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Anfechtungswiderspruch im Exekutions-/Verteilungsverfahren

Bearbeiter: Sabine Kriwanek / Bearbeiter: Barbara Tuma

EO: § 213, § 231

IO: § 43, § 120

Der erkennende Senat schließt sich der überwiegend vertretenen Lehrmeinung an, wonach der Anfechtungswiderspruch im Exekutions-/Verteilungsverfahren gem § 213 EO eine angriffsweise Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs darstellt und daher innerhalb der Jahresfrist des § 43 Abs 2 IO erhoben werden muss: Von einer (nicht fristgebundenen) „Einrede“ unterscheidet sich der Anfechtungswiderspruch im Exekutions-/Verteilungsverfahren nämlich dadurch, dass er nicht bloß die Abwehr eines vollstreckungsrechtlichen Teilnahmeanspruchs eines Gläubigers an der Sondermasse anstrebt, sondern die Zuweisung des entsprechenden Anteils am Veräußerungserlös an die Insolvenzmasse. Das gewünschte Ergebnis entspricht daher jenem einer Anfechtungsklage, also einer angriffsweisen Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs.

Im Fall der Verweisung auf den streitigen Rechtsweg nach § 231 Abs 1 EO hat die Fristwahrung nur dann Bestand, wenn die Widerspruchsklage innerhalb der Monatsfrist des § 231 Abs 2 EO anhängig gemacht wurde.

Bei Versäumung der Monatsfrist ist der Anfechtungsanspruch aber nicht erloschen, solange die Frist des § 43 Abs 2 IO noch offen ist.

OGH 29. 3. 2017, 3 Ob 14/17f

Entscheidung

Unterschied „Klage“ - „Einrede“

Die Anfechtung „kann durch Klage oder Einrede geltend gemacht werden“ (§ 43 Abs 1 IO). Gem § 43 Abs 2 IO muss die „Anfechtung durch Klage“ allerdings „bei sonstigem Erlöschen des Anspruchs binnen Jahresfrist nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden“.

Nach stRsp ist die Unterscheidung zwischen den Begriffen „Klage“ und „Einrede“ wesentlich, weil die Anfechtung durch Einrede an die einjährige Präklusivfrist (Ausschlussfrist) des § 43 Abs 2 IO nicht gebunden ist. Der Ausgangspunkt für die Befristung gem § 43 Abs 2 IO liegt im Sicherungsbedürfnis des Rechtsverkehrs: Wer vom Schuldner etwas erworben hat, soll sich darauf verlassen können, dass er später als ein Jahr nach Konkurseröffnung der Anfechtungsklage nicht mehr ausgesetzt ist. Anders sollte es sein, wenn eine (an sich verlorene) Rechtsstellung durch Gewährung einer Einrede aber dann gewahrt wird, wenn noch nicht geleistet ist und der Anfechtungsgegner Erfüllung der anfechtbaren Verbindlichkeit fordert. Es kommt also im Grunde darauf an, ob es sich um eine angriffsweise Rechtswahrung handelt, die innerhalb der Frist des § 43 Abs 2 KO zu erfolgen hat, oder um eine solche defensiver Art, für die die Jahresfrist nicht gilt (RIS-Justiz RS0064680).

Der Begriff „Klage“ steht in § 43 Abs 1 IO stellvertretend für alle Angriffsmittel, die einen selbstständigen Anspruch auf Entscheidung über den Anfechtungssachverhalt hervorrufen (König Rz 17/15). Unter dem ebenso weit zu verstehenden Begriff „Einrede“ sind sämtliche Maßnahmen der Abwehr eines gegnerischen Anspruchs mit Hilfe der Anfechtungstatbestände zu verstehen, nicht also die Einwendung allgemeiner Rechtsgründe, sondern der Gebrauch eines Einrederechts am Prozessgegenstand selbst (8 Ob 6/91, RIS-Justiz RS0064661 = RdW 1991, 293).

Wird die Anfechtung durch Einrede geltend gemacht, so gilt die Jahresfrist nur dann nicht, wenn die einredeweise Geltendmachung nicht angriffsweise erfolgt (8 Ob 621/89, RdW 1990, 49; 2 Ob 114/99z, ZIK 1999, 164). Im gegebenen Zusammenhang bedeutet dies somit, dass eine angriffsweise Rechtswahrung die Erhebung einer Klage nicht zwingend voraussetzt.

