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Anfechtung nach IO: Kongruente Deckung beim Kreditgeschäft

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

IO § 30

Die Anfechtung der Sicherstellung oder Befriedigung eines Gläubiger nach § 30 Abs 1 Z 1 IO setzt die (objektive) Begünstigung dieses Gläubigers voraus, also eine inkongruente Deckung. Eine solche inhaltlich „abweichende“ Sicherstellung oder Befriedigung liegt nach dem Gesetz dann vor, wenn die Sicherstellung oder Befriedigung „nicht oder nicht in der Art oder nicht in der Zeit zu beanspruchen“ war, wodurch der Gläubiger etwas erhält, was ihm nicht gebührt, was also wesentlich und in nicht üblichem Maß von der rechtlich gebührenden Sicherstellung oder Befriedigung abweicht.

Inkongruenz ist dann auszuschließen, wenn dem Gläubiger auf die Sicherstellung oder Befriedigung bei Beginn der Frist des § 30 Abs 1 Z 1 IO (60 Tage vor Insolvenzeröffnung) ein begründeter Anspruch zusteht. „In der Zeit“ zu beanspruchen hat ein Gläubiger die Befriedigung (Sicherstellung) dann, wenn ein materiell-rechtlicher Anspruch auf diese vor der kritischen Frist entstanden und im Zeitpunkt der Befriedigung (Sicherstellung) auch einklagbar ist.

Ein klagbarer Anspruch und damit Kongruenz der Befriedigung aus Einzahlungen besteht auch dann, wenn - vor der kritischen Zeit - vereinbart wurde, dass der Kreditnehmer eines Kontokorrentenkredits bei Bestehen sonstiger Bankverbindungen seinen Zahlungsverkehr zumindest im Ausmaß des jeweils in Anspruch genommenen Kredits über den Kreditgeber abwickelt, und dies auch tatsächlich so gehandhabt wird. Denn aus dieser vor der kritischen Zeit getroffenen Vereinbarung hätte die Bank bereits im Zeitpunkt des jeweiligen Eingangs auf Verschaffung einer Aufrechnungslage klagen können.

OGH 22. 2. 2016, 10 Ob 93/15x

Entscheidung

Der OGH bestätigte damit die Beurteilung des BerufungsG, die mit der jüngeren Rsp in Einklang steht: In seiner jüngeren, einheitlichen Judikatur bejaht der OGH die Kongruenz iZm der Abdeckung eines Kontokorrentkredits jedenfalls dann, wenn sich der Kreditnehmer verpflichtet hatte, den gesamten Geldverkehr über die den Kredit gewährende Bank abzuwickeln, sodass diese (gemäß ihren Allgemeinen Bankbedingungen) durch Aufrechnung Befriedigung erlangen durfte (zB 3 Ob 575/86, ÖBA 1987, 186 [Koziol]); 6 Ob 256/99m; 6 Ob 157/01h mwN), und dies tatsächlich so gehandhabt wurde (2 Ob 128/99h, ÖBA 2000/848, 152 [Bollenberger]; RIS-Justiz RS0111990).

Kongruenz der Sicherstellung oder Befriedigung ist nach der Rsp auch dann anzunehmen, wenn aus anderen Gründen ein klagbarer Anspruch auf Vornahme dieser Sicherstellung bzw Befriedigung vor der kritischen Frist begründet wurde (6 Ob 157/01h mwN). So führt die Vereinbarung, einen Kreditbetrag „aus den Eingängen eines bestimmten Großauftrags zurückzuführen“, auch dann zu kongruenten Deckungen, wenn der Schuldner mehrere Bankverbindungen unterhielt (3 Ob 189/05y).

Die Vereinbarung einer bloß „bevorzugten“ (5 Ob 312/81, JBl 1982, 380 [Koziol]) oder „vorwiegenden“ (2 Ob 128/99h, ÖBA 2000/848, 152 [Bollenberger]) Inanspruchnahme reicht hingegen nicht, weil eine solche Vereinbarung zur Begründung der Kongruenz inhaltlich zu unbestimmt ist (3 Ob 575/86, ÖBA 1987, 186 [Koziol]; Widhalm, Kontokorrentkredit und Konkursanfechtung 90 mwN).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 21512 vom 25.04.2016