.1. Angleichung der Kündigungsfristen der Arbeiter an jene der Angestellten erst ab 1. 7. 2021

Mit der vorgeschlagenen Änderung in § 1503 Abs 15 ABGB wird in Folge der COVID-19 Krisensituation und der dazu getroffenen gesetzlichen Maßnahmen vorgesehen, dass die mit BGBl I 2017/153, ARD 6575/16/2017, getroffene Angleichung der Kündigungsfristen der Arbeiter an jene der Angestellten (Arbeitnehmer-Angleichungspaket) um ein halbes Jahr verschoben wird – sie soll nun mit 1. 7. 2021 in Kraft treten und auf Kündigungen Anwendung finden, die nach dem 30. 6. 2021 ausgesprochen werden.

Der Aufschub der Angleichung der Kündigungsfristen der Arbeiter an jene der Angestellten um ein halbes Jahr soll auch für die Land- und Forstwirtschaft gelten. Diese Angleichung wurde jedoch nicht in allen Landarbeitsordnungen nachvollzogen, sodass sich der Aufschub nur auf jene Landarbeitsordnungen beziehen kann, in denen die Angleichung erfolgt ist.

2.2. Rechtsanspruch und Verlängerung der Sonderbetreuungszeit

Bei der Sonderbetreuungszeit kommt es rückwirkend mit 1. 11. 2020 zu folgenden Änderungen bzw Anpassungen:

-Für den Zeitraum zwischen 1. 11. 2020 und 9. 7. 2021 (dem Ende des Schuljahres 2020/2021) wird die Sonderbetreuungszeit gemäß § 18b Abs 1 AVRAG als Rechtsanspruch des Arbeitnehmers gestaltet, wobei der Anspruch bis zu 4 Wochen beträgt (bisher: 3 Wochen). Da die neue Regelung unabhängig von den bisherigen Regelungen zur Sonderbetreuungszeit ist, sind bisher (im Frühjahr, in den Sommerferien oder im Oktober 2020) gewährte Zeiten einer Sonderbetreuungszeit nicht auf den 4-wöchigen Anspruch anzurechnen. Der Rechtsanspruch besteht allerdings nur dann, wenn der Arbeitnehmer alles Zumutbare unternommen hat, damit die vereinbarte Arbeitsleistung zustande kommt, dh er muss sich um alternative Kinderbetreuungseinrichtungen bemühen.
-Zusätzlich zur Regelung über den Rechtsanspruch auf eine Sonderbetreuungszeit soll es nach dem neu eingefügten § 18b Abs 1b AVRAG auch weiterhin möglich sein, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Sonderbetreuungszeit vereinbaren können. Eine Vereinbarung ist möglich, wenn die Voraussetzungen für den Rechtsanspruch deshalb nicht vorliegen, weil die Betreuung des Kindes nicht notwendig ist (weil zB die Schulen weiter Kinderbetreuung anbieten). Die Möglichkeit der Vereinbarung besteht praktisch nur in den Anwendungsfällen, in denen es auch den Anspruch gäbe, aber aufgrund von „Alternativen“ dieser Anspruch nicht zusteht.
-Sowohl bei Bestehen eines Rechtsanspruchs auf Sonderbetreuungsteilzeit als auch im Fall einer vereinbarten Sonderbetreuungsteilzeit hat der Arbeitgeber ab 1. 11. 2020 einen Ersatzanspruch auf 100 % des fortgezahlten Entgelts, gedeckelt mit der Höchstbeitragsgrundlage.
-In einem neuen § 18b Abs 1c AVRAG wird verankert, dass eine zu Unrecht bezogene Vergütung (Rückerstattung) zurückgezahlt werden muss.
-Die Sonderbetreuungszeit soll für die bereits bisher erfassten Betreuungssituationen sowie für einen neuen Betreuungsfall gelten. Neu ist der Fall, dass ein Kind bis zum vollendeten 14. Lebensjahr, für das eine Betreuungspflicht besteht, nach § 7 Epidemiegesetz abgesondert wird, zB wegen eines Krankheits- oder Ansteckungsverdachts. Bei einer Absonderung eines erkrankten Kindes kann der Arbeitnehmer den Anspruch auf Sonderbetreuungszeit dann geltend machen, wenn kein Pflegefreistellungsanspruch mehr besteht.

3. Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2020 – SVÄG 2020

Mit dem auf dem Initiativantrag 958/A BlgNR 27. GP basierenden und im Plenum des Nationalrates durch einen Abänderungsantrag (AA-83 BlgNR 27. GP) noch weitreichend geänderten Entwurf zum Sozialversicherungs-Änderungsgesetz 2020 (NR-Beschluss vom 20. 11. 2020, 146/BNR BlgNR 27. GP) wird das Leistungsrecht der Pensionsversicherung adaptiert, indem an die Stelle der seit 1. 1. 2020 geltenden Langzeitversichertenregelung ein „Frühstarterbonus“ für Personen, die bereits vor Vollendung des 20. Lebensjahres Beitragszeiten aus Erwerbstätigkeit erworben haben, tritt. Als weitere Maßnahme soll bezüglich der erstmaligen Pensionsanpassung in Hinkunft eine Aliquotierungsregelung ab dem Jahr 2022 Platz greifen.

