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ArbVG: § 56 Abs 2, § 59
BRWO: § 24 Abs 3
1. Auch wenn eine Betriebsratswahl nach dem Gesetz mittels eines einheitlichen Stimmzettels zu erfolgen hat, der vom Wahlvorstand aufzulegen ist, ist die Verwendung von sogenannten Fraktionsstimmzetteln zulässig, die von einer wahlwerbende Gruppe an die Arbeitnehmer ausgeteilt werden und bei denen bereits ihre wahlwerbende Gruppe entsprechend gekennzeichnet ist.
2. Anders als bei Nationalratswahlen ist bei einer Betriebsratswahl keine Verbotszone rund um das Wahllokal zu beachten, innerhalb derer jede Art der Wahlwerbung verboten ist (hier: Verteilung nichtamtlicher Stimmzettel durch eine Wählergruppe).
3. Bei Verwendung eines Fraktionsstimmzettels, auf den der Name eines Kandidaten der wahlwerbenden Gruppe gestempelt ist, ist hinreichend deutlich zu erkennen, welchen Wahlvorschlag der Wähler wählen wollte. Für eine gültige Stimmabgabe bedarf es hier – anders als bei der Verwendung eines einheitlichen Stimmzettels, bei der der Wählerwille durch eine aktive Veränderung zum Ausdruck gebracht werden muss – keiner Veränderung des Stimmzettels.
Wird neben dem Fraktionsstimmzettel mit dem aufgestempelten Name eines Kandidaten der wahlwerbenden Gruppe auch der unausgefüllte einheitliche Stimmzettel in das Wahlkuvert gelegt, so liegt eine gültige Stimme für die wahlwerbende Gruppe vor, auf die der Fraktionsstimmzettel hinweist.
Entscheidung
Verwendung von Fraktionsstimmzetteln zulässig
In der Lit wird die Zulässigkeit von Fraktionsstimmzetteln anerkannt (vgl Marhold/Mayer-Maly, Arbeitsrecht² II 171, Kallab in ZellKomm² § 56 ArbVG Rz 24; Windisch-Graetz in Tomandl, ArbVG § 56 Rz 2, § 59 Rz 28; Schneller in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht5 II § 56 Rz 5).
Dieser Ansicht schließt sich der OGH mit folgender Begründung an:
Nach dem Gesetzestext liegt ein Anfechtungsgrund ausdrücklich nicht vor, wenn trotz eines aufgelegten einheitlichen Stimmzettels Wahlberechtigte mittels anderer Stimmzettel wählen (§ 59 Abs 1 letzter Satz ArbVG). Daraus ergibt sich nach den Gesetzesmaterialien, dass der Wähler den einheitlichen Stimmzettel nicht verwenden muss, sondern „zulässigerweise“, also rechtmäßig, auch einen anderen Stimmzettel verwenden kann (ErläutRV 1308 BlgNR 17. GP 8). Dass ein Fraktionsstimmzettel kein „anderer Stimmzettel“ wäre, ist dem ArbVG und den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen.
Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass der Fraktionsstimmzettel nicht als „anderer Stimmzettel“ (auch nach der ArbVG-Novelle BGBl 1990/411) verwendet werden darf, hätte er dem im Gesetz oder zumindest in den Materialien Ausdruck verleihen müssen, zumal ihm der Einsatz von Fraktionsstimmzetteln bei Verabschiedung der ArbVG-Novelle 1990 bekannt war.
