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Ausländerbeschäftigung: Strafe pro überlassenem Ausländer?

Bearbeiter: Manfred Lindmayr / Bearbeiter: Barbara Tuma

AuslBG: § 28 Abs 1 Z 1

Werden ausländische Arbeitnehmer einer inländischen Gesellschaft von einem Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat zur Arbeitsleistung überlassen (grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung) und in der Folge vom inländischen Betrieb ohne die erforderlichen Genehmigungen in Österreich beschäftigt, darf dem Unternehmen nach der Rechtsprechung des EuGH nur eine Gesamtstrafe vorgeschrieben werden; das Unionsrecht verdrängt somit die Regelung des § 28 Abs 1 Z 1 dritter Strafsatz AuslBG, die für jeden unerlaubten Ausländer eine eigene Strafe normiert.

Werden die Ausländer dem inländischen Unternehmen jedoch von einer ebenfalls in Österreich ansässigen Gesellschaft überlassen, ist § 28 Abs 1 Z 1 dritter Strafsatz AuslBG anzuwenden und für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer eine Geldstrafe zu verhängen. Diese unterschiedliche hohe Strafdrohung je nachdem, ob der Überlasser der Arbeitskräfte seinen Sitz im Inland oder in einem anderen Mitgliedsstaat hat, erscheint dem VwGH sachlich nicht gerechtfertigt und stellt seiner Ansicht nach eine unzulässige Inländerdiskriminierung dar. Der VwGH hat daher beim VfGH die Aufhebung der Wortfolge „für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer“ in § 28 Abs 1 Z 1 dritter Strafsatz AuslBG wegen Verfassungswidrigkeit beantragt.

VwGH 11. 3. 2021, A 2021/0001 (Ra 2020/09/0077)

Entscheidung

Bisherige Rechtsprechung

§ 28 Abs 1 Z 1 AuslBG normiert seit der Novelle BGBl 1988/231 für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer eine eigene Strafdrohung. Für den Fall der erstmaligen unberechtigten Beschäftigung von mehr als drei Ausländern sieht § 28 Abs 1 Z 1 dritter Strafsatz AuslBG „für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer“ eine „Geldstrafe von 2.000 Euro bis 20.000 Euro“ vor.

Zu Fällen von Bestrafungen nach § 7i Abs 4 AVRAG aF und § 28 Abs 1 Z 1 lit a AuslBG infolge grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung hat der EuGH in seinem Urteil vom 12. 9. 2019, C-64/18, Maksimovic, ARD 6667/5/2019, entschieden, dass Art 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) derartigen nationalen Regelungen entgegensteht.

Diese Rsp wurde vom EuGH seitdem auch auf das LSD-BG übertragen (EuGH 19. 12. 2019, C-645/18, NE; EuGH 19. 12. 2019, C-140/19 ua, EX), und in diesem Zusammenhang ein Verstoß gegen Art 20 der RL 2014/67/EU (DurchführungsRL zur EntsendeRL 96/17/EG) konstatiert.

Der EuGH-Rsp folgend judiziert der VwGH in Fällen grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung seither, dass die Wortfolge „für jede/n Arbeitnehmer/in“ in § 7i Abs 4 AVRAG aF unangewendet zu bleiben hat (vgl VwGH 15. 10. 2019, Ra 2019/11/0033, 0034, ARD 6675/5/2019) – und Entsprechendes für § 28 LSD-BG (vgl VwGH 18. 2. 2020, Ra 2019/11/0195). Einen Anwendungsvorrang des Unionsrechts sieht auch der VfGH (vgl ua VfGH 27. 11. 2019, E 2047-2049/2019, ARD 6689/9/2020; VfGH 26. 6. 2020, E 4329/2019, ARD 6719/8/2020).

Unzulässige Inländerdiskriminierung

Liegt ein rein innerstaatlicher Sachverhalt vor, wird nationales Recht durch das Unionsrecht nicht verdrängt. Dies ist – schon mangels vergleichbaren Sachverhalts – in Fällen nicht weiter problematisch, in denen einer nach AuslBG unzulässigen Beschäftigung keine Dienstleistung in Form einer Zurverfügungstellung dieser Arbeitnehmer zugrunde liegt (siehe etwa VwGH 2. 7. 2020, Ra 2020/09/0025, ARD 6726/12/2020).

