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Anspruch auf Insolvenz-Entgelt für Teuerungsprämie

Bearbeiter: Bettina Sabara

IESG: § 1 Abs 2 und Abs 3

EStG 1988: § 124b Z 408 lit a

Eine vom Arbeitgeber gewährte Teuerungsprämie gemäß § 124b Z 408 lit a EStG 1988, die eine zusätzliche, üblicherweise bisher nicht gewährte Zulage oder Bonuszahlung in den Jahren 2022 und 2023 darstellt, die im Hinblick darauf gewährt wurde, dass die Geldentwertung eine unverhältnismäßige Minderung des Arbeitslohns bewirkte, steht in untrennbarem Konnex mit Arbeitsverhältnis und Arbeitsleistung, betrifft den Kernbereich des durch das IESG versicherten Risikos und ist daher als laufendes Entgelt iSd § 1 Abs 2 IESG anzusehen.

OGH 25. 4. 2024, 8 ObS 1/24s

Sachverhalt und bisheriges Verfahren

Die Klägerin ist seit 19. 4. 2022 bei der W*** GmbH als Angestellte in Vollzeit beschäftigt, auf das Dienstverhältnis ist der Angestelltenkollektivvertrag Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechniker anzuwenden. Die Arbeitgeberin hat bei allen ihren Arbeitnehmern im Dezember 2022 eine Teuerungsprämie von je € 500.- abgerechnet.

Über das Vermögen der Arbeitgeberin wurde im Jänner 2023 das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Der Insolvenzverwalter hat die von der Klägerin geltend gemachten Forderungen anerkannt, die IEF-Service GmbH lehnte jedoch das von der Klägerin beantragte Insolvenz-Entgelt für die gewährte Teuerungsprämie mit der Begründung ab, dass diese kein Entgelt iSd § 1 Abs 2 IESG sei.

Die Klägerin begehrte die Zahlung von Insolvenz-Entgelt und brachte vor, dass es sich bei der Teuerungsprämie um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis gemäß § 1 Abs 2 IESG handle, der kein ausgeschlossener Anspruch nach § 1 Abs 3 IESG sei.

Das Erstgericht gab der Klage im Umfang von € 475,- (€ 500,- abzüglich der von der Klägerin bezogenen Barquote von € 25,-) statt. Die Teuerungsprämie habe ihren Entstehungsgrund im Arbeitsverhältnis und sei daher als Anspruch iSd § 1 Abs 2 IESG zu qualifizieren. Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück. Die Teuerungsprämie sei zwar als Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis zu qualifizieren. Es sei allerdings nicht erkennbar, ob eine sachliche Rechtfertigung für die Auszahlung der Teuerungsprämie iSv § 1 Abs 3 Z 2 lit b IESG vorliege. Die Klägerin habe nämlich nur behauptet, die Prämie sei aufgrund des hohen Arbeitseinsatzes sämtlicher Arbeitnehmer im Kalenderjahr 2022 gerechtfertigt gewesen, habe aber nicht dargetan, warum gerade die ihr gewährte Teuerungsprämie sachlich gerechtfertigt wäre.

Der OGH hat den Rekurs mangels Rechtsprechung zur Frage der Qualifikation einer Teuerungsprämie als gesicherter Anspruch nach § 1 Abs 2 IESG für zulässig erklärt. Im Ergebnis stellte er das klagsstattgebende Ersturteil mit der folgenden (zusammengefassten) Begründung wieder her:

Abgabenfreie Teuerungsprämie für 2022 und 2023

Gemäß § 124b Z 408 lit a EStG 1988, der durch das Teuerungs-Entlastungspaket, BGBl I 2022/93, ARD 6805/14/2022, eingeführt wurde, sind Zulagen und Bonuszahlungen, die der Arbeitgeber in den Kalenderjahren 2022 und 2023 aufgrund der Teuerung zusätzlich gewährt (Teuerungsprämie), bis € 2.000 pro Jahr steuerfrei und zusätzlich bis € 1.000 pro Jahr steuerfrei, wenn die Zahlung aufgrund einer lohngestaltenden Vorschrift gemäß § 68 Abs 5 Z 1 bis 7 EStG 1988 erfolgt. Es muss sich dabei um zusätzliche Zahlungen handeln, die üblicherweise bisher nicht gewährt wurden.

Die Abgabenfreiheit bezieht sich auf alle Lohnabgaben. Für die Befreiung in den Bereichen der Sozialversicherung, der betrieblichen Vorsorge (Abfertigung Neu) und der Lohnnebenkosten findet sich in § 49 Abs 3 Z 30 ASVG, § 41 Abs 4 lit h FLAG und § 16 Abs 15 KommStG jeweils ein Verweis auf die steuerfreie Teuerungsprämie.

Teuerungsprämie ist laufendes Entgelt iSd IESG

Der Rekurs der IEF-Service GmbH beharrt ua darauf, dass die Teuerungsprämie kein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis sei, zumal diese – anders als eine Bleibeprämie (vgl OGH 30. 8. 2022, 8 ObS 6/22y, ARD 6833/6/2023) – nicht von einer tatsächlichen Arbeitsleistung abhänge und nur „wegen der Teuerung“ freiwillig gewährt werde.

