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Begünstigte Behinderte in Bildungskarenz – Anrechnung auf Pflichtzahl

Bearbeiter: Manfred Lindmayr / Bearbeiter: Barbara Tuma

BEinstG: § 1 Abs 1, § 5, § 9

Arbeitgeber, die im Bundesgebiet 25 oder mehr Arbeitnehmer beschäftigen, sind verpflichtet, auf je 25 Arbeitnehmer mindestens einen begünstigten Behinderten einzustellen. Ein begünstigter Behinderter, der aufgrund einer Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber eine Bildungskarenz nach § 11 AVRAG in Anspruch nimmt, ist in diesem Zeitraum weiterhin auf die Pflichtzahl gemäß § 5 Abs 1 BEinstG anzurechnen.

VwGH 16. 12. 2020, Ra 2019/11/0137

Sachverhalt und bisheriges Verfahren

Dem Dienstgeber wurde für das Kalenderjahr 2014 Ausgleichstaxe gemäß § 9 BEinstG vorgeschrieben, deren Höhe er im vorliegenden Verfahren mit dem Argument bekämpft, die Dienstnehmerin Mag. E., eine begünstigte Behinderte, sei auf die Erfüllung der Beschäftigungspflicht gemäß § 5 Abs 1 BEinstG auch für jenen Zeitraum anzurechnen, in dem sie sich in Bildungskarenz befand (1. 1. bis 31. 7. 2014).

Das VwG ging davon aus, dass für die Anrechenbarkeit auf die Pflichtzahl gemäß § 5 Abs 1 BEinstG erforderlich sei, dass die begünstigte Behinderte beim Dienstgeber „beschäftigt und nach § 7 BEinstG entlohnt“ werde. Diese Kriterien seien bei einer Bildungskarenz nicht erfüllt (Entbindung von den wechselseitigen Verpflichtungen aus dem Dienstvertrag während der Bildungskarenz).

Wegen des Fehlens von Rsp zu dieser Frage ließ der VwGH die Revision zu; sie war auch berechtigt:

Entscheidung

Auf die Anzahl der zu beschäftigenden Arbeitnehmer (Pflichtzahl) sind gemäß § 5 BEinstG ua die „beschäftigten und nach § 7 entlohnten begünstigten Behinderten“ anzurechnen. Nach § 7 BEinstG darf das Entgelt, das den begünstigten Behinderten gebührt, aus dem Grunde der Behinderung nicht gemindert werden.

Bisherige Rsp

In seiner bisherigen Rsp hat der VwGH bereits geklärt, dass die Voraussetzung einer „Beschäftigung und Entlohnung nach § 7 BEinstG“ dahin zu verstehen ist, dass das Dienstverhältnis weiterhin aufrecht ist, dem begünstigten Behinderten im Arbeitsvertrag ein Entgeltanspruch in jener Höhe „gesichert“ ist wie nicht behinderten Arbeitnehmern und dass es sich um eine Dienstverhinderung in der Sphäre des Dienstnehmers handelt.

Dementsprechend bejahte der VwGH die Anrechnung einer begünstigten Behinderten auf die Pflichtzahl für jenen Zeitraum, in dem diese wegen Erkrankung nur Leistungen aus der Sozialversicherung (Krankengeld) bezog (VwGH 18. 10. 1990, 90/09/0075, ARD 4225/5/90) bzw sich in Karenz nach dem MSchG befand und Leistungen aus dem Familienlastenausgleichsfonds (Kinderbetreuungsgeld) bezog (VwGH 28. 6. 2011, 2009/11/0223, ARD 6179/4/2011). Im zuletzt genannten Fall betonte der OGH auch, dass die Erbringung der Dienstleistungen aus in der Sphäre der begünstigten Behinderten gelegenen Gründen verhindert gewesen.

Hingegen verneinte der VwGH die Anrechnung auf die Pflichtzahl in einem Fall, in dem ein begünstigter Behinderter im Einvernehmen mit dem Dienstgeber wegen des Bezuges einer befristeten Berufungsunfähigkeitspension karenziert worden war: Die Erbringung der Dienstleistungen sei hier nicht aus Gründen in der Sphäre des Dienstnehmers verhindert worden (VwGH 24. 5. 2011, 2008/11/0012, ARD 6152/5/2011).

Anrechnung auf die Pflichtzahl

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass der Arbeitsvertrag der begünstigten Behinderten Mag. E im hier maßgebenden Kalenderjahr 2014 aufrecht war und dass ihr unbeschadet ihrer Bildungskarenz im Arbeitsvertrag ein Entgeltanspruch in jener Höhe „gesichert“ war, wie er auch einem nicht behinderten Arbeitnehmer zusteht.

Auch eine Bildungskarenz gemäß § 11 AVRAG lässt (nicht zuletzt im Hinblick auf deren gesetzliche Befristung) den Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses unberührt und es handelt sich dabei außerdem schon nach ihrem Zweck um eine der Sphäre des Dienstnehmers zuzurechnende Dienstverhinderung (ebenso wie die Karenz nach dem MSchG in VwGH 2009/11/0223 und die Erkrankung in VwGH 90/09/0075), ohne dass es darauf ankäme, aus welchen Gründen der Dienstgeber dieser Karenzierung zugestimmt hat.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30459 vom 19.02.2021