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Zusammengestellt von der LexisNexis-Redaktion
Die neue Session des VfGH hat am 19. 9. 2022 begonnen und ist für drei Wochen anberaumt.
1. Ua auf der Tagesordnung
Auf der Tagesordnung der Session stehen laut den Presseaussendungen des VfGH ua folgende Fälle:
- | Burgenland: Festlegung des ÄrzteNot- und Bereitschaftsdienstes durch Ärztekammern? Nach dem ÄrzteG 1998 obliegt es den Ärztekammern, einen ärztlichen Not- und Bereitschaftsdienst zu organisieren. Die Bgld LReg hält diese Zuständigkeitsregelung für verfassungswidrig. Die angefochtenen Bestimmungen würden nämlich die Grenzen zulässiger Selbstverwaltung der Ärztekammern überschreiten: Mit ihnen werden, so die LReg, den Ärztekammern Angelegenheiten zugewiesen, die nicht im überwiegenden Interesse der Ärzte, sondern in mindestens gleicher Intensität im allgemeinen Interesse der krankenversicherten Bevölkerung an einer umfassenden, qualitätsvollen Gesundheitsversorgung liegen. (G 101/2022) |
- | Datenschutz: Bedenken des BVwG gegen Medienprivileg Das BVwG beantragt, § 9 Abs 1 DSG 2000 teilweise als verfassungswidrig aufzuheben. Diese Bestimmung sieht vor, dass das DSG 2000 sowie näher bezeichnete Teile der DSGVO auf journalistische Datenverarbeitungen nicht anzuwenden sind. Das BVwG erachtet die gänzliche Ausnahme von Medienunternehmen von den Garantien des Datenschutzrechts als unverhältnismäßig; das Gericht sieht darin ua einen Verstoß gegen das Grundrecht auf Datenschutz. (G 200/2022, G 229/2022) |
- | Verletzt eine für die Kreditnehmer unentgeltliche Stundung Eigentumsrecht von Banken? 403 österreichische Banken wenden sich in einem gemeinsamen Antrag gegen eine Bestimmung im 2. COVID-19-Justiz-Begleitgesetz (§ 2 Abs 6 zweiter Satz). Diese Bestimmung sah für gewisse Verbraucherkreditverträge vor, dass Rück- oder Zinszahlungen gestundet werden, wenn der Kreditnehmer pandemiebedingt Einkommensverluste hat, die solche Zahlungen unzumutbar machen. Ein zunächst dreimonatiges Moratorium ab April 2020 wurde auf sieben und schließlich auf insgesamt zehn Monate verlängert. Der OGH entschied im Dezember 2021, dass die Kreditgeber für die Dauer des Moratoriums auch keine Sollzinsen verrechnen dürfen; die Kreditverträge mussten also unentgeltlich verlängert werden. Die antragstellenden Banken sehen darin zwei Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Regelung sei auch unverhältnismäßig und verletze das Grundrecht auf Eigentum. (G 174/2022) Zu diesem Fall findet auch eine öffentliche Verhandlung statt. |
- | Benachteiligung von staatsnahen Unternehmen bei COVID-19-Hilfen gesetzwidrig? Das Bundesgesetz über die Errichtung einer Abbaubeteiligungs AG des Bundes (ABBAG) sieht vor, dass zugunsten von Unternehmen, die pandemiebedingt in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, „finanzielle Maßnahmen“ ergriffen werden können. Zu diesem Zweck stattete der Bund die COVID-19 Finanzierungsagentur GmbH (COFAG) so aus, dass sie Finanzhilfen bis zu einem Höchstbetrag von 19 Mrd. Euro gewähren kann. Dabei ist die COFAG an Richtlinien gebunden, die der Finanzminister im Einvernehmen mit dem Vizekanzler per Verordnung festlegt. Nach einer dieser Richtlinien können Zuschüsse zur Deckung von Fixkosten gewährt werden. Ausgeschlossen von diesen Zuschüssen sind jedoch ua „Einrichtungen“, die entweder im Alleineigentum von Gebietskörperschaften stehen oder mehrheitlich im Eigentum von Gebietskörperschaften stehen und einen Eigendeckungsgrad von weniger als 75 % haben. Die Wiener Lokalbahnen Verkehrsdienste GmbH (WLV) – sie bietet etwa Transferfahrten an und betreibt einige Buslinien – steht mittelbar im alleinigen Eigentum der Stadt Wien. Sie ist der Ansicht, dass diese Bestimmung vom Gesetz nicht gedeckt sei, und beantragt daher, diese Ausnahmeregelung als gesetzwidrig aufzuheben. Zudem sei es sachlich nicht gerechtfertigt, staatsnahe Unternehmen bei der Gewährung von COVID-19-Hilfen zu benachteiligen. (V 139/2022, G 108/2022) |
- | Prüfung des Amtssitzabkommens mit der OPEC Ein ehemaliger Mitarbeiter der Organisation der erdölexportierenden Länder (OPEC), der sich nun an den VfGH wendet, hat die OPEC vor dem ASG Wien auf Nachzahlung von Gehalt geklagt. Das ASG wies die Klage zurück, weil die OPEC nach Art 9 des Amtssitzabkommens in Österreich „von jeglicher Jurisdiktion befreit“ sei; auch habe die OPEC nicht erklärt, auf ihre Immunität zu verzichten. In seinem Antrag auf Prüfung der Rechtmäßigkeit des Amtssitzabkommens sieht sich der ehemalige OPEC-Mitarbeiter in seinem Grundrecht auf Zugang zu einem Gericht verletzt. Dieses Grundrecht sei deshalb verletzt, weil die OPEC durch das Abkommen von der österreichischen Gerichtsbarkeit ausgenommen sei, obwohl die Angestellten der OPEC über keine alternative Rechtsschutzmöglichkeit verfügten. (SV 1/2021) |
2. Einige weitere offene Fragen
Zu den weiteren noch offenen Verfahren beim VfGH gehört ua:
- | Zwingende Untersuchungshaft bei schweren Straftaten Ein Antrag an den VfGH in Bezug auf die StPO wurde von einem Mann eingebracht, gegen den wegen des Verdachts terroristischer Verbrechen ermittelt wird und der sich seit November 2020 in Untersuchungshaft befindet. Während Untersuchungshaft grds nur verhängt werden darf, wenn bestimmte Haftgründe vorliegen, sieht § 173 Abs 6 StPO vor, dass bei Verbrechen mit einer Strafdrohung von mindestens zehn Jahren Freiheitsstrafe zwingend Untersuchungshaft zu verhängen ist, außer wenn alle Haftgründe ausgeschlossen werden können. Der Antragsteller befindet sich wegen des Verdachts terroristischer Verbrechen seit November 2020 in Untersuchungshaft. Er sieht in dieser Bestimmung einen Verstoß gegen das Grundrecht auf persönliche Freiheit. (G 53/2022) |
Hinweis: Auf der Homepage des VfGH werden Übersichten angeboten, welche Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren zu bestimmten Stichtagen anhängig sind; siehe dazu auf www.vfgh.gv.at den Unterpunkt „Normenprüfungsverfahren“ zum Menüpunkt „Rechtsprechung“.