Nach § 124b Z 408 lit a EStG 1988 handelt es sich bei der Teuerungszulage um vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zusätzliche, üblicherweise bisher nicht gewährte Zulagen oder Bonuszahlungen in den Jahren 2022 und 2023, die im Hinblick darauf gewährt wurden, dass die Geldentwertung eine unverhältnismäßige Minderung des Arbeitslohns bewirkte. Nach dem in den Materialien (IA 2662/A BlgNR 27. GP 11) zum Ausdruck kommenden Zweck soll damit eine steuerliche Entlastung für einen in den Jahren 2022 und 2023 aufgrund der gestiegenen Preise gewährten zusätzlichen Arbeitslohn bewirkt werden.

Der OGH teilt vor diesem Hintergrund die Ansicht des Berufungsgerichts, dass eine solche Teuerungsprämie in untrennbarem Konnex mit Arbeitsverhältnis und Arbeitsleistung steht, sie ohne diese nicht denkbar wäre und sie den Kernbereich des durch das IESG versicherten Risikos betrifft; sie soll gerade vor dem Hintergrund der Geldentwertung die Bestreitung des Lebensunterhalts der Arbeitnehmer trotz Insolvenz des Arbeitgebers sicherstellen. Wesentliche Unterschiede zwischen der Teuerungsprämie und der Regelung nach § 124b Z 350 EStG 1988, die eine differenzierte Behandlung in Ansehung der Qualifikation als Arbeitsentgelt nahelegen würden, sind weder vom Wortlaut der beiden Bestimmungen (arg: „zusätzliche Zahlungen ... aufgrund der COVID-19-Krise / der Teuerung“) noch von ihrer – gleichlaufend gestalteten – Gesetzessystematik geboten.

Die Teuerungsprämie nach § 124b Z 408 lit a EStG 1988 ist daher als laufendes Entgelt iSd § 1 Abs 2 IESG anzusehen.

Kein Missbrauchsvorsatz

Der OGH verneint weiters eine unzulässige Risikoüberwälzung auf die IEF-Service GmbH:

Die Prämie wurde aufgrund von vom Berufungsgericht als schlüssig zustandegekommen qualifizierten jeweiligen Einzelvereinbarungen im Dezember 2022 abgerechnet, bevor der Arbeitgeber im Jänner 2023 insolvent wurde. Dass die Klägerin oder andere Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt schon länger offene Entgeltansprüche gehabt hätten, hat die IEF-Service GmbH nicht vorgebracht und ist auch nicht hervorgekommen; dasselbe gilt für Umstände dahin, dass die Klägerin eine besondere Nahebeziehung zum Arbeitgeber gehabt oder sonst konkretes Wissen über dessen Insolvenz gehabt und deshalb die Vereinbarung über die Teuerungsprämie getroffen hätte. Es wurde auch nicht behauptet und es ist auch nicht hervorgekommen, dass die Höhe der gewährten Teuerungsprämie in einem auffälligen Missverhältnis zu Arbeitsausmaß oder Lohnhöhe der Klägerin (von € 3.780,- brutto) gestanden wäre.

Insgesamt ist daher dem Berufungsgericht auch dahin zuzustimmen, dass konkreter Missbrauchsvorsatz oder gar Missbrauchsabsicht der Klägerin nicht behauptet wurde, sodass ein Ausschlussgrund iSd § 1 Abs 3 Z 1 IESG nicht näher in Betracht kommt.

Gewährung der Prämie sachlich gerechtfertigt

Gemäß § 1 Abs 3 Z 2 lit b IESG gebührt Insolvenz-Entgelt nicht für Ansprüche, die auf einer Einzelvereinbarung beruhen, die in den letzten 6 Monaten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossen wurde, soweit diese Ansprüche über den durch Gesetz, Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung zustehenden Anspruch oder die betriebsübliche Entlohnung hinausgehen oder auf sonstigen Besserstellungen beruhen, wenn die höhere Entlohnung sachlich nicht gerechtfertigt ist.

Für den OGH ist – vor dem Hintergrund der Zwecke des Insolvenz-Entgelts und der vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebrachten Zweckbestimmung der Teuerungsprämie und ihrer steuerlichen Befreiung dafür – die sachliche Rechtfertigung der Teuerungsprämie in ihrer konkreten Ausgestaltung darin zu erblicken, dass die Klägerin ihre (Vollzeit-)Arbeitsverpflichtung trotz der hohen Geldentwertung erfüllte, und dass die vom Gesetzgeber auch ausdrücklich so gewünschte und durch Befreiung von Lohnnebenkosten auch geförderte Zusatzentlohnung einen Beitrag zur Beibehaltung der Äquivalenz zwischen Arbeitsleistung und Bezahlung leisten sollte. Unter diesen Voraussetzungen erscheint es daher nicht notwendig, eine zusätzliche konkrete sachliche Rechtfertigung darzulegen, wie sie im Lichte der Rechtsprechung zu anderen Zusatzzahlungen allenfalls gefordert wäre, die nicht durch vom Gesetzgeber selbst konkret vorgesehene Anlässe motiviert wären. Hier liegt eine ausreichende sachliche Rechtfertigung der steuerlich begünstigten Zusatzzahlung im Umstand der auch die Klägerin treffenden Geldentwertung und der dessen ungeachtet von ihr erbrachten Arbeitsleistung.

Vor diesem Hintergrund sind weder Ungenügen noch Unschlüssigkeit des Klagsvorbringens zu erkennen, sodass keine Veranlassung zu weiterer Erörterung mit der Klägerin besteht. Der Anspruch der Klägerin besteht damit zu Recht, ohne dass auf die Frage der Betriebsüblichkeit eingegangen werden muss.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35838 vom 09.09.2024