Widerspruchsklage innerhalb der Jahresfrist

Hier stellte sich die - in der Judikatur noch nicht beantwortete - Frage, ob der Widerspruch wegen Anfechtungsgründen nach der IO und/oder eine im Anschluss daran notwendig gewordene Widerspruchsklage (§ 231 EO) als Angriff oder als Abwehr im soeben dargestellten Sinn zu behandeln und deshalb innerhalb der Jahresfrist des § 43 Abs 2 IO erhoben werden muss.

Der erkennende Senat schließt sich der überwiegend vertretenen Lehrmeinung an, wonach der Anfechtungswiderspruch im Exekutions-/Verteilungsverfahren eine angriffsweise Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs darstellt, innerhalb der Jahresfrist des § 43 Abs 2 IO erhoben werden muss und diese Frist wahrt.

Mit dem auf einen Anfechtungstatbestand (hier § 30 IO) gestützten Widerspruch wird - anders als sonst - nicht bloß die Abwehr eines vollstreckungsrechtlichen Teilnahmeanspruchs eines Gläubigers an der Sondermasse angestrebt (sowie die nachfolgende Neuverteilung des freigewordenen Teils der Sondermasse nach der bücherlichen Rangordnung), sondern unabhängig davon die Zuweisung des entsprechenden Anteils am Veräußerungserlös an die Insolvenzmasse (Petschek/Reimer/Schiemer, 419; Holzhammer Österreichisches Insolvenzrecht5 98; König, Anfechtung5 Rz 17/51).

Dementsprechend begehrt der Kl in seiner Widerspruchsklage nicht nur ein negatives Feststellungsurteil, sondern auch die Abänderung des Verteilungsbeschlusses iS einer Zuweisung des strittigen Betrags an die „allgemeine Masse im Konkurs [des Schuldners]“, was der Erhebung eines Leistungsbegehrens zugunsten der Insolvenzmasse entspricht.

Daher kann beim Anfechtungswiderspruch nicht mehr von einem bloß ein Absonderungsrecht abwehrenden Vorgehen gesprochen werden; dieses ist vielmehr auf eine Entscheidung über den behaupteten Anfechtungssachverhalt (sei es schon im Meistbotsverteilungsbeschluss, sei es erst im Urteil über eine notwendig gewordene Widerspruchsklage [§ 231 Abs 1 EO]) gerichtet und strebt eine Leistung an die allgemeine Insolvenzmasse an. Das gewünschte Ergebnis entspricht daher jenem einer Anfechtungsklage, also einer angriffsweisen Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs.

Somit muss der Insolvenzverwalter auch bei der Erhebung des Anfechtungswiderspruchs die Jahresfrist des § 43 Abs 2 IO einhalten, widrigenfalls sein Anfechtungsanspruch erloschen ist.

Im Fall der Verweisung auf den streitigen Rechtsweg bleibt es bei der Fristwahrung durch einen rechtzeitigen Anfechtungswiderspruch nur dann, wenn die Widerspruchsklage innerhalb der Monatsfrist des § 231 Abs 2 EO anhängig gemacht wurde, und zwar - wegen der Einheit von Widerspruch und Ausführungsklage - selbst wenn zu diesem Zeitpunkt die Jahresfrist bereits abgelaufen gewesen sein sollte. Bei Versäumung der Monatsfrist ist der Anfechtungsanspruch nicht erloschen, wenn die Frist des § 43 Abs 2 IO noch offen ist (Petschek/Reimer/Schiemer, 418; Hoyer ÖJZ 1982, 386; König Rz 17/84).

Ergebnis

Zusammenfassend formuliert der OGH daher folgenden Rechtssatz:

„Der sogenannte Anfechtungswiderspruch ist eine selbstständige Form der Ausübung des Anfechtungsrechts auch nach der IO. Dessen Geltendmachung durch Erhebung eines solchen Widerspruchs iSd § 213 Abs 1 EO steht dem Insolvenzverwalter sowohl in der Meistbotsverteilungstagsatzung als auch in der Tagsatzung zur Verteilung nach der freihändigen Verwertung nach § 120 IO offen. Es handelt sich dabei um eine angriffsweise Rechtswahrung, weshalb der Widerspruch innerhalb der Präklusivfrist des § 43 Abs 2 IO erhoben werden muss. Im Fall der Verweisung auf den streitigen Rechtsweg nach § 231 Abs 1 EO hat die Fristwahrung nur dann Bestand, wenn die Widerspruchsklage innerhalb der Monatsfrist des § 231 Abs 2 EO anhängig gemacht wurde. Bei Versäumung der Monatsfrist ist der Anfechtungsanspruch nicht erloschen, solange die Frist des § 43 Abs 2 IO noch offen ist.“

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 23563 vom 15.05.2017