Außerdem ist es im Hinblick auf die Fortdauer der COVID-19-Pandemie erforderlich, die Geltungsdauer mehrerer Maßnahmen, die mit der Pandemie im Zusammenhang stehen, zu verlängern:

-Verlängerung der verzugszinsenfreien Einzahlung bestimmter Beiträge für das Jahr 2021;
-Normierung der Verzugszinsenfreiheit von Beiträgen für die Beitragsmonate Mai bis Dezember 2020;
-Verlängerung der unfallversicherungsrechtlichen Sonderregelungen für Arbeitsunfälle im „Homeoffice“ jedenfalls bis 31. 3. 2021; Verordnungsermächtigung hinsichtlich einer Verlängerung bis 30. 6. 2021;
-Verlängerung der Freistellungsmöglichkeit von Risikopatienten durch Verordnung bis 30. 6. 2021;
-Verlängerung der Beitragsfreiheit von steuerfreien pauschalen Reiseaufwandsentschädigungen für nebenberuflich tätige Sportler, Schiedsrichter sowie Trainer bis 30. 6. 2021;
-Ermöglichung der Ausweitung der sechswöchigen Schutzfrist in der Krankenversicherung durch Verordnung bis längstens 30. 6. 2021;
-Verlängerung der Anspruchsberechtigung in der Krankenversicherung sowie des Anspruchs auf Waisenpension über das 27. Lebensjahr hinaus bis 30. 6. 2021;
-Sicherstellung, dass die Nichtentrichtung von Beiträgen zur studentischen Selbstversicherung bis längstens 30. 6. 2021 dem Bestehen einer Selbstversicherung in der Krankenversicherung nicht schadet;
-Verlängerung der Ausnahme vom Wegfall der vorzeitigen Alterspension für Personen, die aus Gründen der Pandemie-Bekämpfung ihre gesundheitsberufliche Erwerbstätigkeit neu aufnehmen, für Zeiträume im Jahr 2021;
-Verlängerung der Rahmenfrist für den Erwerb von leistungsrelevanten Schwerarbeitsmonaten um die Monate der pandemiebedingten Kurzarbeit.

Im Zusammenhang mit der Beschaffung von Schutzausrüstung durch die Österreichische Gesundheitskasse bedarf es darüber hinaus zweier geringfügiger gesetzlicher Ergänzungen (Ergänzung der Liste von notwendigen Produkten zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung um OP-Hauben und der Liste der zu versorgenden Berufsgruppen um die Zahntechniker).

4. Änderungen im Arbeitslosenversicherungsgesetz

Der Initiativantrag 957/A BlgNR 27. GP sieht Anpassungen im AlVG vor, die im Plenum des Nationalrates nochmals erweitert wurden (NR-Beschluss vom 20. 11. 2020, 147/BNR BlgNR 27. GP).

Infolge der andauernden COVID-19-Krise sollen die bestehenden Sonderregelungen für selbstständig Erwerbstätige gemäß § 12 Abs 2a AlVG und für Beschäftigte in Altersteilzeit gemäß § 82 Abs 5 AlVG verlängert werden bzw sind weitere Einmalzahlungen vorgesehen:

-Selbstständige Erwerbstätige, die ihre vorübergehend Erwerbstätigkeit eingestellt haben, jedoch nach wie vor als Selbstständige pensionsversichert sind, können weiter Arbeitslosengeld beziehen. Diese Regelung soll bis Dezember 2020 verlängert werden.
-Wird das Dienstverhältnis von Personen, die sich in Altersteilzeit befinden, aufgrund der COVID-19-Maßnahmen unterbrochen oder ändert sich das Ausmaß der Altersteilzeit (Teilpension), hat dies in der Folge keine nachteiligen Auswirkungen auf den Anspruch auf diese Leistungen. Diese Regelung soll bis Ende März 2021 verlängert werden.
-Arbeitslose Personen, die im Zeitraum von September bis November 2020 eine bestimmte Zeit lang Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe beziehen, sollen für Dezember 2020 eine Einmalzahlung erhalten. Die Höhe der Einmalzahlung soll nach der Bezugsdauer abgestuft werden. Im Übrigen sollen dieselben Regelungen wie für die bereits erfolgte Sonderzahlung gelten.
-Gleichfalls sollen Personen, die Krankengeld aus der Krankenversicherung Arbeitsloser im Anschluss an Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezogen haben und aufgrund eines längeren Krankenstands nicht die volle Einmalzahlung gemäß § 66 AlVG erhalten, eine Einmalzahlung aus der Krankenversicherung erhalten. Die Zahlungen des zuständigen Krankenversicherungsträger sind diesem vom COVID-19-Krisenbewältigungsfonds zu ersetzen. Die Einmalzahlung gemäß § 41 AlVG gebührt gegebenenfalls ergänzend zur Einmalzahlung gemäß § 66 Abs 2 AlVG.
Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 29994 vom 25.11.2020