Die Verwendung von Fraktionsstimmzetteln ist auch verfassungsrechtlich unbedenklich: Nach stRsp des VfGH gibt es kein verfassungsrechtliches Gebot, nach dem die Stimmabgabe so geregelt werden muss, dass sie nur unter Verwendung von amtlichen Stimmzetteln vorgenommen werden darf (VfGH W I 7/96 = VfSlg 14.847). Zum Teil wird in der Literatur postuliert, der Gesetzgeber habe, wenn er nichtamtliche Stimmzettel zulässt, wenigstens sicherzustellen, dass jeder Wähler, der vor die Wahlbehörde tritt, einen (leeren) amtlichen Stimmzettel verlangen kann (Holzinger/Holzinger in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht Art 26 B-VG Rz 54). Selbst dieser verschärften Anforderung entspricht aber das Betriebswahlrecht, zumal nach § 24 Abs 3 Satz 1 (iVm § 21a) BRWO (idF BGBl 1990/690) dem Wähler vom Vorsitzenden ein undurchsichtiger leerer Umschlag (Wahlkuvert) und ein einheitlicher Stimmzettel auszufolgen ist. Der Wähler muss daher nicht einmal nach einem einheitlichen Stimmzettel fragen (was wohl auch bedenklich wäre, zumal hieraus geschlossen werden könnte, dass er von einem bereits zuvor verteilten Fraktionsstimmzettel nicht Gebrauch machen, also offenbar eine andere Wahl treffen möchte).
Keine Verbotszone bei BR-Wahl
Während § 24 BRWO hinsichtlich der Einrichtung der Wahlzelle ausdrücklich auf § 57 Nationalrats-Wahlordnung verweist, wird auf den unmittelbar folgenden § 58 NRWO (über sogenannte Verbotszonen rund um das Wahllokal, in denen jede Art der Wahlwerbung verboten ist) in § 24 Abs 1 BRWO oder einer anderen Bestimmung der BRWO oder des ArbVG gerade nicht verwiesen.
Das EA Innsbruck hat dazu bereits vor langem zu den (insoweit inhaltsgleichen) Vorgängerbestimmungen der BRWO und NRWO entschieden, dass das Verbot der Wahlagitation in der Nähe des Wahlorts bei der Betriebsratswahl nicht gelte (R 4/47 = Arb 4954). Die heutige BRWO wurde durch BGBl 1974/319 eingeführt und seither mehrmals novelliert, gleichwohl aber keine Bestimmung über eine Verbotszone statuiert. Es ist daher von einer beabsichtigten Lücke in der BRWO auszugehen; dies umso mehr, als derselbe Verordnungsgeber (Bundesminister) in der Arbeiterkammer-Wahlordnung (BGBl II 1998/340) in § 35 sehr wohl eine Verbotszone festgelegt hat.
Vom Gesetzgeber beabsichtigte Lücken rechtfertigen einen Umkehrschluss, sodass anders als etwa bei einer Nationalratswahl (§ 58 NRWO) oder einer Arbeiterkammerwahl (§ 35 AKWO) bei einer Betriebsratswahl keine Verbotszone zu beachten ist.
Durch die Verteilung der Fraktionsstimmzettel am Gang vor dem Wahllokal wurde auch keine Situation geschaffen, die (tragfähige) Rückschlüsse auf das Wahlverhalten zugelassen hätte, sodass das absolute Wahlgeheimnis verletzt worden wäre. Es ist zwar richtig, dass bei einem Wähler, der die Wahlzelle mit dem Fraktionsstimmzettel in der Hand wieder verlässt, ein Anschein besteht, dass er nicht diese wahlwerbende Gruppe gewählt hat. Es ist aber jedem Wähler leicht möglich, zwecks Vermeidung dieses Anscheins den nicht verwendeten Fraktionsstimmzettel beim Verlassen der Wahlzelle zu verbergen, zB in der Hosentasche oder Handtasche.
Gültigkeit der Stimmabgabe
Bei Verwendung eines leeren Stimmzettels oder eines anderen Stimmzettels erfolgt nach § 24 Abs 5b Satz 1 BRWO eine gültige Stimmabgabe, wenn aus dem Stimmzettel eindeutig zu erkennen ist, welchen Wahlvorschlag der Wähler wählen wollte. Dies ist nach § 24 Abs 5b Satz 2 BRWO „insbesonders der Fall, wenn auf dem Stimmzettel der Wahlvorschlag durch die Bezeichnung (§ 20 Abs 3) oder durch Angabe eines oder mehrerer Wahlwerber eindeutig bezeichnet wird“.