Im vorliegenden Fall wurden die neun unerlaubt beschäftigten Ausländer dem österreichischen Beschäftiger jedoch von einer ebenfalls in Österreich ansässigen Gesellschaft überlassen. Abgesehen davon, dass ein reiner Inlandssachverhalt gegeben ist, liegt im Übrigen – insbesondere im Hinblick auf die Dienstleistung der Zurverfügungstellung der Arbeitnehmer durch ein anderes Unternehmen – ein Sachverhalt vor, der jenem gleicht, den der EuGH in der Rs Maksimovic zu entscheiden hatte. Mit anderen Worten: Wären die Arbeitnehmer von einem Unternehmen in einem anderen Mitgliedsstaat überlassen worden, käme es nach der dargestellten Rsp zu vergleichbaren Bestimmungen zu einer Verdrängung der nationalen Regelung in § 28 Abs 1 Z 1 dritter Strafsatz AuslBG, dass für jeden Ausländer eine Strafe zu verhängen ist. Ohne diesen Anwendungsvorrang des Unionsrechts ist diese Bestimmung jedoch anzuwenden und bei mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer eine Geldstrafe von € 2.000,- bis € 20.000,- zu verhängen.

Nach stRsp des VfGH ist eine Schlechterstellung österreichischer Staatsbürger im Verhältnis zu Ausländern am Gleichheitssatz zu messen und bedarf daher einer sachlichen Rechtfertigung. Diesen Gedanken hat der VfGH – unter Hinweis auf die „doppelte Bindung“ des Gesetzgebers bei der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht – auch auf die so genannte „Inländerdiskriminierung“ übertragen. Wenn es dabei auch nicht um Diskriminierungen nach dem Kriterium der Staatsbürgerschaft geht, sondern um die Benachteiligung rein innerstaatlicher Sachverhalte im Verhältnis zu Sachverhalten mit Gemeinschaftsbezug, so sind inländische Staatsbürger davon doch meist besonders betroffen. Dies gilt für Fälle, in denen bereits die österreichischen Normen zwischen rein innerstaatlichen Sachverhalten und solchen mit Gemeinschaftsbezug differenzieren, wie für Fälle, wenn sich eine solche Differenzierung erst aus dem Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts ergibt (vgl VfGH 8. 6. 2005, G 159/04).

Aus Sicht des VwGH besteht bei Vorliegen eines vergleichbaren Sachverhalts keine sachliche Rechtfertigung dafür, dass der Beschäftiger sich einer unterschiedlich hohen Strafdrohung gegenübersieht, je nachdem ob der Überlasser der Arbeitskräfte seinen Sitz im Inland oder in einem anderen Mitgliedsstaat hat. Im ersten Fall ist für jeden Ausländer – ohne Begrenzung der Gesamtstrafen – eine Geldstrafe zu verhängen, im anderen Fall nur eine in ihrer Höhe begrenzte Gesamtstrafe. Durch Aufhebung der angefochtenen Bestimmung könnten auch diese innerstaatlichen Sachverhalte so behandelt werden, wie es für Fälle mit Unionsbezug unionsrechtlich geboten ist.

Gesetzesprüfungsantrag

Mit der Aufhebung der im Hauptantrag angeführten Wortfolge „für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer“ in § 28 Abs 1 Z 1 dritter Strafsatz AuslBG würde die Verfassungswidrigkeit der Regelung im dargelegten Sinn beseitigt, ohne dass der verbleibende Rest der gesetzlichen Bestimmung unverständlich oder unanwendbar oder eine Veränderung seiner Bedeutung erfahren würde. Es würde aber auch nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden, als Voraussetzung für den Anlassfall ist.

Der erste Eventualantrag (Aufhebung der Wortfolge „von 2 000 Euro“ in § 28 Abs 1 Z 1 dritter Strafsatz AuslBG) wird für den Fall gestellt, dass der VfGH zum Ergebnis gelangt, dass der Entfall der Untergrenze (siehe die Erwägungen des EuGH in der Rs Maksimovic, Rn 41, 43) bei Beibehaltung einer Strafdrohung für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer ausreichend und besser geeignet ist, die Verfassungswidrigkeit zu beseitigen.

Sofern der VfGH jedoch der Ansicht sein sollte, dass die Sanktionsnorm des § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG insgesamt den europarechtlichen Vorgaben widerspricht und daher zur Beseitigung einer Inländerdiskriminierung die gesamte Bestimmung zu entfernen ist, wird der zweite Eventualantrag gestellt (Aufhebung des gesamten § 28 Abs 1 Z 1 AuslBG).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30861 vom 06.05.2021