Im vorliegenden Fall war auf den Fraktionsstimmzetteln jeweils der Name eines Kandidaten der betreffenden wahlwerbenden Gruppe gestempelt. Damit war nach dem klaren Wortlaut des § 24 Abs 5b Satz 2 BRWO durch die Verwendung des Fraktionsstimmzettels eindeutig zu erkennen, dass der Wähler seine Stimme der betreffenden Fraktion (wahlwerbenden Gruppe) geben wollte.
Die E OGH 25. 10. 2011, 9 ObA 40/11i, ARD 6211/6/2012, ist hier nicht einschlägig, weil sie nur einheitliche Stimmzettel mit bloß einem einzigen Wahlvorschlag betrifft. Dass bei einem solchen Stimmzettel das Abgeben dieses Stimmzettels ohne Eintrag durch den Wähler nicht als eindeutige Stimme für den Wahlvorschlag angesehen werden kann, ist naheliegend:
Der einheitliche Stimmzettel enthält – auch wenn er nur einen Wahlvorschlag enthält – definitionsgemäß noch keine Willensbekundung, sondern bedarf notwendigerweise noch der Ergänzung des Wählerwillens darauf. Aus diesem Grund verlangt § 24 Abs 5a BRWO beim einheitlichen Stimmzettel eine aktive Veränderung desselben: Es muss „der Wille des Wählers durch Ankreuzen, Unterstreichen oder andere Kennzeichnung eines Wahlvorschlages durch Durchstreichen der übrigen Wahlvorschläge oder auf sonstige Weise eindeutig zu erkennen“ sein.
Anders ist dies aber bei einem eigenen Stimmzettel oder auch bei einem Fraktionsstimmzettel. Dass schon die Verwendung eines solchen Stimmzettels beim Wahlvorgang einen hinreichend eindeutigen Schluss auf den Wählerwillen zulässt, wurde bereits vor Einfügung des Abs 5b in § 24 BRWO durch BGBl 1990/690 judiziert (vgl EA Linz 11. 7. 1983, Re 79/83, ARD 3579/10/84 = Arb 10.253). Die nunmehrige Regelung des § 24 Abs 5b BRWO geht auch davon aus; sie verlangt – im Unterschied zu § 24 Abs 5a BRWO betr einheitliche Stimmzettel – gerade keine Veränderung des Stimmzettels, sondern nur, dass „aus dem Stimmzettel eindeutig zu erkennen ist, welchen Wahlvorschlag der Wähler wählen wollte“.
Dabei ist es auch völlig unerheblich, wer diesen „anderen Stimmzettel“ erstellt hat und durch welche Schriftzeichen – hand- oder maschinengeschrieben oder (wie hier) gestempelt – der Wählerwille ausgedrückt wird, weil der Wahlvorgang (in der Wahlzelle und abseits der Briefwahl) grundsätzlich die Abgabe des Stimmzettels ist (§ 24 Abs 2 BRWO), wozu (nur) beim einheitlichen Stimmzettel noch das Ausfüllen desselben hinzutritt (§ 24 Abs 3 Satz 3 BRWO). Bei einem anderen Stimmzettel besteht der Wahlvorgang in dessen Verwendung, sodass auch mit im Vorhinein ausgefüllten Stimmzettel gewählt werden kann.
Enthält ein Wahlkuvert mehrere Stimmzettel, die auf verschiedene Wahlvorschläge lauten, so sind sie nach § 24 Abs 7 Satz 1 BRWO ungültig. Enthält ein Wahlkuvert mehrere Stimmzettel, die auf denselben Wahlvorschlag lauten, so zählen sie nach § 24 Abs 7 Satz 2 BRWO als eine gültige Stimme.
Keiner dieser beiden Fälle ist erfüllt, wenn ein unausgefüllter einheitlicher Stimmzettel und ein Fraktionsstimmzettel in das Wahlkuvert gelegt werden. Erster ist mangels Ankreuzen etc ungültig (§ 24 Abs 6 Z 1 BRWO), letzterer wie erörtert wegen des eindeutigen zu erkennenden Wählerwillens gültig (vgl auch § 24 Abs 6 Z 1 BRWO e contrario) und es liegt eine gültige Stimme für die wahlwerbende Gruppe vor, auf die der Fraktionsstimmzettel hinweist.